Science vs. Fiction Was wirklich in Zombiehirnen passiert (wenn es welche geben würde)
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07. Juli 2022, 11:27 Uhr
Ob in Filmen, Games oder in der Musik – Zombies gehören zur Popkultur. Alles nur ausgedacht? Nicht ganz. Denn viele Wesensmerkmale zeigen Parallelen zu medizinischen Krankheitsbildern von uns Nicht-Zombies. MDR Wissen hat bei einer Neurowissenschaftlerin nachgefragt.
Die Angst vor einer Seuche, die weltweit um sich greift und massenhaft Menschen dahinrafft, kennen wir nicht erst seit Corona. Schon 1968 hat Kultregisseur George A. Romero mit seinem Horrorfilm "Night of the Living Dead" (Die Nacht der lebenden Toten) ein Sujet geschaffen, das von vielen Produzenten immer wieder aufgegriffen wurde. Das Zombie-Phänomen, nach dem Untote wieder zum Leben erweckt werden können und wild durch die Gegend geistern, wurde Teil der Popkultur.
Aber ist die Zombiefigur wirklich nur rein fiktional? Oder lassen sich die Zombiefiguren auch wissenschaftlich beschreiben? Kann es so was wie Zombies wirklich geben?
Die deutsche Neurowissenschaftlerin und Scienceinfluencerin Stina Börchers, die gerade an der Universität Göteborg ihre Doktorarbeit schreibt, ist selbst Zombieliebhaberin und befasst sich auch wissenschaftlich mit dem Thema. Sie sagt: "Das Gehirn muss bei Zombies noch irgendwie funktionieren, zumindest in Teilen." Viele Zombieverhaltensweisen seien deshalb an menschliche Krankheiten angelehnt.
Reaktiv-impulsive Aggression
Zum einen ist da die reaktiv-impulsive Aggression, die für Zombies charakteristisch ist. "Das kennt man bei einem impulsiven Streit im Straßenverkehr oder unter Alkoholeinfluss", sagt Gehirnexpertin Stina Börchers. Betroffen sind dann vor allem zwei Hirnareale: Zum einen die Amygdala, die für das emotionale Erkennen von Gefahren und für unsere Angstzustände zuständig ist. Zusammen mit dem Hypothalamus gibt es dann eine Stressantwort. "Dann ist man im Survival-Mode, also wir wollen überleben." Diesen angeborenen, triebgesteuerten Impuls hat jeder Mensch. Dieser lässt sich jedoch durch den orbito-frontalen Cortex in Schach halten. Der ist im Frontalhirn angesiedelt und entscheidet darüber, ob wir uns einem "Fight-or-Flight" hingeben wollen, uns also dem Kampf stellen oder lieber flüchten, oder ob wir uns eher normal verhalten.
Das kennt man bei einem impulsiven Streit im Straßenverkehr oder unter Alkoholeinfluss.
Bei Zombies müsste dieser Bereich dann gestört sein. "Das kann man auch im Tierreich sehen, wenn sie Schäden im Frontalhirn haben, dass sie wesentlich impulsiver und aggressiver sind", erklärt Börchers. Genau das müsste dann bei den Zombies auch vorhanden sein.
Ein ähnliches Beispiel gibt es auch beim Menschen: Der US-amerikanische Bauarbeiter Phineas P. Gage hatte 1848 einen schweren Unfall auf einer Eisenbahn-Baustelle. Bei einer Explosion schoss ihm eine ein Meter lange Eisenstange durch den Kopf – und zwar genau durch den orbito-frontalen Cortex. Gage überlebte und behielt seine intellektuellen Fähigkeiten, wies jedoch eine komplette Persönlichkeitsveränderung auf. Der sehr umgängliche und hilfsbereite Mensch Phineas Gage wurde nach dem Unfall aggressiv, kindisch und auch sehr risikobereit. In der Neurologie bezeichnet man das heute als "Frontalhirnsyndrom".
Prosopagnosie
In einigen Horror-Filmen verwandeln sich Menschen in Zombies und gehen plötzlich auf eigene, ihnen vertraute Menschen los, wie z. B. bei "28 weeks later" (2007). In der Medizin bezeichnet man dieses Krankheitsbild als Prosopagnosie. "Gesichter lassen sich dann nicht mehr einer Identität zuordnen", sagt Börchers. Für Betroffene blieben Gesichtsmerkmale wie Augen, Nase oder Bart zwar erkennbar, sie könnten aber nicht mehr abstrahieren, welche Person ihr Gegenüber ist. Das kann sogar das eigene Spiegelbild betreffen.
Für das Erkennen einer Identität ist die Fusiform Face Area zuständig, die sich im unteren Teil des Temporallappens befindet. "Genau der Teil könnte bei Zombies dann gestört sein", glaubt Börchers. Allerdings ließe sich dieser Bereich auch austricksen: "Das lässt sich manipulieren, indem Zombies einen zwar nicht mehr am Gesicht, doch aber an unserem aufrechten Gang erkennen können." Wenn wir uns dann wie Zombies verhielten, z. B. mit dem typischen gebücktem Gang, könnte man sich gut in einer Zombiehorde verstecken, ähnlich wie beim Film "Shaun oft the Dead" (2004).
Aphasie
Viele Zombies können auch nicht mehr richtig sprechen, sondern geben im Wesentlichen nur noch unverständliche Laute von sich – sie stöhnen oder ächzen. Neurowissenschaftlich ließen sich Parallelen zur Aphasie erkennen, die mit einem Verlust des Sprechvermögens und Sprachverstehens einhergeht. Hierbei sind im Gehirn das Wernicke- und das Broca-Areal betroffen. Ersteres ist dafür wichtig, dass wir Sprache verstehen. Man könnte dann zwar noch sehr viel reden, "aber die ausgesprochenen Worte ergeben wenig Sinn", erklärt Stina Börchers. Sie nimmt aber an, dass bei Zombies eher dass Broca-Areal geschädigt ist: "Das heißt, dass die Produktion von Sprache gestört ist. Denn das Broca-Areal liegt nah am Motorcortex." Dieser Gehirnbereich ist auch für unsere Bewegungen und Motorik zuständig ist. Das gelte auch für die Sprachbewegungen, z. B. die Koordination von Lippen, Zunge und Kehlkopf.
Spinozerebelläre Ataxie
Das führt zum nächsten Punkt: Zombies haben häufig Probleme, ihre Bewegungen zu koordinieren. Das Pendant wäre hier die Spinozerebelläre Ataxie. Die Bewegungen bei diesen Menschen sind eher steif und schlurfend – auch die Augen ließen sich nicht mehr kontrollieren. Bei diesem Krankheitsbild ist dann vor allem das Kleinhirn beeinträchtigt. Stine Börchers vergleicht das mit stark betrunkenen Menschen: "Auch da gibt es Bewegungsstörungen, das Gangbild ist eher schlurfend und es kommt zu Gleichgewichtsstörungen."
Viele Zombie-Züge haben also ein Pendant im realen Leben und zeigen Parallelen zu menschlichen Krankheitsbildern. Neurowissenschaftlerin Stina Börchers kann sich durchaus vorstellen, dass ein Gehirn alle diese Symptomatiken aufweist. Sie findet allerdings die Darstellungen in der Popkultur durchaus problematisch, denn diese medizinischen Krankheitszüge könnten nicht alle Menschen gleichzeitig zeigen. Hinzu komme, dass Zombies ja eigentlich tot sind, so Börchers. "Das heißt, es setzt ein Verwesungsprozess ein." Deshalb sei es unrealistisch und eben reine Fiktion, dass viele Zombies so lange überleben könnten.
(jk)
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