Giftanschlag im Hoden Die fiesen Tricks der Spermien
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08. Februar 2021, 18:36 Uhr
Es ist im wahrsten Sinne ein Wettlauf um das Leben: Denn nur eine von Millionen Spermienzellen, die auf eine Eizelle zuschwimmen, kann sie auch befruchten. Bisher dachte man, dass bei diesem Wettrennen recht faire Bedingungen herrschen. Aber dem ist nicht so, wie jetzt Forschende des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik herausfanden. Unter Spermien herrscht ein harter Konkurrenzkampf – manche vergiften sogar ihre Konkurrenten.
Wir haben sie im Biologie-Unterricht gelernt: Die mendelschen Regeln zur Vererbung. Ein Mensch hat 23 Chromosomen-Paare – eine Hälfte von der Mutter, die andere vom Vater. Und jedes Gen darauf hat dieselbe Chance, vererbt zu werden. Doch das stimmt nicht ganz. Es gibt Ausnahmen von dieser Regel, sagt Professor Bernhard Herrmann, der Direktor der Abteilung für Entwicklungsgenetik am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin (MPIMG). Das ist auch bei Spermienzellen der Fall. Die stehen nämlich in harter Konkurrenz zueinander und sind offenbar ganz und gar nicht alle gleich:
Das heißt, es gibt einen Selektionsprozess auf Ebene der Spermien bei der Befruchtung. Und das kann eben dazu führen, dass bestimmte Kombinationen von Proteinen einen bestimmten Vorteil gegenüber anderen Spermien geben.
Protein für zielgerichtete Bewegung
Herausgefunden hat das das Forschungsteam durch eine Reihe von Experimenten mit Mäusen. Dabei hat sich gezeigt, erläutert der Genetiker, dass ein ganzer Gen-Abschnitt zusammenarbeitet, um sich einen Vorteil bei der Vererbung zu verschaffen. Er heißt T-Haplotyp und aktiviert ein Schalter-Protein in der Spermazelle. Das wiederum ist in der Zelle für zielgerichtete Bewegungen zuständig.
Das heißt, der Vorteil, den die T-Haplotyp-Spermien haben – gegenüber den Wildtyp-Spermien –, entsteht dadurch, dass sie gezielter auf die Eizellen zuschwimmen können und sich damit einen Vorteil verschaffen. Also dadurch, dass sie einfach schneller ankommen bei den Eizellen als die anderen.
Dieser Richtungs-Schalter ist den Forschenden zufolge essentiell. Die Wettbewerbsfähigkeit der Spermien hänge von der richtigen Menge ab. Ein gesundes Mittelmaß ist wichtig – zu viel oder zu wenig Aktivität schlecht.
Dann können sie nicht mehr gerade schwimmen. Dann schwimmen sie in Kurven – quasi im Kreis sozusagen, nicht mehr gerichtet.
Mit Gift gegen Konkurrenten
Die Forschenden vermuten, dass eine zu geringe Aktivität dieses Proteins etwas mit der Unfruchtbarkeit bei Männchen zu tun haben könnte – auch beim Menschen. Doch auch wenn es sehr aktiv ist, können die Spermien nicht zielgerichtet schwimmen. Und das macht sich der Gen-Abschnitt zu Nutze. Er hat nämlich noch einen zweiten fiesen Trick auf Lager: Er vergiftet die Konkurrenz. Dazu werden in der frühen Phase der Spermienentwicklung Störfaktoren in alle Spermien verteilt.
Das sind Gen-Varianten, die in den Spermien zu viel (RAC1-)Aktivität erzeugen. Und die findet dann in allen Spermien statt. Alle Spermien werden dann sozusagen vergiftet. Aber die T-Haplotypen, die exponieren noch einen zweiten Faktor, der diesen Spermien dann einen Schutz gibt.
Ihr Gift verabreichen sie also allen, das Gegengift behalten sie für sich. So können fast nur noch Spermien die Eizelle erreichen, die den T-Haplotyp in sich tragen. Nun haben die Forschenden ihre Erkenntnisse aber bei Mäusen gewonnen. Gibt es diesen unfairen Wettbewerb auch bei der menschlichen Fortpflanzung? Es spricht einiges dafür, dass auch bei uns der genetische Inhalt einer Spermienzelle Einfluss auf ihre Konkurrenzfähigkeit hat, sagt Herrmann.
Ich denke, man kann das durchaus schon aufgrund der jetzigen Datenlage insgesamt postulieren, dass es beim Menschen (...) durchaus auch Szenarien geben kann, wo eben bestimmte Kombinationen von Genen einen Vorteil haben können gegenüber anderen.
Der Kampf um die Eizelle ist also ein rücksichtsloser Konkurrenzkampf. Und manche Gene bedienen sich eben auch ein paar "schmutziger Tricks", um ihre Chancen in diesem Wettlauf ums Leben zu verbessern.
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