Alternativen zum Kükenschreddern Hahn oder Henne - weiß man schon im Ei
Hauptinhalt
08. November 2019, 10:16 Uhr
Wer morgens sein Frühstücksei auslöffelt, denkt selten über die Hühner nach, die das ermöglichen: Sogenannte Hybriden, die speziell zum Eierlegen gezüchtet werden. Tatsächlich würde nämlich kein Huhn täglich ein Ei ausbrüten. Und welche Rolle spielen die Hähne? Die braucht man nur, wenn man Küken braucht, um neue Bruthühner zu züchten. Für männliche Küken endet ihr Leben, sobald ihr Geschlecht klar ist - bislang im Schredder. Doch es gibt Alternativen für das Verfahren.
Im Schnitt isst ein Deutscher pro Jahr 230 Eier. Diese Eier kommen logischerweise von Hennen und nicht vom Hahn. Für die männlichen Küken gibt es keine wirtschaftliche Verwertung. Nicht mal als Masthahn taugen Hähne der Rassen, die eigens fürs Eierlegen gezüchtet wurden, erläutert Agrarökonom Ludger Breloh:
Das ist der Grund, weshalb aufgrund des fehlenden wirtschaftlichen Nutzens zigmillionenfach, tagtäglich weltweit männliche Eintagsküken getötet werden.
Das soll sich ändern, darüber ist sich nicht nur die große Koalition einig. Auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat festgestellt, dass Kükenschreddern mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar ist. Aber was sind die Alternativen?
Alternativen zum Hühnerschreddern
Eine Idee: Das Geschlecht soll schon im Ei erkannt werden, dann lassen sich männliche Küken schon aussortieren bevor sie schlüpfen. Dazu hat die Wissenschaft mehrere Ideen vorgelegt und eine davon hat schon die ersten Eier in die Supermarktregale gebracht: Das endokrinologische Verfahren aus Leipzig. Ob ein Küken männlich oder weiblich ist, darüber gibt nämlich ein Hormon Auskunft, erklärt Almuth Einspanier, Institutsleiterin des Veterinär-Physiologisch-Chemischen Instituts. Seit acht Jahren entwickelt sie das endokrinologische Verfahren an der Uni Leipzig.
Die Konzentration des Hormons ist in den weiblichen Bruteiern sehr, sehr hoch und damit habe ich eine klare Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Bruteiern.
Um an das Hormon zu kommen, wird mit einem Laser ein nadelspitzenwinziges Loch in die Schale gebohrt. Almuth Einspanier versichert:
Das haben wir in unserer Forschung gezeigt, dass die Punktion, die Entnahme der Flüssigkeit keinerlei negativen Einfluss hat auf die Entwicklung dieser Küken, die schlüpfen völlig normal.
Dann werden nur die weiblichen Küken fertig ausgebrütet. Die männlichen Eier werden zum einen zu Futterpulver für die weiblichen Küken. Und solche Eier gibt es ab dem 18. November in Mitteldeutschland auch zu kaufen und zwar bei Rewe und Penny. Eier also aus einer Hühner-Generation, die ohne Kükenschreddern auskommen. Gekennzeichnet sind sie mit dem kleinen Wort "Respeggt". Geschrieben am Ende wie das Ei auf Englisch: Egg. Das gleiche Wortspiel findet sich auch bei der Firma, die das möglich gemacht hat: Die SELEGGT GmbH. Die hat die Idee aus Leipzig aufgegriffen und praxistauglich gemacht. Geschäftsführer Ludger Breloh:
Es kommt auch darauf an, dass wir den Ansprüchen von Brütereien gerecht werden können, um tagtäglich in großen Stückzahlen die Geschlechtsbestimmung der Bruteier vornehmen zu können. Da erschien uns das endokrinologische Verfahren aus der Grundlagenforschung an der Uni Leipzig als das Verfahren mit den geringsten technischen Hürden.
Tierschützer und ihre Kritik an dem Verfahren
In der Praxis sind die Eier ohne Kükenschreddern also angekommen. Das große Hurra der Tierschützer bleibt aber bisher aus. Der Deutsche Tierschutzbund bemängelt an dem Verfahren, dass die Eier neun Tage lang gebrütet werden müssen. Erst dann ist das nötige Hormon reichhaltig genug vorhanden, um das Geschlecht zu bestimmen. Zu dieser Zeit würde das Embryo aber schon Schmerz empfinden, ist sich der Tierschutzbund sicher. Almuth Einspanier von der Uni Leipzig hält dagegen:
Tag neun ist weit vor dem Schmerzempfinden, wie auch gerade in neuester Literatur belegt, die auch vom wissenschaftlichen Dienst des deutschen Bundestages in Auftrag gegeben wurde.
Auch in Dresden wird an Schredder-Alternativen geforscht
Das ist den Tierschützern nicht genug, sie bevorzugen ein anderes Verfahren. Es stammt ebenfalls aus Sachsen und nennt sich spektroskopisches Sexen von Eiern. Dresdner Forscher können damit das Geschlecht schon nach 3,5 Tagen Brüten bestimmen. Sie betrachten dafür das Blut der Embryos, erklärt Gerald Steiner, Professor an der klinischen Fakultät an der TU Dresden:
Die biochemische Zusammensetzung des Blutes gibt Auskunft über das Geschlecht. Die ist für beide Geschlechter etwas unterschiedlich. Nicht sehr, aber eben doch deutlich messbar.
Gemessen wird die biochemische Zusammensetzung des Blutes, indem das Ei mit Licht angestrahlt wird.
Das wird mit Licht beleuchtet, ganz konkret mit einem Laser, der aber sehr schwach ist, der dem Ei oder dem Embryo nicht schadet und wir registrieren das zurückgestreute Licht.
Und dieses zurückgestreute Licht gibt dann Auskunft darüber, ob im Ei Männchen oder Weibchen heranwachsen. Jetzt kommt das große Aber: Im Labor hat das alles funktioniert. In den Brütereien ist das Verfahren aber noch nicht angekommen, sagt Professor Gerald Steiner:
Das, was im Labor funktioniert, muss hochskaliert werden auf die Anwendung in der Brüterei, wo hunderttausende Eier gemessen werden müssen. Dafür braucht man Zeit und das ist momentan der Stand, dass sich das in der Entwicklung befindet.
Egal, mit welchem Verfahren, eine große Frage bleibt: Wann ist in Deutschland endgültig Schluss mit Kükenschreddern? Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Julia Klöckner, sagt in zwei Jahren. Bis Ende 2021 soll in Deutschland das millionenfache Töten von Küken passé sein.
Dieses Thema im Programm: MDR aktuell | Radio | 10. November 2019 | 10:20 Uhr