Moderne Forensik Mit DNA, CT und 3D-Druck Verbrechen aufklären
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15. Oktober 2024, 14:47 Uhr
Fingerabdrücke, Fasern, Blutspuren: Von der Arbeit in der Forensik haben uns Fernsehserien wie CSI oder Medical Detectives ein umfassendes Bild vermittelt. Aber stimmt das überhaupt so? Und wie hat sich die forensische Ermittlungsarbeit dank neuer High-Tech-Methoden weiterentwickelt? Ein Blick über die Schulter der Forensikerinnen und Forensiker lässt staunen.
Es ist der 11. Mai 2016 in Dessau. Eine junge Frau geht joggen, aber von dieser Runde wird sie nie zurückkehren. Der Fall der 25-jährigen Studentin Yangjie Li war einer der bewegendsten der vergangenen Jahre. Zwei Tage nach ihrem Verschwinden wurde eine Frauenleiche in einem Gebüsch gefunden: Der Körper war übersät mit Verletzungen, es war offensichtlich kein natürlicher Tod, sagt Rechtsmedizinerin Dr. Carolin Richter. Sie hat an diesem Tag Dienst und fährt direkt zum Fundort.
Das war ein Ausmaß an Gewalt, was man glücklicherweise nicht regelmäßig sieht. Bei Frau Li war sofort erkennbar, dass massiv auf den Kopf eingewirkt worden war, die Gesichts- und Kopfhaut waren in Gänze geschwollen. Auffällig war, dass der Leichnam nicht bekleidet war. Also man hat den Leichnam gesehen und hat gewusst: Alles klar, das ist mit Sicherheit kein natürlicher Tod gewesen.
Die Rechtsmedizinerin untersucht den Leichnam intensiv, sieben Stunden dauert die Obduktion. Dabei werden zahlreiche Spuren entdeckt und gesichert. "Bei dem Fall der Frau Li war es ja so, dass wir ein sehr ausgeprägtes Verletzungsmuster hatten, mit zahlreichen Verletzungen an allen Körperregionen, am Kopf, am Hals, am Rumpf", bilanziert Richter. Und sie stellt die Todesursache fest: Die junge Frau starb an einer Lungenfettembolie als Folge massiver stumpfer Gewalteinwirkungen gegen den gesamten Körper.
Können diese Spuren die Ermittler zum Täter führen? In der Rechtsmedizin wurden in den vergangenen 30 Jahren zahlreiche neue Methoden entwickelt, um auch die kleinsten Hinweise zu finden. Mit deren Hilfe kann es den Detektiven am Seziertisch gelingen, das Rätsel der Toten zu entschlüsseln. Denn einen Mord ganz ohne Spuren, gibt es eigentlich nicht.
Die Erbgut-Analyse
Ist die Frauenleiche im Gebüsch tatsächlich die vermisste Studentin? Die Vermutung liegt nahe. Aber für einen eindeutigen Beleg bedienen sich die Forensiker einer heute bereits bewährten Methode: Ihre Identität wird mithilfe der DNA-Analyse bestätigt.
Das Erbgut eines Menschen ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Lediglich eineiige Zwillinge lassen sich nicht unterscheiden. Die DNA-Analyse und der DNA-Abgleich sind deshalb mit die stärksten Beweismittel vor Gericht. Schon seit ungefähr 20 Jahren wird die Analyse zur Identifizierung von Opfern und Tätern genutzt. In dieser Zeit ist die Erbgut-Überprüfung stetig weiterentwickelt und verfeinert worden, sagt Rechtsmediziner Prof. Rüdiger Lessig. Heute reichen schon winzigste Spuren für ein Ergebnis.
Und wir Menschen hinterlassen unsere DNA überall – wo wir auch gehen und stehen – wenn wir etwas anfassen zum Beispiel, oder einfach, weil wir ständig Hautschuppen verlieren, die dann auf den Boden fallen. Egal wo wir sind, wir hinterlassen immer in winzigen Mengen unsere DNA an diesem Ort.
Die Computertomographie
Bei der Untersuchung der jungen Studentin aus Dessau hat sich Rechtsmedizinerin Richter auch hochmoderner technologischer Methoden bedient. Da kam zunächst nämlich etwas zum Einsatz, was man eher von lebendigen Krankenhauspatienten kennt: die Computertomographie – kurz CT.
Die Untersuchung einer Leiche mit einem CT ist in der Rechtsmedizin noch relativ neu. Sie ermögliche es, auch sehr kleine Knochenverletzungen zu erkennen und darzustellen, erklärt Richter. Das ginge zwar auch mit diffiziler Präparation, "aber die Darstellung ist dann eben sehr zeitaufwändig".
Und wenn man sich das genauer ansieht, so die Rechtsmedizinerin, dann zeigt sich in diesem Fall, dass etwa ein einzelner Lendenwirbelkörper "im Vergleich zu dem darunter liegenden deutlich höhengemindert ist". Carolin Richter weiß nun anhand des CT-Bildes ganz genau, an welcher Stelle sie sich die Wirbelsäule genauer anschauen muss. Sie kann also bei der Obduktion selbst viel fokussierter vorgehen und kleine Details oder versteckte Verletzungen leichter finden und dokumentieren.
Der 3D-Druck
Die Daten aus dem CT helfen der Rechtsmedizinerin aber nicht nur bei der Obduktion. Kombiniert mit einer weiteren Technologie bieten sie den Forensikern ganz neue Möglichkeiten. Denn mithilfe der CT-Daten lassen sich auch 3D-Drucke herstellen, erklärt Rechtsmedizinerin Richter.
Das ist ein Fall gewesen mit stumpfer Gewalteinwirkung auf den Schädel. Das ist also nicht ein Druck-Artefakt, das sind Knochensplitter, (...) die sind von außen durch die Gewalteinwirkung nach innen verlagert worden.
Solche im 3D-Drucker erschaffenen identischen Kopien der Körperteile können unter anderem dazu genutzt werden, die Tatwaffe zu bestimmen.
Passt die Verletzung zum möglichen Tatwerkzeug oder nicht? Das kann man nun ganz haptisch einfach ausprobieren. Richter demonstriert das an einem Beispiel: Sie hält den Kopf eines Hammers an eine Schädeldecke aus dem 3D-Drucker, in der eine große Kerbe ist. "In diesem Fall war es eben explizit dieses. Da kann man hier ganz wunderbar passgenau einpassen", sagt die Rechtsmedizinerin. Dann bekomme man die Bestätigung: "Ein Werkzeug mit dieser Form, ein Hammer dieser Art würde passen, diese Verletzungen hervorzurufen." Doch der 3D-Druck hat noch einen Vorteil: Eine solche Kopie eines verletzten Körperteils lässt sich natürlich viel besser aufbewahren.
Manchmal dauern ja auch Ermittlungen. Irgendwann möchten die Angehörigen ja trotzdem ihren Verstorbenen bestatten. Das heißt, wenn ich kein Tatwerkzeug habe, müssten wir den Leichnam so lange hierbehalten, oder er könnte so lange nicht bestattet werden, bis das Tatwerkzeug gefunden ist. Das können Sie meines Erachtens Angehörigen nicht antun, das Original aufzuheben, ist aus meiner Sicht ethisch nicht vertretbar.
Ermittlungserfolg im Mordfall Li
Im Mordfall der Dessauer Studentin sollten die Erkenntnisse der Rechtsmedizin erheblich zur Aufklärung des Falls beitragen. Dr. Richter sicherte nämlich auch DNA-Spuren der Täter auf dem Leichnam: Speichel, Sperma, Haare, kleinste Hautschuppen. Die Tat war ein Sexualverbrechen. Deshalb brachte die DNA-Analyse hier eine überraschende Wendung: Es waren offenbar zwei Personen beteiligt.
Da waren hauptsächlich natürlich männliche Fremdspuren. Und unter anderem haben wir dann an der Hand bei ihr ein Haar gefunden, was wir nicht ihr zuordnen konnten. Das war weibliche DNA, die wir gefunden haben. Das hieß, es muss eine weibliche Person an dem Tatgeschehen beteiligt gewesen sein.
Die Polizei in Dessau hatte inzwischen die Bevölkerung zu freiwilligen DNA-Proben aufgerufen. Das erhöhte anscheinend den Druck auf die Täterin und den Täter. Sebastian F. und seine Freundin Xenia I. meldeten sich und behaupteten, einvernehmlichen Sex mit Yangjie Li gehabt zu haben. Doch diese Geschichte hielt den Erkenntnissen der Forensiker nicht stand: Die Polizei fand im Wohnhaus der beiden Hauptverdächtigen Blutspuren. Die rechtsmedizinischen Untersuchungen zeigten: Es stammt von der toten Studentin. Das Puzzle fügte sich immer weiter zusammen. Schließlich vervollständigten es Bilder aus einer Überwachungskamera.
Der Fall kam vor Gericht: Haupttäter Sebastian F. wurde schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt, Mittäterin Xenia I. zu fünfeinhalb Jahren. Im Prozess waren die Erkenntnisse aus der Forensik wichtige Beweismittel, die die Täterin und den Täter eindeutig überführt haben.
(kk/pb)
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