Unfall-Statistik Alkohol am Steuer: Brauchen wir die Null-Promille-Grenze?
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04. April 2023, 17:28 Uhr
Über Jahre gab es einen Trend in Deutschland, dass Alkohol eine immer kleinere Rolle bei gefährlichen Verkehrsunfällen spielt. Jetzt hat ein schwerer Unfall in Thüringen die Diskussion um die 0-Promille-Grenze wieder neu entfacht.
Ein schwerer Unfall am 2. April in Thüringen mit sieben Toten hat die alte Diskussion um die 0,0-Promille-Grenze für Alkohol im Straßenverkehr neu belebt. Seit heute (5.4.) steht auch fest, dass die Unfallverursacher erhebliche Alkohol-Konzentrationen im Blut hatten. Damit sind sie bei Unfällen unter Alkoholeinfluss keine Ausnahme, wie die Zahlen der vergangenen Jahre zeigen.
Bis Mitte der 2010er-Jahre war ein erfreulicher Trend zu beobachten. Nicht nur die Anzahl der Verkehrsunfälle insgesamt ging kontinuierlich zurück, sondern auch die der Unfälle, bei denen Alkohol im Spiel war. Dann pegelten sich beide Zahlen für ein paar Jahre auf gleichbleibendem Niveau ein. In den ersten beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 gab es dann zwar deutlich weniger Unfälle mit Toten oder Verletzten als je zuvor in den vergangenen Jahrzehnten, aber die Zahl der Alkohol-Unfälle mit Personenschaden ging nicht gleichermaßen zurück.
Und so lässt sich seit 2016 ein besorgniserregender Trend feststellen. Zumindest bis 2021, neuere Zahlen vom Statistischen Bundesamt liegen noch nicht vor. Der Trend heißt: Alkohol war seit 2016 von Jahr zu Jahr wieder häufiger im Spiel, wenn auf Deutschlands Straßen Menschen zu Schaden kamen.
Zuletzt, 2021, betrug der Anteil von Alkohol-Unfällen 5,3 Prozent, nachdem es 2015 und 2016 schon mal lediglich 4,3 Prozent waren.
Wenn Alkohol, dann viel: 70 Prozent über 1,1 Promille
Wenn im Jahr 2021 bei Unfällen Personen zu Schaden kamen und Alkohol im Spiel war, dann nicht wenig. Reichlich 70 Prozent der alkoholisierten Unfallbeteiligten hatten 1,1 Promille und mehr im Blut, waren also laut Rechtsprechung absolut fahruntüchtig. Und bei ganzen 22 Prozent wurden sogar 2,0 Promille und mehr gemessen.
Der typische Alkohol-Unfall
Aus den Daten von 2021 lässt sich auch eine (statistisch) typische Unfallfahrt unter Alkoholeinfluss rekonstruieren. Sie geschieht auf mehr oder weniger freier Strecke innerorts oder auf einer Landstraße, es ist Abend oder Nacht, es ist Wochenende, die alkoholisierten Beteiligten sind männlich.
Im Einzelnen. Zum Vergleich für die folgenden Diagramme brauchen wir den weiter oben genannten Wert von 5,3 Prozent. Es ist der Anteil von Alkohol-Unfällen an allen Unfällen mit Toten oder Verletzten. Der Durchschnittswert für 2021 sozusagen. Sie werden sehen, wie sehr der Alkohol-Anteil in manchen Kategorien von diesen 5,3 Prozent abweicht. Zum Beispiel bei den Unfallarten. Auf freier Strecke ist dann nämlich schon mal bei 13,5 Prozent aller Unfälle Alkohol im Spiel. Auch Stauenden ("ruhender Verkehr") übersehen Alkoholisierte recht oft. Während sie beim Ein- und Abbiegen, also an Kreuzungen, offenbar weniger Probleme haben oder ganz besonders gut aufpassen.
Bei der Verteilung der Wochentage spricht das nächste Diagramm wohl für sich. An Wochenenden gibt es erheblich mehr Alkohol-Unfälle als an den restlichen Tagen.
Besonders hohe Werte sind bei der Verteilung nach Tageszeit zu beobachten. Nach Mitternacht, zwischen null und vier Uhr, ist bei fast der Hälfte aller Unfälle mit Personenschaden Alkohol im Spiel, zwischen 6 und 18 Uhr dagegen fast gar nicht.
Die große Mehrheit alkoholisierter Unfallbeteiligter ist männlich. Aber alle Altersgruppen sind beteiligt. 2021 waren es die 25- bis 34-jährigen Männer, die am häufigsten in einen Unfall verwickelt waren.
Betrunkene trauen sich vielleicht nicht so oft auf die Autobahn. Jedenfalls ist ihr Anteil an den Unfallbeteiligten dort geringer als innerorts und auf Landstraßen.
Zuletzt noch ein Blick auf die einzelnen Bundesländer. Zwischen denen sind die Abstände zwar nicht so groß wie bei den Wochentagen oder der Uhrzeit. Aber ein Trend lässt sich dennoch ablesen, besonders, wenn man auf das Ende der folgenden Liste schaut. In den sogenannten "Stadtstaaten", also Hamburg, Bremen und Berlin spielt Alkohol am seltensten eine Rolle bei schweren Unfällen. Dünner besiedelte Bundesländer (mit vielen Landstraßen?) haben da deutlich höhere Werte aufzuweisen.
(rr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 04. April 2023 | 10:55 Uhr