Die sogenannte Querdenken Bewegung demonstriert gegen die Corona-Maßnahmen im Leipziger Stadt-Zentrum, 2020.
Mehrere zehntausend Menschen nahmen an der Querdenken-Demonstration Anfang November in Leipzig teil, viele von Ihnen trugen keine Masken und hielten Abstände nicht ein. Damit haben sie offenbar kräftig zur zweiten Corona-Welle beigetragen, zeigt eine neue Studie. Bildrechte: IMAGO / Steffen Junghans

Covid-19 Querdenken-Großdemonstrationen höchstwahrscheinlich Superspreader-Events

09. Februar 2021, 17:17 Uhr

Die Großdemonstrationen der sogenannten Querdenker im November haben höchstwahrscheinlich zur zweiten Coronawelle beigetragen. Eine neue Statistik analysiert den Anstieg der Inzidenz nach den Demos.

Zehntausende Menschen demonstrierten Anfang November zunächst in Leipzig und wenig später auch in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen. Dabei hielten sich viele Teilnehmer nicht an die Hygiene- und Abstandsregeln, das dokumentieren Aufnahmen von den Veranstaltungen. Viele Demonstranten waren gemeinsam in Bussen angereist. Welchen Einfluss hatten diese Großevents und das Ignorieren von Vorsichtsmaßnahmen auf die Verbreitung des Virus?

Anteil der Coronaskeptiker wird geschätzt

Forscher des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (ZEW) sowie der Berliner Humboldt-Universität (HU) wollen das in einem neuen Diskussionspapier abschätzen. Weil es keine direkten Daten dazu gibt, wie hoch der Anteil von sogenannten Corona-Skeptikern an der Gesamtbevölkerung eines Ortes ist, zogen die Wissenschaftler verschiedene Hinweiswerte für ihre Analyse heran. Bei dem Beitrag handelt es sich um ein Diskussionspapier des ZEW, es ist also nicht durch den Review-Prozess einer wissenschaftlichen Zeitschrift gegangen. Die Annahmen der Forscher klingen dennoch plausibel.

So gehen die Autoren davon aus, dass Corona-Skeptiker eher die Alternative für Deutschland (AfD) wählen, da sich diese Partei häufig kritisch zu den Maßnahmen äußert. Außerdem nehmen die Forscher an, dass die Impfskepsis hoch ist bei Corona-Skeptikern. Gebiete mit hohen Zustimmungswerten zur AfD und niedrige Raten bei der Masernimpfung von Kindern seien wahrscheinlich auch Heimat vieler Corona-Skeptiker, schlussfolgern die Autoren. Deutlichster Hinweis auf viele Corona-Skeptiker sei aber das Angebot von Busfahrten zu den Corona-Demonstrationen. Die Forscher erhoben dazu Busangebote eines Netzwerks von Reiseanbietern, die Teilnehmer aus ganz Deutschland zu den Demonstrationen fuhren. Dann verglichen sie, wie sich die Inzidenzen in diesen Gebieten nach den Demos entwickelten, gegenüber Gebieten ohne diese Busangebote.

Maskenverweigerer beeinflussen Gesundheit aller

Die statistische Berechnung habe dann gezeigt: Landkreise mit einer Busverbindung zu Querdenken-Demos entwickelten danach höhere Zahlen von Neuinfektionen mit Sars-CoV-2 als Landkreise ohne solche Busse. Bis zum 23. Dezember sei die sogenannte 7-Tages-Inzidenz in den Gebieten mit vielen Querdenkern um bis zu 35,9 Prozent höher gewesen, als in den anderen Gebieten.

Die Forscher schätzen auf Basis der von ihnen erhobenen Daten, dass allein bis Weihnachten zwischen 16.000 und 21.000 Infektionen hätten verhindert werden können, wenn die Großdemos abgesagt worden wären. Das individuelle Verhalten von Menschen, die sich weigern, Masken zu tragen oder Abstand zu halten, könne offenbar großen Einfluss auf die öffentliche Gesundheit nehmen, schlussfolgern die Wissenschaftler. "Eine mobile Minderheit, die sich nicht an geltende Hygieneregeln hält, kann so ein erhebliches Risiko für andere Personen darstellen", sagt Martin Lange, Co-Autor der Studie.

Demonstrationen nicht zwangsläufig Superspreading-Events

Um die Plausibilität ihrer Aussagen zu stützen, prüften die Forscher, ob es andere Erklärungen für ihre Beobachtung geben kann. Dazu betrachteten sie das Infektionsgeschehen vor den Demonstrationen, verglichen die Daten mit den Bushaltestellen eines großen deutschen Fernbusunternehmens und bezogen die Bevölkerungsdichte in die Berechnung ein. Diese Faktoren hätten allerdings nicht das beobachtete Ergebnis erklären können. Auch die Nähe zu Nachbarländern mit hohen Coronazahlen sei nicht erklärend für die Unterschiede zwischen verschiedenen Gebieten in Deutschland. Die Stopps der Busanbieter hingegen hätten sich als signifikant erwiesen.

Große Veranstaltungen müssten in der Pandemie allerdings nicht automatisch zu Superspreading-Events werden, schreiben die Autoren. Studien aus den USA zeigten, Demonstrationen von Black Lives Matter hätten kaum zur Verbreitung des Coronavirus beigetragen. Dort hielten sich die meisten Teilnehmer an Abstandsgebote und trugen Masken, zudem fanden die Demonstrationen vor allem im Sommer statt.

(ens)

Quelle

Lange, Monscheuer: Spreading the Disease: Protest in Times of Pandemics, ZEW Discussion-Papers

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