Agrarforschung in Halle Tierfutter: Erbsentoast statt Soja
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09. Juli 2020, 14:53 Uhr
In Deutschland werden knapp 12 Millionen Rinder gehalten. Eine wichtige Zutat ihres Futters besteht aus Soja und die kommt zumeist aus Übersee. Der Anbau hat drastischen Folgen für Umwelt und Klima. Forscher aus Mitteldeutschland schlagen daher vor: Für die Kuh gibt’s künftig Erbsentoast aus heimischer Landwirtschaft.
Soja darf im Futtertrog nicht fehlen. Denn die Bohne enthält viel Eiweiß und liefert Rindern und anderen Nutztieren wichtige Nährstoffe. 80 Prozent des weltweiten Anbaus wird laut WWF für Tierfutter verwendet. Soja boomt – und eine wirkliche Alternative zu der Proteinbombe gibt es bisher nicht.
Soja ist schlecht für Klima und Umwelt
Soja wird vor allem in Brasilien, USA und Argentinien angebaut. Damit gehen oft massive Umweltprobleme einher: Den Bohnenfeldern fallen immer wieder ganze Ökosysteme wie Regenwälder und Savannen zum Opfer. Großflächige Brandrodungen heizen das Weltklima durch die Freisetzung von Kohlenstoffdioxid zusätzlich an. Auch die langen Transportwege hinterlassen einen ökologischen Fußabdruck.
Gegen Schädlinge gehen Sojabauern in Südamerika häufig mit Glyphosat vor. Der Großteil der dort angebauten Bohnen ist gentechnisch so verändert, dass er gegen das umstrittene Pflanzenschutzmittel immun ist. Unter der Methode aber leiden Boden, Flora und Fauna. Und schließlich landet der exportierte Gen-Soja auch im Futter heimischer Tiere. Das wird von vielen Verbrauchern in Deutschland kritisch gesehen.
Die Lösung: Heimischer Erbsentoast
Wieso nimmt man für das Futter nicht einfach andere Hülsenfrüchte? Soja sei als Eiweißlieferant für Nutztiere nur schwer zu ersetzen, erklärt Prof. Dr. Annette Zeyner von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg:
Die Sojabohne enthält einen sehr hohen Gehalt an Protein. Dieses Protein ist sehr wertvoll, vor allem durch den hohen Anteil an Lysin. Das macht Soja im Moment noch fast einzigartig in der Tierernährung.
Annette Zeyner ist Expertin für Tierernährung und beteiligt sich an dem Projekt "SilaToast", das die Uni Halle gemeinsam mit dem Sächsischen Landwirtschaftsamt durchführt. Im Fokus steht die Milchkuh. Die Forscherinnen und Forscher suchen nach heimischen Alternativen zum Soja als Futtermittel – ein heißer Kandidat ist die Futtererbse. Sie hat gegenüber Soja allerdings einen Nachteil: Erbsen enthalten Stoffe, die die Aufnahme wertvoller Nährstoffe bei der Verdauung behindern. Um auf den Eiweißgehalt der Sojabohne zu kommen, muss diese also erst verarbeitet werden.
Die Forschergruppe hat zwei Verfahren kombiniert, um diese für das Tier nachteiligen Stoffe abzubauen. Die geernteten Erbsen gären zunächst in Schläuchen mit Milchsäurebakterien, das wird Silierung genannt. Dann wird die gegorene Masse entnommen und auf eine Art und Weise zubereitet, die wir auch vom Frühstückstisch kennen: Sie wird getoastet. Das zweistufige Procedere verlangt echtes Feintuning. Denn nur das richtige Maß an Erntezeitpunkt, Feuchtigkeit der Silage und anschließender Hitze führt dazu, dass gleichzeitig wertvolles Eiweiß erhalten bleibt. Besonders Kühe profitieren aber von der Zubereitungsmethode:
Gerade die Erbse verfügt über sehr viel Lysin, das ist eine sehr wertvolle Aminosäure im Protein. Und die würde sonst im Pansen verloren gehen.
Weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel nötig
Hülsenfrüchte können Stickstoff aus der Luft aufnehmen. Sie bringen also ihren eigenen Ökodünger gleich mit. Genau genommen übernehmen das Knöllchenbakterien in den Wurzeln, mit denen das Gewächs eine Symbiose eingeht. Die Bakterien geben den Stickstoff dann kontinuierlich an die Pflanze ab. Durch diese besondere Eigenschaft von Erbse und Co. muss nicht mehr so viel Düngemittel von außen hinzugegeben werden – das kommt der Umwelt zugute.
Der Erbsentoast sammelt aber noch mehr grüne Pluspunkte. Wenn sich die Kuh von dieser Kost ernährt, enthält ihr Kuhfladen weniger Stickstoff: eine Quelle auch für giftiges Nitrat im Grundwasser und Lachgas, das dem Klima schadet. Bei dem von dem Forscherteam entwickelten Verfahren kann die Erbse zudem geerntet werden, bevor das Korn voll ausgereift ist. Zu diesem Zeitpunkt interessieren sich Schädlinge noch kaum für die Bohne. Hierzu betont Annette Zeyner:
Das entspricht auch dem Umweltgedanken. Denn das heißt, dass Pflanzenschutzmittel eingespart werden.
Deutschland will unabhängiger von Import werden
Neben Soja spielt der Raps als Eiweißquelle für Nutztiere in Deutschland die größte Rolle. Der wächst traditionell auch hierzulande. Allerdings ist der Anbau rückläufig: die Erhitzung des Klimas und schwer zu bekämpfende Schädlinge machen der Pflanze zu schaffen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sucht daher nach Alternativen und fördert die Erforschung heimischer Eiweißpflanzen seit 2016 mit jährlich sechs Millionen Euro. Von einer Selbstversorgung mit Futterproteinen ist Deutschland aber noch weit entfernt. Dabei wird auch mit Sojasorten, die in Mitteleuropa wachsen, seit einigen Jahren experimentiert. Zwar nimmt der Anteil an deutschem Soja kontinuierlich zu, lag 2018 aber erst bei 1,3 Prozent. Der Rest wird nach wie vor importiert.
Auch SilaToast erhält Geld vom Ministerium. "Wir stoßen auf großes Interesse bei Landwirten", sagt Annette Zeyner. Aber dass die Erbsenproteine so empfindlich auf kleinste Veränderungen im Herstellungsverfahren reagieren, bleibe eine Herausforderung. Bis zum industriellen Einsatz kann es also noch ein Weilchen dauern. Immerhin gibt es schon mobile Toaster am Markt.
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