Hirnforschung Wir können uns doch an unsere Baby-Erlebnisse erinnern
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10. April 2020, 10:05 Uhr
Erlebnisse aus der eigenen frühen Kindheit seien dem Vergessen preisgegeben - das dachten die Forscher bislang. Dass wir uns doch manchmal an Konkretes aus dieser Zeit "erinnern" können, wurde auf Erzählungen von anderen oder das Betrachten von Fotos zurückgeführt. Eine neue Studie aus Leipzig und Berlin zeigt nun, dass wir schon als Baby viele Details speichern können - im Schlaf!
Während wir schlafen, arbeitet unser Gehirn auf Hochtouren: es spielt zuvor Erlebtes durch, festigt neu Gelerntes und fasst ähnliche Erfahrungen zu allgemeinerem Wissen zusammen. Es "räumt auf" und ordnet zu. Bislang war man davon ausgegangen, dass das bei Babys vor allem im semantischen Gedächtnis stattfindet, also im allgemeineren Wissen. Dazu gehören Fakten, wie die Bedeutung von Wörtern, später auch Farben und Mengen.
Babys festigen konkrete Erlebnisse und Erfahrungen im Schlaf
Dass bereits die Kleinsten nicht nur dieses Allgemeinwissen im Schlaf festigen, sondern auch ihr sogenanntes episodisches Gedächtnis aufbauen, konnten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) Leipzig und der Humboldt-Universität (HU) Berlin gemeinsam mit Kollegen aus Lübeck und Tübingen erstmals in einer Studie zeigen.
Lernen - Schlafen - Erinnern
Dazu beobachteten die Forscher 14 bis 17 Monate alte Babys in drei Phasen und zeichneten dabei deren Hirnaktivität mit einem EEG (Elektroenzephalogramm) auf:
Phase 1: Lernen! Die Babys bekamen Bilder von Dingen wie Autos, Bällen oder Hunden zu sehen, die sie bereits kannten. Dazu hörten sie jeweils die passende Bezeichnung.
Phase 2: Schlafen! Eine Gruppe der Babys ging für 2 Stunden schlafen, die andere blieb wach.
Phase 3: Erinnern! Die Forscher zeigten den kleinen Teilnehmern noch einmal verschiedene Bilder, sowohl solche, die sie schon in der Lernphase gesehen hatten, als auch neue Autos, Bälle und Hunde. Jedes Objekt wurde einmal richtig und einmal falsch benannt.
Präsentierten die Forscher den Kleinen einen Ball, den sie in der vorangegangenen Lernphase noch nicht gesehen hatten, und bezeichneten ihn als Auto, unterschieden sich die Hirnreaktionen auf dem EEG nicht. Bei beiden Gruppen erschien die sogenannte N400-Komponente, die auftritt, wenn das Gehirn unpassende Bedeutungen verarbeitet. Die Kinder wussten also gleichermaßen, dass ein Ball kein Auto ist - ganz gleich, ob sie geschlafen hatten oder nicht.
Schläfer erinnern sich besser an konkrete Erlebnisse
Bei den ausgeschlafenen Kindern beobachteten die Forscher zwei Besonderheiten auf dem EEG: Sie zeigten eine spezielle Hirnreaktion, wenn ein Ball aus der Lernphase auch wieder als Ball bezeichnet wurde. Diese Reaktion trat jedoch nicht auf, wenn ein neuer Ball als Ball bezeichnet wurde. Daraus schlussfolgerten die Forscher: Nach dem Schlaf erkannten die Kleinen diese Zuordnung als individuelle Episode wieder, also als das, was sie persönlich erlebt hatten. Bild und Wort waren demnach zu einem einheitlichen Ereignis im Gedächtnis verschmolzen, und nicht mehr nur Worte, die einem bestimmten Objekt zugeordnet wurden.
Der Schlaf ermöglicht dem frühkindlichen Gehirn, individuelle Erlebnisse im Detail zu bewahren.
Damit widerspricht die Studie der These von der sogenannten frühkindlichen Amnesie - dem Phänomen, sich an die eigenen frühkindlichen Erlebnisse nicht mehr erinnern zu können. Bislang wurde vermutet, Kleinkinder seien noch nicht in der Lage, längerfristiges episodisches Wissen zu bilden. Manuela Friedrich und ihre Kollegen haben gezeigt, dass schon die Kleinsten Erlebtes im Detail abspeichern können und das Schlaf dazu maßgeblich beiträgt. Die Studie wurde im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht.
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