MDR KLIMA-UPDATE | 13. Mai 2022 Klimakrise ist jetzt: Das bange Warten auf den Regen
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13. Mai 2022, 11:00 Uhr
Der wärmste 11. Mai seit Beginn der Aufzeichnungen trifft auf Tage und Wochen ohne Regen: Es herrscht Dürre in Teilen Mitteldeutschlands - schon wieder oder eher immer noch. Der Landwirtschaft macht der Sommer im Frühling ernsthafte Sorgen und auch global gesehen, bedrohen immer mehr Dürreperioden unsere Nahrungsmittelsicherheit. Und auch in den Wäldern zeigen sich die Folgen schon jetzt.
Liebe Lesende,
glaubt man einer alten Bauernregel, sollte es derzeit deutlich kühler sein, als es tatsächlich ist. Denn die Eisheiligen können nach den ersten warmen Tagen des Jahres noch einmal Nachtfrost bringen, heißt es. Aber davon sind wir ja derzeit weit entfernt. Stattdessen herrschte diese Woche Sommer-Feeling bei bis zu 30 Grad. Noch nie seit Beginn der Datenerfassung waren die kältesten Nachtstunden eines 11. Mai so warm wie in diesem Jahr. Das Phänomen der Eisheiligen gab es paradoxerweise in den vergangenen Jahren trotzdem: In den Tagen zwischen 11. und 15. Mai gingen die Temperaturen in den vergangenen Jahren häufig leicht zurück, aber eben auf einem hohen Niveau.
Während die einen sich über die Sonnentage freuen, machen die anderen sich ernsthaft Sorgen. Denn einer macht sich gerade rar, obwohl er schon bitterlich vermisst wird: der Regen! Auch in den Gemüsegärten fühlt es sich nicht nach Mai an, so viel wie bereits gegossen werden muss, und die Landwirtschaft macht sich ernste Sorgen um die Ernte. Denn die Böden sind knochentrocken. Droht uns also schon wieder ein Jahr der doppelten Extreme mit Hitze und Dürre? Der UN-Dürrebericht, der am Mittwoch auf der 15. Weltbodenkonferenz im westafrikanischen Abidjan vorgestellt wurde, lässt jedenfalls nichts Gutes erahnen. Demnach dürfte sich die Situation in vielen Regionen der Welt noch verschärfen - auch hier bei uns in Europa.
In Anbetracht dieser Tatsachen sollten wir uns langsam aber sicher bewusst werden: Die Klimakrise ist nichts, was in weiter Ferne liegt. Ganz im Gegenteil stecken wir längst drin und die Entwicklung schreitet viel schneller voran, als viele dachten. Das zeigt auch die Warnung der Weltwetterorganisation WMO, die diese Woche erklärt hat, dass die 1,5 Grad-Grenze mit hoher Wahrscheinlichkeit schon bis 2026 einmal gerissen werden dürfte.
[#] Zahl der Woche
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… ist die Prozentzahl, um welche die Anzahl und Dauer von Dürreperioden seit dem Jahr 2000 angestiegen ist. Und die Klimaerwärmung dürfte die Situation in vielen Regionen der Welt noch verschärfen, bilanziert der UN-Dürrebericht. Allein für die Jahre 1998 bis 2017 wird der wirtschaftliche Schaden mit rund 117 Milliarden Euro beziffert.
Während der dramatisch Wassermangel und der Verlust von fruchtbarem Boden bisher vor allem wenig entwickelte Länder wie etwa in der Sahel-Zone getroffen hätten, seien zunehmend auch andere Regionen etwa in Europa betroffen, warnte Ibrahim Thiaw, Exekutiv-Sekretär des internationalen Abkommens zum Schutz der Böden (UNCCD) bei der Präsentation des Berichts am Mittwoch.
Die vierjährige Dürre und der Wald
Es ist trocken in Mitteldeutschland, zu trocken. In einigen Regionen ist seit Wochen kein Tropfen Regen gefallen. Die Böden sind staubtrocken. Dabei hat das Jahr gut angefangen: In den ersten zwei Monaten hat es ausreichend geregnet, im März und im April sah es dagegen schon wieder schlechter aus. Dem DWD zufolge war es zu trocken.
Tatsächlich hat der Niederschlag im Winter nicht ausgereicht, damit die Böden sich erholen konnten, zeigen die Daten des Dürremonitors vom Leipziger Umweltforschungszentrum. Demnach sind Sachsen-Anhalt und der Norden Sachsens am stärksten betroffen. In den Böden herrscht hier extreme Dürre. In einigen Regionen Sachsen-Anhalts sorgt der Wassermangel schon jetzt für Konflikte - so wie etwa im Dorf Deetz im Westfläming, wo Wasserreserven privat aufgekauft werden. Aber auch in Thüringen belastet die Trockenheit Landwirtschaft sowie Kleingärtner und Kleingärtnerinnen. Auch einige Händler auf dem traditionellen Weimarer Zwiebelmarkt bangen um ihre diesjährige Ernte.
Der Dürremonitor zeigt, dass vielerorts bereits jetzt im Frühjahr um die 100 bis 150 Liter Wasser pro Quadratmeter im Boden fehlen. Denn das Spezielle an der derzeitigen Dürre in Mitteldeutschland sei, dass sie nicht ein paar Wochen lang sei. Sie habe sich bereits im Lauf der vergangenen vier Jahre ausgeprägt, erklärt UFZ-Forscher Dr. Andreas Marx. Dabei habe sich das Bodenfeuchtedefizit in der gesamten Zeit nie richtig aufgelöst. Insgesamt sieht Marx seit dem Zweiten Weltkrieg einen klaren Trend zu mehr Trockenperioden. Nach dem letzten großen Hochwasser 2013 seien außerdem die Grundwasserstände in Mitteldeutschland schon stetig gesunken, weil es zu wenig Niederschlag gegeben hat.
Das Problem zeigt sich vor allem auch in unseren Wäldern. Der Hauptgrund, warum die Wälder in Mitleidenschaft gezogen worden sind, sind der fehlende Regen und die gesunkenen Grundwasserstände, erläutert Marx. Dementsprechend ist es auch in den Wäldern extrem trocken, sie sind regelrecht ausgedörrt. In einigen Regionen herrscht schon jetzt im Mai eine besonders hohe Waldbrandgefahr. In Sachsen-Anhalt musste bereits im Landkreis Wittenberg und in Sachsen in den vier Landkreisen Görlitz, Bautzen, Meißen und Nordsachsen die höchste Waldbrandwarnstufe 5 ausgerufen werden. Im besonders stark gefährdeten Landkreis Nordsachsen dürfen deshalb die Wälder mit Ausnahme öffentlicher Straßen nicht mehr betreten werden.
In anderen Teilen der Welt lodern längst schon wieder riesige Wald- und Flächenbrände. In Sibirien etwa gibt es derzeit hunderte Waldbrände. Die lokalen Feuerwehren versuchen zu löschen, haben aber kaum eine Chance gegen die riesigen Brände. Im US-Bundesstaat Kalifornien mussten sich Menschen in Sicherheit bringen, mehrere Gebäude sind abgebrannt. Und auch in Mittelamerika, Zentralasien oder Teilen des afrikanischen Kontinents lodern riesige Feuer, wie Daten der Nasa zeigen.
Der ausbleibende Regen und die ausgetrockneten Böden, in denen die Pflanzen sehr tief wurzeln müssen, um genug Wasser zu bekommen, belasteten insbesondere die Landwirtschaft. In Sachsen-Anhalt befürchtet der Landesbauernverband gar eine Missernte, wenn sich das Wetter in den kommenden zwei, drei Wochen nicht ändert.
Global betrachtet, sorgen die ausgedörrten Böden dafür, dass immer mehr Anbaufläche komplett verloren geht. Dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zufolge verliert die Welt jedes Jahr fruchtbare Böden vom Ausmaß Bulgariens. Diese Entwicklung müsse schnellstens gestoppt werden, so ein Ministeriumssprecher. "Ohne fruchtbare Böden gibt es auch keine Nahrungsmittel."
🗓 Klimatermine
13. - 15. Mai, überall
Es zwitschert, tschiept und zirpt wieder vor unseren Fenster, Zeit also für die alljährliche Vogelzählung. Bei der "Stunde der Gartenvögel" des Nabu Deutschland zählen Freiwillige eine Stunde lang im Garten, Park oder Wald, welche Vögel sie sehen und hören und wie viele es von einer Art gibt. Besonders gut geeignet für die große Vogel-Inventur sind die frühen Morgenstunden, heißt es von den Naturschützern.
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14. und 15. Mai, diverse Orte
Unter der Überschrift "Kidical Mass" finden an diesem Wochenende in verschiedenen Städten Deutschlands Kinder-Fahrraddemonstrationen statt. Die Veranstalter wollen auf diese Weise für Kinder- und Radfreundliche Verkehrswege in Großstädten demonstrieren. Für die Veranstaltungen wird der Verkehr entlang der Demonstrationsrouten umgeleitet.
Chemnitz: Sonntag, 15.5. um 15 Uhr, Start: Karl-Marx Monument
Dessau: Samstag, 14.5. um 14 Uhr, Start: Bauhaus-Museum Dessau, Mies van der Rohe Platz
Dresden: Sonntag, 15.5. um 15 Uhr, Start: Kulturpalast
Erfurt: Samstag, 14.5. um 15 Uhr, Start: Bahnhofsvorplatz
Halle: Samstag, 14.5. um 15 Uhr, Start: Universitätsplatz
Köthen: Sonntag 15.5. um 15 Uhr, Start: Marktplatz Köthen
Leipzig: Samstag, 14.5. um 15 Uhr, Start: Bundesverwaltungsgericht
Magdeburg: Sonntag, 15.5. um 11 Uhr, Start: Domplatz
Jena: Samstag, 14.5. um 14 Uhr, Holzmarkt
Pirna: Sonntag, 15.5. um 15:30 Uhr, Start: Thälmannplatz (Skater-Fläche)
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📰 Klimaforschung und Menschheit
Verbessertes Enzym kann Plastik in 48 Stunden verdauen
Forscher der Universität von Texas in Austin haben mit künstlicher Intelligenz ein bakterielles Enzym optimiert, das Plastikmoleküle abbauen kann. Bei einer Temperatur von 50 Grad Celsius konnte das Enzym eine Plastikverpackung für Lebensmittel innerhalb von 48 Stunden komplett zerlegen, berichten die Forscher. Diese und weitere modifizierte Enzyme könnten erheblich dabei helfen, den gewaltigen von der Menschheit geschaffenen Berg an Plastikmüll wieder abzubauen. Die Untersuchung ist im renommierten Fachjournal Nature erschienen.
Modellrechnungen: Anpassung von Rinder-Futtermittel kann CO2- und Methanemissionen ausreichend senken
Wenn Landwirte Wiederkäuer mit angepasstem Futtermittel ernähren, können sie die stark methanhaltigen Abwinde der Tiere derart reduzieren, dass das globale 1,5 Grad-Ziel eingehalten werden kann. Das ist das Ergebnis einer Simulation eines internationalen Forscherteams, das jetzt im Journal PNAS publiziert wurde. Demnach könnten die Methanemissionen pro Einheit Fleisch oder Milch im Durchschnitt um zwölf Prozent gesenkt werden, wenn die Landwirte frischeres Gras füttern oder das Verhältnis von Futter und Kraftfutter ändern. Weitere Maßnahmen wie die Fütterung von Ölsaaten, gerbstoffhaltigen Futtermitteln und Methaninhibitoren könnten die Emissionen sogar um 21 Prozent senken. Diese Maßnahmen dürften aufgrund ihrer Kosten aber wahrscheinlich größtenteils nur von Landwirten in reichen Ländern umsetzbar sein, so die Forscher im Fachartikel.
Wald kann bei Klimaerwärmung Schutzraum für Insekten sein
Ein Forscherteam der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg konnte zeigen, dass Wälder das Insektensterben zu einem gewissen Grad abfedern können, wenn sich das Klima erwärmt. Der Untersuchung zufolge gebe es in Landschaften mit einem höheren Waldanteil länger vielfältigere Bestäubergemeinschaften. Das Forschungsteam schlussfolgert daraus, dass ein großer Anteil an Waldfläche in der Landschaft als Zufluchtsort für Insekten vor der Klimaerwärmung dienen könnte. Das liege daran, dass Wälder und Waldränder weitgehend natürliche Bedingungen bieten, die extreme Hitze und Trockenheit eher abpuffern, so das Forschungsteam. Die Studie ist im Fachmagazin Science Advances publiziert worden.
📻 Klima in MDR und ARD
👋 Zum Schluss
Die Bilanz dieser Mai-Woche, die eher an den Juli erinnert hat, liegt auf der Hand: Die Klimaerwärmung ist kein weit entferntes Problem der Zukunft, sondern wir stecken längst drin in der Klimakrise und den Extremereignissen, die sie zur Folge hat.
Wer sich das ganze Problem optisch etwas besser vorstellen will, kann sich ja mal in Leipzig auf der Sachsenbrücke im Clara-Zetkin-Park die "Warming Stripes" anschauen, die in überdimensionaler Größe die klimatische Entwicklung über die Jahre visualisieren. Und ein Besuch im Park ist bei warmen Temperaturen ja ohnehin immer eine gute Idee.
Oder haben Sie selbst oder Ihre Kinder, Enkel, Nichten oder Neffen schon einmal über eine Karriere in einem Klima-Beruf nachgedacht? Da herrscht nämlich vor allem im handwerklichen Bereich Fachkräftemangel, aber auch wer etwas Technisches studieren will, findet hier die sicheren Jobs der Zukunft. Die Branche würde sich jedenfalls über mehr Interessenten freuen und es kann ja auch erfüllend sein, mit seiner Arbeit etwas gegen die Klimakrise zu tun.
Wenn Sie nicht gleich den Job wechseln wollen, dann probieren Sie doch vielleicht an Ihrer Ernährung ein bisschen was zu optimieren. Denn mit der richtigen Wahl schützen Sie die biologische Vielfalt auf unserem Planeten, sagt der WWF. Und das kann sogar ganz schön lecker sein, beweist die Tierschutzorganisation mit einer kostenlosen Rezeptsammlung.
Lassen Sie es sich also schmecken und von der aktuellen Trockenheit nicht zu sehr die Laune verderben. Der nächste Regen kommt hoffentlich bald. Und bis dahin können Sie uns natürlich auch wieder Ihre Gedanken und Ihre Meinungen zum Thema schicken! Wir freuen uns drauf.
Herzlichst,
Kristin Kielon
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Schreiben Sie uns an klima@mdr.de.