Rosa und Hellblau Wie Farb-Klischees die Entwicklung von Kindern beeinflussen
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14. März 2021, 10:00 Uhr
Babys werden direkt nach der Geburt in zwei Gruppen eingeteilt: in Mädchen und Jungen. Und in den Köpfen vieler Eltern und Großeltern geht eine Schublade auf, die die passenden Farben dazu bereithält: Rosa für die Mädchen und für die Jungen Hellblau. Doch das ist kein Naturgesetz. Die Wissenschaft weiß, dass das früher völlig anders war und dass sich in den Farben auch immer gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln. Welche Folgen haben diese Farb-Klischees für die Entwicklung der Kinder?
Woran es eigentlich liegt, dass Mädchen mit der Farbe Rosa und Jungs mit der Farbe Hellblau verbunden werden, ist eine Frage, mit der sich auch die Wissenschaft beschäftigt. Die Soziologie-Professorin Petra Lucht von Technischen Universität Berlin forscht schon lange zu Geschlechtern. Und sie hat zur modernen Farbverteilung bei Mädchen und Jungen eine klare Meinung:
Aus meiner Sicht ist diese Farbzusammenstellung ein Zufall der Geschichte.
Denn dass wir heute den Mädchen das Rosa zuordnen und den Jungen das Hellblau, lässt sich wissenschaftlich nicht so leicht erklären – zumal die historische Forschung davon berichtet, dass es in vergangenen Zeiten ganz anders gewesen ist. Die Soziologie-Studentin Sandra Tausch hat darüber gerade eine Arbeit geschrieben. "Vor rund hundert Jahren war das andersrum", sagt sie.
Rot war einmal die Farbe der Krieger
Und dafür gibt es gute Gründe, sagt Tausch: "Da galt rot als Farbe der Männer. Weil sie verbunden war mit Kampf, Blut, Krieg und Leidenschaft." Deshalb waren auch die Königsmäntel im Mittelalter purpurfarben und rot gefärbt.
In der christlichen Tradition dagegen seien die Mädchen blau angezogen gewesen, ergänzt sie. Die Kleidung für Mädchen orientierte sich damals wahrscheinlich stark am blauen Gewand der Jungfrau Maria. Sie bekamen das sogenannte "kleine Blau" – das Hellblau. Die Jungen dagegen wurden in das "kleine Rot" gesteckt – das Rosa. Das traf allerdings nur auf jene Kinder zu, ergänzt die Soziologie-Professorin Petra Lucht, die das Glück hatten, in wohlhabenden Familien aufzuwachsen. Denn bunte Kleidung war in vergangenen Zeiten sehr teuer, erläutert sie.
Und deshalb konnten sich nur gehobene soziale Schichten diese Kleidung überhaupt leisten. Menschen, die nicht so viel Einkommen hatten, hatten graue, braune oder schwarze Kleidung an und nicht farbige Kleidung.
Vermutlich änderte sich das, als beim gesellschaftlich einflussreichen Militär andere Farben in Mode kamen. Aus kräftigen roten Uniformen wurden nach und nach graue, braune oder auch blaue Uniformen. Das Hellblau für Jungen ist vielleicht auch deshalb bis heute sehr verbreitet wie auch das Rosa für Mädchen. Aber halten sich die Menschen wirklich an diese Farb-Zuteilungen? Eine Umfrage in Halle zeigt, dass es Zweifel gibt.
"Unser Junge trägt auch etwas Rotes und Rosanes. Wir schränken das überhaupt nicht so ein, dass er nur was Blaues trägt", sagt da eine Frau. Und auch ein Mann meint: "Ich habe selber eine Tochter und ich fand das auch immer ein bisschen merkwürdig. Ich weiß nicht, warum sich das so hält. Sie sucht sich selber alles aus und wenn da was Ronanes dabei ist, dann gehen wir auch darauf ein. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich ihr nur rosane Sachen kaufe. Auf keinen Fall." Diese Frau berichtet von klaren Vorlieben: "Ich habe sowohl Tochter als auch Sohn. Und die sind auch auf die Farben fixiert. Mädchen möchten Rosa-Prinzessinnen-Kleider tragen." "Es wird aus irgendwelchen Gründen kulturell gewachsen sein. Und so wie alle Dinge, die kulturell gewachsen sind, werden auch die ihre gute Begründung haben", glaubt ein weiterer Hallenser.
Im Babyalter bekommen die was Blaues und etwas Rötliches oder Rosa. Da ich bin sehr traditionell. Und ich mache mir auch keine Gedanken, dass ich ein Baby benachteilige oder in eine Rolle zwänge.
Farben transportieren Weltbilder
Farben haben seit jeher eine besondere Bedeutung in unserem Leben. Sie geben Orientierung und stehen für eine bestimmte Ordnung, erklärt die Kommunikations-Wissenschaftlerin Almut Schnerring. "Alle Farben haben eine Bedeutung", erklärt sie. "Sie haben eine bestimmte Symbolik, je nachdem, in welchem Kulturkreis sie verwendet werden. Nicht alle Bräute feiern in Weiß. Nicht alle Beerdigungen sind schwarz. Es ist nicht so tief verwurzelt, sondern es ist kulturell gemacht."
Das Problem ist, dass Hierarchien damit einhergehen. Und wenn wir sagen, das Eine ist für die Anderen tabu. Wenn wir sagen, alles, was mit Haushalt zu tun hat, ist nicht für Jungs geeignet, dann hat das Konsequenzen, die wir kleinreden wenn wir sagen: Es geht hier nur um Farben.
Almut Schnerring hat ein vielbeachtetes Buch mit dem Titel die "Die Rosa-Hellblau-Falle" geschrieben, in dem sie sich mit den Farben und deren Wirkung auseinandersetzt.
Sie hat beobachtet, dass wir von Kindesbeinen an in eine bestimmte Richtung geleitet werden. Das kommt aus der Familie, aus der Schule, der Werbung. "Die Botschaft, dass rosa für Mädchen gedacht ist, ist sehr präsent", sagt sie. "Das fängt an mit der Zahnbürstenverpackung, geht über das Müsli, Schulranzen, Plakate an der Bushaltestelle. In Schulbüchern geht es weiter. Bis zum Abendessen und zur Bettwäsche." Wenn man das als Kind ab Tag eins so aufnehme, sei es schwierig, zu sagen: Ich mag aber die anderen Farben, die man ständig konnotiert sehe mit dem jeweils anderen Geschlecht.
Ein Einfluss fürs Leben
Dass sich daran schnell etwas ändert, ist nicht zu erwarten. Soziologie-Studentin Sandra Tausch jedenfalls beobachtet, dass gerade in der Mode – etwa auf Kinder-T-Shirts – Klischees weit verbreitet sind und gepflegt werden.
Verträumt, sanft, unschuldig. Das wird heute mit der Farbe Rosa verbunden. Das wird auch verknüpft mit den Prints. Man sieht selten zum Beispiel ein schwarzes T-Shirt mit einem Einhorn drauf. Diese Sachen sind meistens rosa oder lila oder pastellfarben.
Bei den Farbwelten, die auf Jungen-T-Shirts zu sehen sind, sei das genau konträr, sagt Tausch. Dort gebe es viele Farbwelten, die sich in der Natur wiederfinden, wie Braun oder Grün. "Die könnten dann verknüpft sein mit Attributen wie abenteuerlustig, wild, naturverbunden und unzähmbar", erläutert Tausch.
Diese Farb-Festlegungen hält die Soziologie-Professorin Petra Lucht für bedenklich. Denn was zu Beginn eines Lebens vielleicht noch niedlich wirkt und harmlos erscheint, kann später zum großen Problem werden. So können sich verfestigte Rollenbilder zum Beispiel auf die Berufs- und Karriereplanung auswirken. Wenn zum Beispiel in den schulischen Leistungen die Erwartung sei, dass Jungen in Mathematik oder Informatik besser sind als Mädchen, erläutert die Professorin. "Und es führt auch für Jungen zum Nachteil, wenn sie Berufe ergreifen möchten, die vom Klischee her eher typische Frauenberufe sind. Wenn Männer zum Beispiel Erzieher oder Pfleger werden möchten." Das führe dann zu Berufswahlen, die dann gar nicht dem eigenen Wunsch entsprächen.
Die Farbenverteilung bei Jungen und Mädchen mag also ein Zufall der Geschichte sein. Doch dieser Zufall hat bis heute einen ziemlich großen Einfluss auf unsere Lebenswege.
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