Plastikmüll Klimakiller Plastik – müssen wir verzichten?
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10. Mai 2024, 16:12 Uhr
Schlecht für die Gesundheit und noch schlechter für die Umwelt – Plastik hat kein gutes Image. Und dennoch ist Plastik überall - in Autoreifen, Fleecejacken, Kosmetika. Können wir also überhaupt verzichten und wie schlimm ist Plastik wirklich?
Am Montag endeten die UN-Verhandlungen zum ersten globalen Abkommen gegen Plastikverschmutzung. Auch diese vierte Verhandlungsrunde sei zäh gewesen, zitiert die Deutsche Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen, ein öffentliches Ergebnispapier gibt es noch nicht. Nun soll Ende November in Südkorea weiterverhandelt werden.
Dass man international handelt, wird höchste Zeit. Denn die Verschmutzung unseres Planeten mit Plastik nimmt jährlich zu. Und auch die oft vergessenen Auswirkungen für das Klima werden größer: Voraussichtlich werden die Treibhausgasemissionen von Kunststoffen von der Wiege bis zur Bahre bis 2030 1,34 Gigatonnen pro Jahr und bis 2050 2,8 Gigatonnen pro Jahr erreichen. Damit spielt Plastik in einer ähnlichen Größenordnung wie die Zementindustrie. Aber warum sind Kunststoffe solche Klimakiller? Gehen wir den Lebenszyklus eines Kunststoffteilchens mal chronologisch durch.
1.) Herstellung
Kunststoffe werden aus Öl und Gas hergestellt – zu über 99 Prozent basieren sie auf fossilen Rohstoffen. Förderung, Transport und Raffinierung von Gas und Öl zahlen also von Beginn an auf das CO2-Konto von Plastik ein. Dazu kommt, dass die weltweite Plastikproduktion immer noch steigt. In den kommenden 20 Jahren könnte sie sich noch einmal verdoppeln und damit auch alle Wirtschaftszweige, die auf die Herstellung petrochemischer Produkte setzen, weiter mit antreiben.
Dazu kommt, dass die Herstellung von Plastik energieintensiv ist. Diese Energie kommt laut einer Studie der ETH Zürich häufig aus Kohlekraft. Länder, die viele Plastikprodukte herstellen und exportieren, sind China und die Länder des Globalen Südens. Das bedeutet: Wenn wir in Deutschland beispielsweise Plastik importieren, entstehen Emissionen in den Herkunftsländern, die wir vermutlich nicht auf dem Schirm haben. Die Europäische Union konnte ihre Plastik-Emissionen in den vergangenen Jahren senken – aber eben nur, weil diese quasi auf Nicht-EU-Länder "ausgelagert" wurden.
An diesem Punkt in ihrem Lebenszyklus haben Kunststoffe bereits einen fulminanten Start hingelegt, für den Großteil ihres CO2-Impacts ist nämlich die Herstellung verantwortlich. Nachdem ein Plastikprodukt genutzt wurde, gibt es mehrere Szenarien für sein weiteres Leben.
2.) Unsachgemäß entsorgt
Wenn Plastikmüll ins Meer gelangt, ist das für die dort existierenden Ökosysteme gefährlich. Am bekanntesten ist wohl das Bild einer Meeresschildkröte, verstrickt in ein Plastiknetz. Was nach einem Einzelschicksal aussieht, ist Ausdruck eines viel größeren Problems: Unsere Ozeane sind enorm wichtige Kohlenstoffsenken im Kampf gegen den Klimawandel. In einem perfekt funktionierenden Ökosystem wird CO2 besonders effektiv gespeichert. Nimmt das Ökosystem Schaden, speichert es weniger CO2 – der Stoff wird in die Atmosphäre abgegeben.
Abgesehen von diesem indirekten Zusammenhang ist Plastik im Meer aber auch auf direktem Wege mit weiteren Emissionen verbunden. Plastikmaterialien zersetzen sich im Wasser - zwar langsam, aber es passiert. Beim Abbau werden ebenfalls Treibhausgase freigesetzt. Durch Sonnenlicht und Hitze werden aus den Kunststoffen Methan und Ethylen abgegeben. Und zwar meistens schneller und mehr, je länger sich das Plastikteil schon im Meer befindet.
3.) Verbrennen
Eine Möglichkeit, mit Plastikabfall umzugehen, ist, ihn schlichtweg zu verbrennen. In vielen Teilen der Welt werden Abfälle offen verbrannt. Das bedeutet, eine ganze Bandbreite an giftigen Chemikalien gelangt direkt in die Luft. Darunter beispielsweise Ruß, ein schwerwiegender Schadstoff, der ein circa 5.000 Mal größeres Treibhauspotenzial als CO2 hat.
Neben dem offenen Verbrennen gibt es aber auch noch eine etwas sicherere Form der Plastik-Verbrennung. Waste-to-Energy-Technologie nennt sich das, die entsprechenden Anlagen können dem Plastikmüll immerhin noch einen Teil der Energie entziehen und diese in Form von Elektrizität zur Verfügung stellen. Auch dabei entstehen allerdings Treibhausgase – und so richtig effizient ist es auch nicht. Die Europäische Kommission stuft Waste-to-Energy deshalb als "nicht nachhaltig" ein. Die Branchenverbände im Verband kommunaler Unternehmen sehen das anders.
Global wird der meiste Kunststoff entweder verbrannt (25 Prozent) oder auf Müllhalden deponiert (40 Prozent, Stand 2016). Der Rest landet einfach so in der Umwelt oder wird zum Recycling gesammelt (2016 waren das 16 Prozent).
Recycling klingt erst einmal gut! Diverse Unternehmen bieten mittlerweile Textilien aus "Ocean Plastic" an, der Begriff suggeriert: Plastikabfälle aus den Meeren werden gesammelt und für die Produktion wiederverwertet. Doch es gibt auch Kritik. Der Anteil des wiederverwendeten Plastiks ist möglicherweise nicht immer hoch und es lassen sich auch nur bestimmte Plastikabfälle überhaupt recyceln. Häufig kommt das "Ocean Plastic" auch nicht aus dem Meer, sondern wurde am Strand gesammelt. Denn dieser Müll ist einfacher zu recyceln. Doch auch dann ist das Recycling aufwendig und energieintensiv. Sollten wir also einfach auf Plastik verzichten?
Sollen wir verzichten?
Natürlich gibt es Menschen, die die Strapazen eines plastikfreien Lebens erfolgreich meistern und als leuchtende Idealbeispiele vorangehen. Allerdings: Wir müssten ganz schön viel auf sich nehmen, um überraschend wenig zu verändern. Die größte Quelle für Mikroplastik in der Umwelt sind beispielsweise weder Kosmetika noch Fleecejacken, sondern der Abrieb von Autoreifen.
Sollten wir Kunststoffe also in Anbetracht dieser Tatsachen einfach gesetzlich verbieten? Auch nicht gut, denn alternative Materialien haben häufig sogar noch größere Umweltauswirkungen, betonen die Forschenden der ETH Zürich in einer Studie von 2021. Aus Sicht der Forschenden ergibt es am meisten Sinn, die CO2-Emissionen von Kunststoffen an jedem Punkt ihres Lebenszyklus zu reduzieren. Also beispielsweise kein Plastik mit Kohlestrom zu produzieren sowie die Energieeffizienz der Produktion zu verbessern.
Das zentrale politische Instrument könnte laut der Studie eine konsequente CO2-Bepreisung sein. Wenn es richtig viel kostet, wird die Dekarbonisierung von Plastik wirtschaftlich für viele Unternehmen sinnvoll. Tatsächlich gibt es bereits Kunststoffe, die eine negative CO2-Bilanz haben, weil sie beispielsweise Biokohlenstoff speichern und damit eine Art Mini-"CO2-Senke" sind.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 29. April 2024 | 17:55 Uhr
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