Forschung Mit Videoüberwachung zu einer Covid-19-Therapie?

21. April 2020, 10:17 Uhr

Die Infektion durch das Corona-Virus soll mit einer Art Video-Überwachung verfolgt werden. Allerdings nicht global oder auf den Straßen einer Stadt, sondern im Kleinen, in einem Menschen. Mit einem speziellen Mikroskop sollen die Interaktionen zwischen Zellen und den Viren beobachtet werden. Das könnte dabei helfen, Therapien gegen die Krankheit Covid-19 zu entwickeln.

Mikroskopp-Aufnahme: Menschliche Zelle, infiziert mit Vaccinia-Viren.
Im Großformat: Eine menschliche Zelle, die mit Vaccinia-Viren infiziert ist und mit einem iScat-Mikroskop abgebildet wurde. Bildrechte: MPI für die Physik des Lichts

Virologen stehen Viren selten von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Meist erforschen sie die Eigenschaften über genomische Sequenzen. In Erlangen versuchen nun Forscher, das Corona-Virus mit Elektronenmikroskopen und Laser zu beobachten, wie es in menschliche Zellen eindringt, in den Zellkern wandert, die Zelle umprogrammiert, um dann Millionen von neuen Viren zu produzieren und so das menschliche Immunsystem zu bekämpfen.

Dafür wurde extra ein Hochsicherheitslabor in Erlangen eingerichtet. Nach drei Wochen technischem Aufbau wird unter einem Elektronenmikroskop eine mit Corona-Viren infizierte Flüssigkeit auf menschliche Zellen aufgetragen. Um Zellen und Viren sichtbar zu machen, wird die Versuchsanordnung von unten mit Lasern angestrahlt.

Unterm Mikroskop: Immunsystem gegen Virus

"Interessant ist es, den ganzen Lebenszyklus eines Virus zu dokumentieren. Von dem Moment, wo ein Virus auf einer Zelle landet, wie es da reingeht und den Weg zum Kern findet und wie dann weitere Viren von der Zelle erzeugt werden und wie diese Viren dann rauskommen und die anderen Zellen befallen", sagt Professor Vahid Sandoghdar, Direktor des Max-Planck Zentrums für Physik und Medizin in Erlangen.

Corona-Virus
Bunte Bälle mit Zapfen: Solche Bilder wird das Mikroskop nicht liefern. Bildrechte: imago images/Hollandse Hoogte

Es geht also nicht einfach nur darum, Bilder vom SARS-CoV-2-Virus zu machen. Es geht darum, einen Film zu drehen, wie das nanopartikelkleine Virus die Zelle kapert und seine krankmachende Arbeit beginnt.

Normalerweise werden Viren und Zellen mit floureszierenden Stoffen zum Leuchten gebracht, damit man sie sieht. Aber mit solch einer Methode können nur einzelne Bilder und kurze Filmsequenzen gemacht werden, doch keine Filme, die über Tage oder gar die Inkubationszeit von 14 Tagen notwendig werden könnten: "Also das heißt, ich kann ein Virus nicht sehr lange untersuchen. Nach einigen Minuten oder zehn Minuten sind die Farbstoffe 'tot'", erklärt Vahid Sandoghdar.

Laserstrahlen machen Virus sichtbar

Also setzt der Professor auf Laserstrahlen, die Zellen und Viren dauerhaft sichtbar machen. Diese hauchdünnen Lichtbündel treffen auf Zellen, Zellwände, Zellkerne und Viren und werden dadurch gestreut. Aber woher wissen die Forscher, wie ein Virus und wie eine Zellwand das Licht streuen? Wo ist der Unterschied?

Um das herauszufinden, braucht es jahrzehntelange Arbeit und Erfahrung, sagt der Physiker und Nano-Optik-Experte Sandoghdar. Mittlerweile können seine Kollegen und er geringste Veränderungen der Laserstrahlen deuten und interpretieren. Aber was für Bilder kann man erwarten, was werden die Rechner aus den Informationen zusammensetzen?

Bunte Bälle mit blauen kleinen Zapfen, den Eiweißstrukturen an der Oberfläche der Viren? Solche Bilder werden diese Aufnahmen definitiv nicht liefern, das scheint jetzt schon klar zu sein, obwohl die Wissenschaftler selbst gespannt sind, was sie da sehen werden.

Hoffnung auf viele neue Erkenntnisse

"Die Viren werden dann wie kleine helle oder dunkle Punkte aussehen", beschreibt es Vahid Sandoghdar. "Und wenn ein Virus auf der Zelle sitzt, ist es natürlich schwierig. Aber wenn die Viren sich vemehrt haben, dann sieht man viele Punkte nebeneinander. Das ist das, was wir erwarten."

Die Bilder werden in etwa wie MRT- oder Röntgenaufnahmen aussehen, erwartet Sandoghdar. Die ersten Ergebnisse soll es in den kommenden Tagen geben. Allerdings noch ohne wissenschaftliche Interpretationen. Denn die Auswertungen werden dauern.

Das erste, was die Bilder liefern sollen, wird sicherlich die Suche nach einer Schwachstelle im Lebenszyklus dieses Virus sein. Wenn diese Beobachtungen durch die "Video-Überwachung" brauchbar und nutzbar sind, dann werden sich daraus viele neue Erkenntnisse gewinnen lassen. Vahid Sandoghdar sagt: Daraus könnten jede Menge neue Forschungsprojekt entstehen.