Lösung für Umweltprobleme Gotland setzt auf Recycling-Kreislauf Urin-Dünger-Gerste-Bier-Urin
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15. Februar 2022, 05:00 Uhr
Wissenschaftler haben berechnet, dass mit Urin-Recycling bis zu 47 Prozent Treibhausgase und 41 Prozent Energie bei der Abwasseraufbereitung eingespart werden könnten. Im schwedischen Gotland sammelt man den Urin von Touristen, um daraus Dünger für Gerste und aus der Gerste Bier für Touristen herzustellen. Die liefern dann wieder Urin für neuen Dünger. Ein geschlossenes System quasi.
Ein gesunder Mensch scheidet am Tag 1,5 bis 2 Liter Urin aus. Allein in Deutschland mit einer Bevölkerung von rund 83 Millionen Menschen kommen so täglich bis zu 166 Millionen Liter Urin zusammen. Dieser besteht zu 95 Prozent aus Wasser. Fünf Prozent jedoch sind andere Inhaltsstoffe: Kalium-, Natrium- und Chlorid-Ionen gehören dazu, aber auch Harnstoff, Kreatin und Harnsäure. Wertvolle Rohstoffe, die die Menschen früher intensiv nutzten, etwa zum Düngen, Ledergerben oder Wäschewaschen.
Abwasserentsorgung ohne Urinabscheidung
In der modernen zentralen Abwasserentsorgung ist für eine gesonderte Urinableitung und -nutzung jedoch kein Platz mehr. Urin wird heutzutage mit Fäkalien und Toilettenpapier aus Spültoiletten in die Kanalisation geleitet. Gemeinsam mit anderen Abwässern landet er in Kläranlagen, wo die Abwässer in einem energieintensiven Prozess gereinigt werden müssen. Doch auch nach diesem Prozess können die Abwässer immer noch viel Stickstoff und andere Nährstoffe, aber auch Schadstoffe enthalten, die für die Umwelt eine Belastung sind.
Lösung für Umweltprobleme
Dabei könnte die Trennung des Urins vom übrigen Abwasser einige schwerwiegende Umweltprobleme lösen, wie eine Recherche in der Zeitschrift "Nature" zeigt. Wissenschaftler und Ingenieure weltweit arbeiten deshalb an Lösungen, wie man Urin vom übrigen Abwasser trennen und zu Dünger und anderen Produkten recyceln kann. Schätzungen des Chemieingenieurs Prithvi Simha von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften (SLU) in Uppsala zufolge produzieren die Menschen genug Urin, um etwa ein Viertel der derzeitigen Stickstoff- und Phosphordünger der Welt ersetzen zu können. Durch einen Verzicht auf das Herunterspülen von Urin in gewöhnlichen Spültoiletten könnte zudem sehr viel Wasser eingespart werden.
70.000 Liter Touristen-Urin
Simha ist zugleich Chief Technology Officer von Sanitation360, einer Ausgründung der schwedischen Universität Uppsala, die auf der Insel Gotland ein Pilotprojekt zum Urinrecycling betreibt. Trinkwasser ist auf Schwedens größter Insel knapp. Dafür hinterlassen Landwirtschaft und Sommer-Tourismus jedes Jahr große Abwassermengen, die in der Ostsee gefährliche Algenblüten verursachen und Mensch und Fische krankmachen können. Um zumindest die enormen Urinmengen der Touristen aus dem Abwassersystem fernzuhalten, hat Sanitation360 zahlreiche mobile Spezialtoiletten auf der Ferieninsel aufgestellt. Mithilfe der wasserlosen Urinale sollen innerhalb von drei Jahren mehr als 70.000 Liter Urin gesammelt werden.
Harnstoff-Brocken für Gersten-Dünger
Mit einem von den SLU-Forschern entwickelten Verfahren wird der gesammelte Urin zu betonähnlichen Harnstoff-Brocken getrocknet. Diese werden später pulverisiert und mit anderen Nährstoffen zu Düngemittelpellets gepresst, die in normale Landwirtschaftsmaschinen passen. Ein lokaler Landwirt verwendet den Dünger, um Gerste anzubauen. Diese wiederum wird von einer Brauerei zur Biererzeugung verwendet. Der Gerstensaft wiederum wird von den Gotländern und den Touristen getrunken, als Urin ausgeschieden und so dem Kreislauf wieder zurückgeführt. Ein geschlossenes System quasi.
Lösung für Umwelt-Probleme
Die konsequente Trennung des Urins vom übrigen Abwasser könnte weltweit einige der schwierigsten Umweltprobleme entschärfen. So haben Umweltingenieure der Universität von Michigan in den USA ausgerechnet, dass Abwassersysteme in drei US-Bundesstaaten mit einem Urin-Recycling im Vergleich zu konventionellen Abwassersystemen bis zu 47 Prozent an Treibhausgasen und bis zu 41 Prozent an Energie einsparen könnten. Außerdem könnte die Nährstoffbelastung im Abwasser um bis zu 64 Prozent reduziert werden.
Problem von Urin-Abscheidung und Transport
Das setzt allerdings voraus, dass es möglich ist, den Urin zuverlässig abzutrennen und abzuführen. Hier sind mittlerweile technische Innovationen auf den Markt, die das ermöglichen. Das zweite Problem ist die Weiterleitung des aufgefangenen Urins. Vor allem in großen Städten, wo der meiste Urin anfällt, ist das nicht einfach. Separate Urin-Rohre zu verlegen, ist nicht praktikabel. Da Urin aus 95 Prozent Wasser besteht, wären Transport und Lagerung viel zu teuer. Deshalb müssen die festen Bestandteile des Urins bereits im Gebäude vom Wasser getrennt, getrocknet und extrahiert werden. Hier arbeiten Wissenschaftler weltweit an verschiedenen Methoden.
(dn)
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