Altruismus Selbstlose Babys - Kleinkinder sind keine Egoisten
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07. Februar 2020, 14:07 Uhr
Schon lange wird daran geforscht, ob uns Selbstlosigkeit angeboren ist. Einige Studien ziehen diese Möglichkeit in Betracht. Andere kommen zu dem Schluss, vor allem Kleinkinder seien vom Entwicklungsstand ihres Gehirns dazu gar nicht in der Lage. Eine neue US-Studie legt jetzt nahe: Sie können es doch, sogar dann, wenn das für sie selbst ein Nachteil ist.
Altruismus, anderen bedingungslos zu helfen, ist eine wichtige Charaktereigenschaft für unser soziales Miteinander. Etwas zu Essen an hungrige Menschen abzugeben, dürfte wohl zu den selbstlosesten - also altruistischsten - Taten gehören, die der Mensch kennt. Denn Essen ist eines unserer absoluten Grundbedürfnisse. Diese Selbstlosigkeit ist eine typisch menschliche Eigenschaft, erklärt Rodolfo Barragan von der University of Washington. Aber wo kommt dieses Verhalten eigentlich her? Um das herauszufinden, hat das Barragans Team ein Experiment mit rund 100 Kleinkindern im Alter von 19 Monaten gemacht:
Dabei saßen sich Forscher und Eineinhalbjährige getrennt von einem Tisch gegenüber. Der Erwachsene hatte eine leckere Erdbeere in der Hand und ließ sie dann fallen. Die Erdbeere fiel scheinbar aus Versehen vor die Füße des Kindes, außer Reichweite des Erwachsenen. Der bemühte sich einmal mit ausgestrecktem Arm, die Erdbeere zu erreichen, ein anderes Mal aber nicht. Darauf reagierten die Kinder unterschiedlich:
Als die Kleinkinder das sahen, griffen die meisten von ihnen nach den Früchten und gaben sie zurück. Das haben wir in der anderen Gruppe nicht oder zumindest nicht in gleichem Maße gesehen.
Wollte der Fremde die Frucht, hat er sie also meist bekommen, erläutert Barragan weiter. Aber lag diese Hilfsbereitschaft vielleicht einfach daran, dass die Kinder satt waren - und die Frucht selbst zu essen, gerade keine Option war? Um das zu überprüfen, führten die Forscher eine zweite Studie durch - zu einem anderen Zeitpunkt:
Die Kleinkinder hatten diesmal etwas mehr Hunger, aßen selbst mehr Obst, halfen aber trotzdem.
Trotz des eigenen Hungers haben sie die Früchte also zurückgegeben. Das sei für die Kinder ein Verzicht gewesen und das wiederum spreche dafür, dass sie tatsächlich selbstlos gehandelt hätten, so Barragan. Trotz des eigenen Nachteils - ihrem Hunger - gaben sie einem Fremden die verführerische süße Frucht, statt sie einfach selbst zu essen. Eine typisch menschliche Verhaltensweise, sagen die Forscher. Wir seien die einzige Art, die das mache - selbst Schimpansen würden niemals ihr Essen teilen:
Es ist faszinierend, dass Kinder bereits im Alter von 19 Monaten etwas tun, was Schimpansen nie tun würden, sie definitiv nicht tun. Dieses besondere Verhalten, Essen so selbstlos zu teilen, ausgesprochen menschlich ist.
Ist dieses Verhalten also angeboren? Bestimmte Verhaltensmuster, die die Forscher beobachten konnten, sprechen auch dafür, dass es sozial erlernt sei, schätzt Barragan. Denn zum Beispiel die Kinder, die Zuhause Geschwister haben, hätten dem fremden Erwachsenen besonders oft geholfen.
Die Kleinkinder bringen ihre Erfahrungen mit ein, wenn sie anderen helfen. Da ist etwas, das sie aus ihrem Heimatkontext kennen und das wenden sie an.
Das spreche dafür, dass wir das Helfen einfach schon in sehr früher Kindheit lernen - und bestimmte soziale und familiäre Erfahrungen dabei einen entscheidend sind.
Link zur Studie
Die Studie unter dem Titel "Altruistic food sharing behavior by human infants after a hunger manipulation" ist in Scientific Reports erschienen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 07. Februar 2020 | 05:50 Uhr
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