Mobilität Finger weg! Test für autonomes Fahren in Deutschland startet
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09. Januar 2020, 16:09 Uhr
Ist das nicht gefährlich, wenn das Auto von selbst fährt? Vielleicht. Aber selber fahren ist gefährlicher. Damit das irgendwann alles reibungslos funktioniert, werden selbstfahrende Autos jetzt zwischen Hannover, Braunschweig, Hildesheim und Wolfsburg getestet. Autobauer denken aber schon einen Schritt weiter. Müssen sie auch.
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Es gibt so Dinge, die funktionieren am besten, wenn man die Finger davon lässt. Vielleicht haben Sie sich neulich einen Wagen zugelegt und wissen noch gar nicht, wie viel Fingerübungen Ihnen das Fahrzeug erspart: Abstandshalter, Spurhalter, Verkehrsschilderkennung, Tempomat, Einparkautomatik und die altgediente Automatikschaltung. Wenn ihr Wagen über diese "Spielereien" verfügt, können Sie sich auf der nächsten Autobahnfahrt (und im Parkhaus) zurücklehnen und ihr Wägelchen macht die Arbeit.
Aber bitte lassen Sie die Finger trotzdem am Steuer. Und schauen Sie vor allem auf die Straße und nicht in ein Comicheft am Steuer. Das trifft auch auf die Elektroautos der Marke Tesla zu. Die können im Grunde jetzt schon ganz von alleine fahren. Zumindest suggeriert das die als Autopilot beworbene Funktion der Fahrzeuge. Beim Blick auf die Tesla-Website, auf der für die Zukunft des Fahrens geworben wird, und nach deren Studium man im Auto schließlich mehr Überwachungskameras und Radarsysteme vermuten würde als auf einem Flugzeugträger, kommt die Ernüchterung in einem Satz:
Die gegenwärtigen Autopilot-Funktionen verlangen aktive Überwachung durch den Fahrer – ein autonomer Betrieb des Fahrzeugs ist damit nicht möglich.
Niedersachsens moderne Pisten
Ach ne, doch noch nicht da, die Zukunft. Aber es wird daran gearbeitet: Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR hat jetzt eine Reihe von Teststrecken eröffnet, auf denen autonomes und vernetztes Fahren unter Realbedingungen getestet werden soll – nach fertigem Ausbau auf 280 Kilometern. Hier sollen verschiedene Mess- und Informationssysteme erprobt werden, die für einen vernetzten und selbstständigen Fahrbetrieb notwendig sind.
Erfassungstechnik überwacht den Straßenraum und erkennt Verkehrsobjekte. Hochpräzise Karten bilden das Rückgrat, um den Verkehrsraum in Simulationen oder Realfahrten abbilden zu können. Kommunikationstechnik ermöglicht über WLAN oder Mobilfunk den Austausch von Fahrzeugen untereinander. Eine Testschnittstelle liefert Fahrzeugen Informationen zu Verkehrssignalen und aktuellen Informationen wie Störungen. Ein digitales Abbild des Testfeldes stellt zudem Daten über den Zustand von Wetter, Straßen und Leitplanken bereit.
Mit dem Testfeld Niedersachsen geht nicht der Wunsch nach einer ungeheuren technischen Spielerei einher, sondern die Aufgabe, den Straßenverkehr für alle besser zu machen. Auch wenn der sicherlich bestmöglich Zustand kein Autoverkehr ist, kann das Fahren mit vernetzter und autonomer Technik die Fortbewegung sicherer (Ja, wirklich! So viele Augen wie ein autonomes Auto haben Sie einfach nicht!), effizienter mit entlasteten Straßen und dadurch auch umweltfreundlicher gemacht werden.
Retortenstadt aus der Zukunft
Während man beim DLR findet, dass die Metropolregion zwischen Hannover und Braunschweig – dem Sitz des DLR – ganz gut geeignet ist, autonomes Fahren zu erproben, verkündet Toyota ganz andere Pläne: Eine Stadt der Zukunft wolle man bauen, in der Nähe des japanischen Fuji-Berges auf dem Gelände einer stillgelegten Fabrik des Autoherstellers. Nächstes Jahr ist Grundsteinlegung, wenn alles klappt. Fürs erste sollen 2.000 (Toyota nahestehende) Menschen in diese "Stadt" ziehen. Diese "Woven Ciy", also verflochtene Stadt, entspricht mit Einwohnern und Fläche so Pi mal Daumen der Inneren Altstadt in Dresden. Was Toyota da plant, klingt verheißungsvoll. Der Autokonzern scheint erkannt zu haben, dass die Straße in Zukunft nicht mehr nur den Autos, sondern allen gehört: Auch Fußgängern und Radfahrern.
Der eierlegende Wollmilchkasten
Diese Straße sollen sich die Verkehrsteilnehmer in einem intelligenten System teilen. Die Energiegewinnung erfolgt unterirdisch mit Brennstoffzellen und oberirdisch mit Solarzellen – auf den Dächern von Holzhäusern, versteht sich. Im Mittelpunkt der Stadt steht ein Transportsystem: E-Palette heißt das. Ein kastenförmiges Mehrzweckfahrzeug, das autonom fährt, vor zwei Jahren das erste Mal vorgestellt wurde und dieses Jahr bei den Olympischen und Paralympischen Spielen zum Einsatz kommen soll.
Auch die südkoreanischen Autobauer von Hyundai liefern nach, und haben – wie Toyota auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas – ihr autonomes Mobilitätskonzept S-Link vorgestellt. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes PBV-System, sagt Hyundai. Das steht für Purpose Based Vehicle, also ein Gefährt je nach Zweck. Dieser Kastenwagen sieht noch etwas kastiger aus als Toyotas Exemplar und soll von den historischen Kabelstraßenbahnen in San Francisco inspiriert worden sein. Das Innere kann modular personalisiert werden. Das heißt, das Shuttle kann nicht nur als Fahrzeug, sondern auch im Gewand eines Kaffeehauses oder einer Apotheke daherkommen. Gleiches verspricht im Übrigen Toyota mit dem e-Palette-System: Lieferwagen, Bus, Hotel oder Supermarkt – alles ist möglich.
Diese visionären Anstrengungen sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Konzerne immer noch in erster Linie ihr Geld damit verdienen, dass gern viele Menschen mit ihren vier Buchstaben auf den eigenen vier Rädern Platz nehmen und dabei sehr viel öffentlichen Raum in Anspruch nehmen. Es zeigt aber, dass die Zukunft der Mobilität nicht damit aufhört, zu überlegen, wie der Privatwagen am besten von alleine fährt. Sondern wir auf eine Post-PKW-Ära zusteuern. Und bis dahin drücken wir halt auf Autopilot.
flo
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 08. Oktober 2019 | 15:20 Uhr
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