Erster Direktflug Australien-England Die Ultra-Durststrecke für den Körper
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27. März 2019, 10:25 Uhr
Was früher Tage dauerte, gibt es heute Non-Stopp: Von Australien nach Europa. Ein neuer Linienflug schafft die Strecke Perth-London in 17 Stunden. Eine Herausforderung, auch für den Körper.
Acht Stunden, die meiste Zeit sitzend, direkt vor der Nase ein Bildschirm. Dazu ein Raum mit vielen Menschen. Das klingt nach Großraumbüro. 17 Stunden, die meiste Zeit sitzend, direkt vor der Nase ein Bildschirm, viele Menschen im Raum – das klingt nach Ultralangstreckenflug. Also ungemütlich wie ein Bürotag mit doppelter Arbeitszeit und deutlich trockenerer Luft. Warum tun Menschen sich das an?
Um Zeit zu sparen. Knapp unter zwanzig Stunden haben Passagiere von London nach Perth bisher gebraucht. Inklusive Zwischenlandung. Mit dem neuen Direktflug sind es drei Stunden weniger. Hinzu kommt das schöne Gefühl, ständig in Bewegung zu sein und dem Ziel stetig näher zu kommen, anstelle die Reisezeit mit Warten am Boden zu verbringen.
Etwa ein Drittel des Erdumfangs legen Passagiere auf der neuen Strecke zwischen Perth und London am Stück zurück. Mit einer entsprechenden Belastung für den den Körper: "In erster Linie kommt es bei so langen Flügen zu Herz-Kreislauf-Problemen. Außerdem sollte man bedenken, dass sich Krankheiten in der Flugzeugkabine besonders leicht übertragen", erklärt Dr. Bernhard Ruf, Leiter des Zentrums für Reise- und Tropenmedizin am Leipziger Klinikum St. Georg.
Zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen komme es aber in der Regel nicht. "Um Kreislaufproblemen vorzubeugen, empfiehlt es sich, auf so einem langen Flug viel zu trinken, etwa zwei bis drei Liter."
Das ist natürlich ein seelischer Ausnahmezustand
Zwar kommen auf Ultralangstreckenflügen ausschließlich Großraumflugzeuge zum Einsatz. Doch, eben anders als im Büro, ist man dort gerade in der Economy-Klasse auf engstem Raum mit vielen anderen Menschen untergebracht. Nicht nur für Menschen mit Platzangst eine unangenehme Situation: "Das ist natürlich ein seelischer Ausnahmezustand. Da kann man auch nichts machen. Auf keinen Fall sollte man vorsorglich Medikamente einnehmen. Ein mildes Schlafmittel ist aber kein Problem", rät Dr. Bernhard Ruf.
Die neue Boeing 787-9 (auch Dreamliner genannt) wurde für die Non-Stop-Verbindung nach Europa extra umgebaut. Eigentlich haben in dem Modell 300 Passagiere Platz. Um mehr Beinfreiheit anbieten zu können, wurde die Kapazität auf 236 Sitze reduziert. Auch die Luft solle feuchter sein als üblich. Generell hat Boeing bei der 787 auf mehr Passagierfreundlichkeit gesetzt: Das Lichtsystem lässt sich farblich variieren und somit an verschiedene Szenarien anpassen. Solche Lichtsysteme werden auch in modernen Zügen und Straßenbahnen verbaut. Im Dreamliner kann sogar ein Nachthimmel mit Sternen simuliert werden.
Ultralangstrecke Eine international gültige Definition gibt es nicht. Gebräuchlich ist es aber, Flüge über zwölf Stunden als Ultralangstrecke zu bezeichnen.
Deutlich kürzere Flüge ab Deutschland
Bei der Deutschen Lufthansa hält sich die Euphorie um Ultralangstrecken derzeit noch in Grenzen: Der längste Lufthansalinienflug führt von Frankfurt nach Buenos Aires in Argentinien. Die 11.500 Kilometer schafft die Boeing 747-8 (Jumbojet) in etwas mehr als 13 Stunden. Zum Vergleich: Die Flugroute zwischen Perth und London ist knapp 14.500 Kilometer lang und dauert vier Stunden länger. Dass moderne Flugzeuge wie die 787 eine deutlich höhere Reichweite haben, sei aber nicht ausschlaggebend, erklärt Michael Lamberty von der Deutschen Lufthansa auf Anfrage von MDR Wissen. Es zähle das bestehende Streckennetz, schließlich muss so ein Flug da auch irgendwie dazupassen. "Auch zu berücksichtigen ist der erhöhte Personalbedarf durch die extrem lange Strecke sowie die so genannte Ausbleibezeit, bis Crew und Flugzeug wieder am Startflughafen eintreffen."
Für einen Ultralangstreckenflug ohne Zwischenlandung muss außerdem viel Treibstoff mitgenommen werden. Das Problem: Der zusätzliche Treibstoff macht das Flugzeug schwerer, weshalb noch mehr Treibstoff an Bord sein muss. Immerhin: Ein Dreamliner verbraucht nur halb so viel Kerosin wie ein Jumbojet. Ein Argument, warum es auch künftig weitere Ultralangstreckenflüge geben wird. Bereits dieses Jahr soll es mit Singapore Airlines wieder in 19 Stunden von Singapur nach New York gehen. Und auch bei Qantas wartet man auf den nächsten Meilenstein: 2022 soll es Nonstop-Flüge zwischen Sydney und London geben. Qantas-Chef Alan Joyce forderte sowohl Boeing als auch Airbus auf, ein Flugzeug zu bauen, das nonstop von Sydney nach London und New York fliegen könne. Der 22-Stunden-Flug würde sich dann aber wahrscheinlich nicht nur wie zwei, sondern wie drei Tage im Büro anfühlen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 25. März 2018 | 17:00 Uhr