Klimawandel Mehr Misteln in Mitteldeutschland – Bedrohung für die Bäume?
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17. November 2023, 11:19 Uhr
Die deutschen Sommer sind wärmer geworden – und in den vergangenen Jahren auch trockener. Das setzt vielen Bäumen zu. Fichten etwa werden anfällig für den Borkenkäfer. Und einige Laubbaumarten werden häufiger von Misteln befallen. Eine Bedrohung für heimische Wälder? Wir Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was sind eigentlich Misteln?
In diesen Wochen sind sie noch gut zu sehen, wenn man einen Weg entlang an einem kleinen Fluss einschlägt, in Parks unterwegs ist oder eine Streuobstwiese durchwandert: In etlichen Baumkronen finden sich Misteln. An sich nichts ungewöhnliches. Die Sandelholzgewächse sind in Europa lange bekannt. "Es ist eine wärmeliebende Art", erklärt Horst Sproßmann vom landeseigenen Thüringenforst. Daher sei sie auch in Norddeutschland derzeit weniger verbreitet, sondern eher im Süden und in der Mitte der Republik, etwa in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die Samen kleben an Ästen fest, die Wurzeln dringen in die Rinde des betroffenen Baums ein. "Bei Harthölzern eher schlecht, deswegen sind Eichen sehr selten befallen." Auch Buchen sind mit ihrer glatten Rinde eher selten betroffen. Besser klappt es bei Linden oder Pappeln. Bäume, die von Misteln bevölkert sind, müssen auf einen Teil ihrer Nährstoffe verzichten. "Die werden aus dem Boden angesaugt und kommen dann nicht bis in die eigenen Blätter des Baums, sondern gehen in die Mistel", erklärt Gerhard Struck, Leiter des Forstamts in Finsterbergen.
Wie verbreiten sie sich?
Auf zwei unterschiedlichen Wegen. "Zum einen kann der Samen abfallen und sich im gleichen Baum festsetzen und neue Misteln ausbilden", sagt Forstamtsleiter Struck. Der zweite Verbreitungsweg hängt von Vögeln ab. "Es gibt die Mistel-Drossel. Das ist ein Vogel, der auf Misteln spezialisiert ist. Die nimmt die Samen auf, knabbert daran herum, verdaut sie und über den Vogelkot kann er an den nächsten Baum kommen. Zum Teil auch über den Schnabel. Wenn die Samen am Schnabel schon kleben bleiben und die Vögel den Samen in die Rindenschuppen eines anderen Baumes legen."
Wird die Verbreitung durch den Klimawandel stärker?
Die Thüringenforst-Mitarbeiter vermuten, dass das so ist. "Die Erklärung zum Phänomen ist naheliegend. Es ist so, dass durch den Klimawandel bestimmte Bäume in Stress geraten durch eine Unterversorgung mit Wasser. Sie büßen an Vitalität ein." Und das macht sie dann anfälliger für Schädlinge oder Parasiten. Ein Beispiel sei der Borkenkäfer an der Fichte. Und geschwächte Bäume würden eben auch leichter von Misteln befallen – in Thüringen betreffe das vor allem Laubbäume mit weicher Rinde, wo die Samen besonders gut Halt finden. Thüringenforst beobachtet vor allem in Nord- und Ostthüringen ein verstärktes Auftreten.
Ist der stärkere Befall gefährlich für heimische Wälder?
Aktuell nicht. Ohnehin seien es bisher eher noch Beobachtungen, systematische Erhebungen gebe es noch nicht. "Die Mistel ist Teil des Ökosystems", sagt Sproßmann. Sie trete ohnehin nicht flächendeckend auf, sondern stets punktuell. Für Bäume sei der Befall nur vereinzelt bedrohlich. Bäume könnten dann bei einem sehr starken Befall absterben. Aber in den meisten Fällen sei die Mistel kein Problem, selbst wenn sich ihr Auftreten häuft. "Wir beobachten die Entwicklung aber", so Sproßmann. Auch andere Forstverwaltungen in anderen deutschen Ländern machten das, teilweise systematisch.
(Florian Girwert)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | 26. März 2023 | 18:40 Uhr