Suchtprävention Zigaretten, die nicht süchtig machen - geht das?
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22. April 2021, 14:59 Uhr
US-Präsident Biden will, dass der Nikotingehalt von Zigaretten per Gesetz so niedrig ist, dass sie nicht mehr süchtig machen. Aber ist das überhaupt möglich? Kann ein niedrigerer Nikotingehalt bei der Suchtbekämpfung helfen? Maike zum Hoff hat nachgefragt.
Jeder zweite Raucher stirbt am Tabakrauch. Und die Betonung liegt auf Rauch - denn nicht das Nikotin macht uns krank, sondern vielmehr die Verbrennungsprodukte der Zigaretten. Aber das Nikotin macht uns süchtig - eine teuflische Kombination also. Wie könnte man es also schaffen, dass die Glimmstängel ihre Attraktivität verlieren? Gänzlich nikotinfreie Zigaretten gibt es schon - die bringen aber nichts, sagt Doktor Tobias Rüther. Er leitet die Tabakambulanz an der LMU Klinik München. Seine Begründung: Einen nikotinfreien Rauch atmet keiner freiwillig ein. Diese Zigaretten würde also niemand kaufen, denn der Körper zwingt sich nur den Rauch zu inhalieren, weil er eine Belohnung durch das Nikotin bekommt.
Man kriegt es eigentlich gar nicht runter, weil Blätter zu verbrennen und den Rauch einzuatmen, das macht man nicht. Da kann ich jedem nur raten: beugen Sie sich mal über ein Lagerfeuer! Das heißt, theoretisch ist die Überlegung, das Nikotin aus den Zigaretten weniger zu machen, eigentlich relativ schlau.
Stephan Mühlig von der TU Chemnitz ist von dem Konzept noch nicht überzeugt. Er ist Professor für klinische Psychologie und Psychotherapie und langjähriger Tabakforscher.
Ich halte diesen Ansatz einer nikotinreduzierten oder nikotinfreien Zigarette für im Grundsatz verfehlt. Und zwar deshalb, weil das Risiko für Herzinfarkte und für Schlaganfälle auch schon massiv steigt, wenn man nur eine einzige Zigarette am Tag raucht. Wohingegen der Unterschied zwischen einer Zigarette und zwanzig Zigaretten dann nur noch minimal ausfällt.
Das hätten gerade erst neue Metastudien aus dem letzten Jahr gezeigt, so der Professor.
Weniger Nikotin, mehr Zigaretten am Tag?
Ein weiterer kritischer Punkt ist das ausgleichende Rauchen, also wenn der Körper sich seine Dosis einfach durch tieferes Inhalieren oder häufigeres Rauchen holt. Auch das hätten ältere Studien bereits im Zusammenhang mit den Light-Zigaretten gezeigt, sagt Stephan Mühlig, der selbst jahrelang Raucher war und das Verhalten auch nur zu gut von sich selbst kennt.
Der Münchner Suchtmediziner Tobias Rüther würde dazu allerdings gerne neuere, großangelegte Studien haben. Denn: Erste kleine Untersuchungen haben offenbar gezeigt, dass das ausgleichende Rauchen bei nikotinreduzierten Zigaretten ausbleibt. Aber bis hierzu wirklich verlässliche Daten existieren, ist dieser Aspekt mit Vorsicht zu genießen. Gibt es ihn denn überhaupt - den kritischen Nikotinwert, ab dem eine Zigarette nicht mehr süchtig macht? Nein, hier sind sich beide Forscher einig. Professor Stephan Mühlig:
Weil die Schwelle zu einer Substanzabhängigkeit interindividuell sehr stark variiert. Das liegt unter anderem an der Anzahl der genetisch vorhandenen Rezeptoren, die auf Nikotin ansprechen. Es ist zum Teil genetisch bedingt, ist aber im weiteren Verlauf auch veränderbar.
Sprich: Wenn ich schon seit Jahren rauche, habe ich auch mehr Rezeptoren, die auf Nikotin anspringen. Es kann ihn also eigentlich gar nicht geben, den einen Wert für alle. Aber ein Aspekt könnte an den nikotinreduzierten Zigaretten interessant sein, meint Doktor Tobias Rüther. Denn fast alle Raucher, die stark süchtig sind, haben im Kinder- und Jugendalter angefangen. Hier ist der Mensch besonders anfällig für die Entwicklung von Abhängigkeiten.
Da wäre es natürlich extrem spannend, ob nicht die Verfügbarkeit von Zigaretten, die wenig abhängig machen, viele Jugendliche davon abhält, überhaupt damit anzufangen.
Und das will der Suchtmediziner jetzt auch tatsächlich wissen. An das Thema wird er gleich einen Doktoranden setzen, sagt er und lacht.
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