Deutsches Geoforschungszentrum Potsdam: Damit das GPS stimmt: Wie Potsdamer Forscher jeden Tag die Erde neu vermessen

05. Juli 2021, 11:00 Uhr

Einmal am Tag dreht sich die Erde um sich selbst. Sie ist weder kugelrund noch dreht sie sich perfekt gleichförmig. Ihre Drehbewegung wird beeinflusst vom Jetstream, Ozeanströmungen, Erdbeben, Tsunamis. Damit GPS und Co funktionieren muss die Erdachse täglich neu vermessen werden.

Einmal am Tag dreht sich unser Planet um sich selbst. Weil er aber kein gleichmäßig fester und starrer Körper ist, dreht er sich auch nicht perfekt gleichförmig. Großräumige Windsysteme wie der Jetstream etwa, in dem die Flugzeuge fliegen, ozeanische Strömungen, in denen auf tausenden Kilometer warmes und kaltes Wasser umverteilt wird, aber auch Erdbeben, Tsunamis, sogar gewaltige Laubmengen und Eisschmelzen auf der Nordhalbkugel lenken die Drehbewegung ab. Damit schwankt die Ausrichtung der Erdachse mitunter täglich um einige Zentimeter bis Meter. Das hat Auswirkungen auf den Orbit-Satellitenverkehr, und der Funkverkehr der Systeme GPS, GLONASS, GALILEO und anderer kann dadurch gestört werden.

Akkurate GPS-Daten brauchen akkurate Erdachsen-Bestimmung

Um das zu verhindern, wird täglich die aktuelle Position der Erdachse ermittelt. Das passiert am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam. Vermessungsingenieur Benjamin Männel erklärt im Gespräch mit MDR WISSEN, wie dazu Daten ausgewertet werden: "Wir haben auf der einen Seite die Satellitenpositionen und auf der anderen unsere Stationskoordinaten. Die möchten wir in Bezug auf die Erde bestimmen." Das, was beides verbindet, ist die Erdorientierung. Und das, was wir mit GPS, also GNSS, Galileo und anderen Systemen bestimmen können, ist die Lage der Erdachse im Erdinneren, was wir als Polbewegung bezeichnen, und die Länge des Tages.

Aus Datenreihen Extremereignisse ablesen

Der Geodät weist auf eine rote Linie in Ellipsenform auf dem Bildschirm vor sich.

Eine Karte zeigt das Gebiet des Tsunami aus dem Jahr 2004.
Die Grafik zeigt die Bewegung der Indisch-Australischen Platte Bildrechte: GFZ Potsdam

Eine ausgedellte Linie zeigt die Position der Erdachse in den letzten knapp 20 Jahren. Die rot dargestellte Ellipse ist eigentlich eine Datenreihe, aus der Experten zum Beispiel ablesen können, dass sich zu diesem Zeitpunkt ein starkes Erdbeben ereignet haben muss. Die Delle auf einer Abbildung auf dem Bildschirm vor Männel könnte auf den Tsunami in Südost-Asien zurückgehen, der 2004 mehr als 230.000 Menschen in den Tod riss. Was sich so harmlos als ausgebeulte Linie darstellt, für viele Menschen aber eine furchtbare Katastrophe war, hatte, global gesehen, eine Schwankung der Erdachse zur Folge, ausgelöst durch das unterseeische Erdbeben.

Man stellt sich eine ganz starre Erde vor, die sich dreht. Die hat eine Rotationsachse wie beim Globus, die Erdachse. Die Erde ist nicht starr, wir haben Massenvariationen, und schon können Sie sich vorstellen, wie sich Ihr Globus deformiert und entsprechend auch die Erdachse, an der Ihr Globus festgemacht ist.

Ein Beispiel für diese Massenvariationen, von denen Männel spricht, kann auch das Abschmelzen der Eismassen sein. Oder im Sommer, wenn wir sehr viel Laub auf der Nordhalbkugel auf den Bäumen haben und im Winter nicht. Auch das gibt schon eine Massenveränderung, sagt der Vermessungsingenieur.

Warum der geografische Nordpol driftet

Seit dem Jahr 2000 gibt es eine Unwucht in der Erde. Der geografische Nordpol driftet daher mit einer Rate von 17 Zentimetern pro Jahr am Greenwich-Meridian entlang auf Großbritannien zu. Diese mehr oder weniger geringe Veränderung der Erdachsenposition ist das tägliche Brot von Benjamin Männel und seinen fünf Kollegen. Täglich ermittelt die Arbeitsgruppe "Geodätische Weltraumverfahren" am GFZ die Erdachsen-Position. Aber warum eigentlich? Benjamin Männel erklärt das so: "Wichtig ist die Position der Erdachse zur Bestimmung von Satellitenpositionen und zur Verknüpfung der Satellitenpositionen mit Positionen auf der Erde. Die Positionen auf der Erde, das kann unser Auto sein, das Navi im Auto, die GPS-Antenne auf dem Flugzeug oder eine Beobachtungsstation am GFZ."

Sowohl das GPS hängt an der Erdachsenposition, als auch das chinesische Beidou-System, oder das russische Glonass, und das europäische Galileo, führt Benjamin Männel aus: "Wir benutzen die Daten von 100 bis 200 solcher Stationen. Daraus berechnen wir mit einem relativ umfangreichen mathematischen Modell die Satellitenposition, die Koordinaten und die Erdorientierung."

Ist der Klimawandel auf der Erdachse sichtbar?

Wirkt sich der Klimawandel auch auf die Erdachse aus? Tatsächlich kommt, wenn sich an der Erdoberfläche die Gewichte verändern, die Gewichtsveränderung auch im Erdinneren an. Zum Beispiel, wenn der grönländische Eisschild durch den Klimawandel im Jahresmittel 278 Milliarden Tonnen Eis verliert und die Antarktis 92 Milliarden Tonnen Eis.

Und es macht eben einen Unterschied auf der Nordhalbkugel, wenn im Sommer Laub auf den Bäumen hängt und im Winter nicht: Auch das ist eine Massenveränderung. So geht es in erster Linie zwar bei Benjamins Männels Arbeitsgruppe am GFZ um unsere tägliche Kommunikation. Aber wenn man tiefer hinschaut, zeigt die Bewegung der Erdachse wie sehr sie "auf Achse ist".

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