Psychologie "Seelenverwandtschaft" ist oft eingebildet
Hauptinhalt
24. April 2023, 10:04 Uhr
Liebe ist meistens schön – und manchmal, wenn die Sterne günstig stehen, treffen Menschen aufeinander, die einander im Innersten erkennen – denn: sie sind "seelenverwandt". Pustekuchen, sagt die Wissenschaft. Dass beispielsweise geteilte Interessen eine tiefe und grundlegende Ähnlichkeit wiederspiegeln, sei ein Irrglaube. Und zwar einer, dem wir gerne anheimfallen, weil wir stets vermuten, dass geteilte Interessen mehr sind als einfach nur geteilte Interessen.
"Unsere Anziehung zu Menschen, die unsere Interessen teilen, wird durch die Überzeugung unterstützt, dass diese gemeinsamen Attribute von etwas tief in uns angetrieben werden, einer Art 'Essenz'", argumentiert Charles Chu, Autor einer aktuellen Studie zum Thema. In der Studie wurden die Teilnehmenden mit politischen Positionen oder Gemälden konfrontiert, danach sollten sie angeben, wie sehr sie sich zu Personen hingezogen fühlten, die entweder ähnliche oder komplett gegensätzliche Meinungen abgegeben hatten. Oft gaben die Teilnehmenden an, sich besonders stark zu Menschen hingezogen zu fühlen, die eine ähnliche politische Ausrichtung oder einen ähnlichen Kunstgeschmack hatten.
Chu und sein Team fanden heraus, dass die Studienteilnehmenden meistens vermuteten, dass die (recht oberflächlichen) ähnlichen Interessen bereits tiefe Hinweise auf das Wesen des anderen geben. Die Forschenden nennen das die "Essenz". Zugrunde liegt der Glaube, dass wir Menschen – und auch andere Lebewesen – im Innersten unveränderliche Eigenschaften haben, die uns ausmachen und sich in jeder unserer Interessen äußern. Man spricht von psychologischem Essenzialismus. Weil es dieses tiefe unveränderliche Wesen aber so nicht immer derart deutlich gibt und die Interessen einer Person durchaus auch ganz zufällig ausfallen können, sehen wir unser Gegenüber oftmals dann nicht mehr so, wie es eigentlich ist – sondern interpretieren uns aus ein paar gleichen Interessen unseren Seelenverwandten zusammen, der mitunter aber nichts ist als eine trugreiche Illusion. Also: Augen auf beim Dating.
Die aktuelle Publikation Self-Essentialist Reasoning Underlies the Similarity-Attraction Effect gibt es hier zum Nachlesen.