Rassismusproblem bei der Polizei? Warum eine Polizei-Studie so schwierig umzusetzen ist
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29. September 2020, 11:21 Uhr
Hat die deutsche Polizei ein Rassismus-Problem? Um das herauszufinden, wird die Forderung nach einer Studie immer lauter. Es soll wissenschaftlich erhoben werden, wie rassistisch die Polizei tatsächlich ist. Dabei gibt es mehrere Hürden zu bewältigen.
Die Polizeistudie hat ein Problem. Egal ob dafür oder dagegen: Alle reden darüber. Die einen wissen jetzt schon: Natürlich hat die Polizei ein Rassismusproblem. Die anderen sagen: Unsinn. Schlechte Voraussetzungen für eine Studie, sagt Andreas Beelmann, Direktor des Zentrums für Rechtsextremismusforschung (Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration) der Uni Jena.
Aus meiner Sicht stellen sich zwei Probleme, die jetzt durch die besondere Situation, dass eben so viel darüber diskutiert wird und es auch klare Interessensgruppen gibt, die ein bestimmtes Ergebnis gerne hätten, erschwert werden.
Erstes Problem: Soziale Erwünschtheit
Die erste Hürde liegt bei den zu befragenden Personen. Fragen Sie einen Polizisten, ob er rassistische Einstellungen hat. Was wird er Ihnen antworten? Falls er diese hat, wird er wahrscheinlich nicht aus dem Nähkästchen plaudern. Er weiß schließlich, welche Einstellung erwünscht wäre. "Soziale Erwünschtheit" heißt es denn auch in der Soziologie. Ein altbekanntes Phänomen, das hier aber besonders zu Tragen kommt.
Da es so viele Interessen gibt und das Ergebnis vermutlich von großer Bedeutung für die Polizei, aber auch für die Ministerien ist, kann man erwarten, dass diese Effekte besonders groß sind.
Zweites Problem: Wer macht überhaupt mit?
Wissenschaftliche Studien sind zwar in der Regel anonym, aber auch freiwillig. Polizisten zu verpflichten, wäre auch nicht zielführend, so der Jenaer Psychologe. "Nicht jeder möchte daran teilnehmen und das ist ja bei dieser Fragestellung auch zu erwarten, dass es bestimmte Gruppen gibt, die an einer solchen Untersuchung eben nicht teilnehmen."
Das ist aber ein Problem. Die Studie soll ja repräsentativ sein. Repräsentativ heißt aber: Die Gruppe der befragten Polizisten soll die gesamte Polizei repräsentieren können.
Ich will nicht sagen, dass diese beiden Aspekte diese Studie verunmöglichen, aber sie machen sie doch sehr viel schwieriger.
Es ist also möglich, aber schwierig: Daran sieht man schon, dass die Erforschung von persönlichen Einstellungen und Haltungen mit das Schwierigste ist, was Sozialforschung zu bieten hat. Es ist aber möglich: Für eine solche Studie muss nur erstmal Vertrauen her. Vertrauen nämlich der Befragten in die Wissenschaftler, dass die nicht mit einer vorgefertigten Meinung kommen, sondern neutral fragen. Das bedarf Vorarbeit, so Beelmann.
Vertrauen muss aufgebaut werden
Doch wie baut man das Vertrauen zu den Polizistinnen und Polizisten auf? Beelmann erklärt, dass man vorab mit den Personen reden muss, die man befragen will: "Welche Zugänge sind möglich? Welche Ängste bestehen bei solchen Untersuchungen?" Diese Punkte müssen vorab geklärt werden, um das notwendige Vertrauen aufzubauen.
Das heißt nicht, dass man die Ergebnisse im Sinne der Befragten konstruiert, aber das wäre eine wichtige Voraussetzung, um überhaupt die Chance zu haben, dass man zuverlässige Daten bekommt.
Und diese zuverlässigen Daten muss man dann generieren. Die Sozialwissenschaften haben dafür ein Potpourri an Instrumenten und Methoden entwickelt. Und die sind jetzt nötig! Eine einfache Fragebogenstudie wäre derzeit nicht zielführend, also ein Papier mit immer gleichen Fragen. Auch wenn es das allein nicht bringt, es sollte dennoch einfließen, sagt Soziologe Alexander Yendell vom Leipziger Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung, aber eben neben vielen anderen Methoden.
Wie soll die Studie aufgebaut werden?
Eine qualitative Studie wäre bei dem Thema Rassismus innerhalb der deutschen Polizei am hilfreichsten, erläutert Yendell. Die könnte durch Einzelbefragungen und Einzelinterviews mit Polizeibeamtinnen und -beamten durchführt werden.
Dass man Gruppeninterviews durchführt, das haben wir zum Beispiel auch schon mal gemacht in Leipzig mit Polizeibeamten. Und dass man Experteninterviews führt, dass man auch Betroffene befragt. Bei der standardisierten Befragung, also bei einer Umfrage kann man zum Beispiel auch fragen: Haben Sie Kollegen in Ihrem Umfeld, die sich zum Beispiel rassistisch geäußert oder verhalten haben. Darüber bekommt man dann natürlich auch etwas heraus.
So wirft man aus jedem erdenklichen Winkel einen Blick auf das Problem. Je mehr Perspektiven, desto genauer das Bild. Ist die Polizei also besonders rassistisch? Diese Frage kann man beantworten. Man könnte aber noch weitergehen, skizziert Soziologe Yendell: "Vielleicht sollte man so eine Art aktivierende Sozialforschung betreiben. Man geht davon aus, dass man ein Problem mit Rassismus bei der Polizei hat. Das ist ja nicht nur bei der Polizei, das ist ja überall so."
Dadurch würde man die Polizei nicht generell verurteilen. Rassismus ist ein gesellschaftliches Problem, das über die Schwelle der Polizeistationen hinaus geht.
Es wäre komisch, wenn es da nicht so wäre. Und dann würde man mit den Polizeibeamten erheben, wie problematisch denn Rassismus ist, welche Formen es gibt und dann würde man mit denen zusammen Lösungsvorschläge erarbeiten.
Eine Studie alleine würde nicht ausreichen
Für welche Herangehensweise man sich auch immer entscheidet. Eine Studie wird nicht reichen. Man braucht unterschiedliche Meinungen und Tests für ein wasserdichtes Ergebnis, sagt Alexander Yendell.
Natürlich ist es immer vorteilhaft, wenn es mehrere Studien gibt. Das würde ich hier auch vorschlagen. Studien widersprechen sich auch manchmal. Es ist dann auch wichtig, dass die Studien von anderen Wissenschaftlern, die nicht direkt involviert sind, kritisiert und verbessert werden. Und ein kontinuierliches Monitoring, dass man das alle Jahre macht, ist sicherlich eine sinnvolle Maßnahme.
Und dann wäre noch diese Frage...
Bei all diesen Ideen zeichnet sich ein Problem ab: Die Polizeistudie würde ganz schön aufwändig und definitiv nicht billig. Ob sinnhaft, darüber diskutiert gerade die Politik. Sollte sie sich einigen und es tatsächlich eine Studie geben, steht dann immer noch eine bedeutsame Frage im Raum: Wird die Polizei-Studie gut? Andreas Beelmann ist skeptisch:
Ich sehe das im Moment ehrlich gesagt auch nicht, dass da eine vernünftige Untersuchung dabei rauskommt. Die Situation ist nicht danach. Ich hatte ja eingangs gesagt: Ich halte das nicht für unmöglich, das jetzt zu machen, aber es wird ein ganz schwieriges Unterfangen, wenn man es wirklich gut machen will und wenn man es nicht gut macht, dann können Sie sich ja vorstellen, was im Anschluss an solche Ergebnisse für eine Diskussion losbrennt.
(kd)
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