Medizintechnik Neuer Herzschrittmacher: Löst sich auf, wenn er nicht mehr gebraucht wird

01. Juli 2021, 16:24 Uhr

Ein US-Forschungsteam hat einen Herzschrittmacher erfunden, der sich nach einer gewissen Zeit im Körper auflöst und nicht wieder entfernt werden muss. Wie funktioniert das?

Illustration - Herzschrittmacher 3 min
Bildrechte: Northwestern University/George Washington University
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Ein US-Forschungsteam hat einen Herzschrittmacher erfunden, der sich nach einer gewissen Zeit im Körper auflöst und nicht wieder entfernt werden muss. Wie geht das? MDR WISSEN Reporterin Annegret Faber hat nachgefragt.

MDR KULTUR - Das Radio Di 29.06.2021 11:33Uhr 03:00 min

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Herzoperationen sind nicht nur eine Herausforderung für die Chirurgen, auch für das Herz selbst. Oft muss es nach einer OP erst einmal lernen wieder regelmäßig zu schlagen. Deshalb bekommen viele Patienten vorübergehend einen Herzschrittmacher eingebaut, der aber schon nach wenigen Tagen, oder Wochen wieder entfernt wird. Forscher aus den USA entwickelten jetzt eine winzige Maschine, die sich nach getaner Arbeit von selbst auflöst. Sie ist nur wenige Millimeter groß, durchsichtig und erinnert an einen Schlüssel. Ihr "Bart" ist klein und der Griff rund. Dieses winzige Ding kann mehr als Türen öffnen, es kann Leben retten.

Ist das Thema temporär implantierbare Herzschrittmacher komplett neu? Nein, sagt Philipp Sommer, Direktor der Klinik für Elektrophysiologie/Rhythmologie am Herz- und Diabeteszentrum NRW: "Es gibt schon lange Bemühungen wie man das klassische Set-up verbessern kann, da gibt es verschiedene Ansatzpunkte." Also zum Beispiel kleinere Geräte, die nicht klassisch, wie aktuell über eine Batterie am Schlüsselbein per Kabel mit dem Herz verbunden werden, sondern auch kleine, sondenlose Kapselschrittmacher. Oder eben der Ansatz über ein Material, das der Körper während eines definierten Zeitraums abbaut, den eine Forschungsgruppe der George Washington University in den USA jetzt vorgestellt hat.

Herzschrittmacher der Zukunft: Selbstauflösung statt manueller Entfernung

Bei dem Modell handelt es sich um einen kleinen Chip, den man im Anschluss an einen Herz-chirurgischen Eingriff manuell auf die Außenseite des Herzens aufsetzen kann, erklärt Kardiologe Sommer und er schränkt ein: Als normaler Schrittmacher kann diese Version nicht dienen.

Nur nach einer aufwendigen Herz-OP könnte der Chip eingesetzt werden. Zum Beispiel nach einer Bypass-Operation, also wenn ein Blutgefäß zu eng geworden ist und durch sogenannte Stents wieder geweitet wird. Oder wenn die Herzklappe ausgetauscht wird. Danach muss das Herz erst wieder lernen, regelmäßig zu schlagen. Derzeit geht das nach einer großen Herz-OP so, dass die Stimulation über einen Schrittmacher über Drähte erfolgt, die von außen ins Herz eingesteckt werden. Allerdings müssen die oft schon am zweiten, dritten Tag nach der OP wieder entfernt werden, weil man merkt, dass das Herz wieder oft und regelmäßig genug schlägt und die Stimulation über den Schrittmacher nicht mehr nötig ist.

Der neue Winzling erspart dagegen dem Patienten die ganze Verkabelung und das aufwändige Entfernen. Wie eine Linse auf dem Auge, sitzt er direkt am Herzen. Dort gibt er elektrische Impulse weiter und stimuliert so den Herzschlag. Seine Energie bekommt er drahtlos von einer externen, entfernten Antenne. Dabei wird dieselbe Technologie genutzt, wie in Smartphones für elektronische Zahlungen, heißt es in der Studie.

Offene Fragen: Behindert sich die verschiedene Technik gegenseitig?

Kardiologe Philipp Sommer wendet allerdings ein, dass diese Strahlung möglicherweise im OP Bereich gestört werden kann.

Mann in Arztkittel
Prof. Dr. Phillip Sommer. Fasziniert von der Technik, sieht aber auch kritische Punkte Bildrechte: Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum

Diese Geräte kommen auf einer Intensivstation zum Einsatz. Dort gibt es viele andere Geräte, die verschiedene Übertragungswege nutzen und dabei teilweise auch auf Strahlungen setzen. Da gebe es durchaus Potential für Störquellen. Außerdem ist wohl noch nicht ganz klar, wie lange es dauert, bis der winzige Herzschrittmacher sich im menschlichen Körper auflöst. Das Prinzip ist dasselbe wie bei bei einem Faden nach einer Zahn-OP im Mund: Der winzige Herzschrittmacher löst sich auf. An Mäusen-, Ratten-, Kaninchen- und Hundeherzen wurde das bereits getestet. Drei Monate hat es da gearbeitet (siehe Video oben). Im Menschen könnte das aber anders aussehen und müsse erst in weiteren Studien genauer definiert werden.

Biologisch sind das bestimmte Zuckerarten, die abgebaut werden können. Die Metallbestandteile, die für die Stimulation notwendig sind, scheinen fadenähnliche Strukturen zu sein, die so klein sind, dass sie sich im Laufe der Wochen und Monate auflösen. Das ist eine wirklich faszinierende Technologie, wenn man sich die Größe dieses millimeter-großen Geräts vor Augen hält.

Kardiologe Philipp Sommer

Kardiologe Philipp Sommer schätzt, dass er schon in zwei Jahren in Kliniken eingesetzt werden könnte.

Die Studie wurde in nature biotechnology veröffentlicht.

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