Pflanzenforschung Die innere Uhr der Pflanzen tickt ohne Kalender

12. November 2020, 15:30 Uhr

2020 ist ein wunderbares Rosenjahr. Überall sieht man gerade die prachtvollen Blüten. Nur: Woher weiß eine Blume ganz ohne Kalender, wann sie blühen soll? Dazu gibt es neue Ergebnisse aus der Wissenschaft.

Blühende Rosen 3 min
Bildrechte: Gerald Perschke

Es ist nicht wirklich ein Kalender, den die Pflanzen da zur Verfügung haben, es ist eher eine innere Uhr. "Zirkadiane Uhr" wird sie daher in der Fachwelt genannt. Sie liefert der Pflanze lebensnotwendige Informationen, erklärt der Pflanzenforscher der Uni Halle, Usman Anwer:

Die zirkadiane Uhr erfasst jeden Tag das Sonnenlicht, also merkt sie sich: Die Tage werden zum Beispiel immer länger. Die Pflanze blüht aber erst, wenn das Tageslicht eine Länge von 14 Stunden erreicht. Wenn das zusammen mit einer gewissen Temperatur erreicht ist, erkennt die Pflanze: Okay, jetzt ist Sommer. Jetzt ist der beste Moment zum Blühen, denn jetzt habe ich die besten Chancen, um mich zu vermehren.

Usman Anwer

Schöne Blüten? Nur ein Nebeneffekt

Denn zur Erinnerung, die Blüten dienen nicht dazu, dass wir uns an ihnen erfreuen. Sie haben ein ganz klares Ziel, sie wollen sich fortpflanzen. Aus ihnen müssen Samen entstehen, die den Bestand sichern. Darum steckt die Pflanze unglaubliche Mühen und Ressourcen in ihre Blüten.

Deswegen ist es so wichtig, dass die Pflanze diese Energie und die Ressourcen nur im besten Moment nutzt. Wenn die Pflanze weiß, jetzt ist die Chance zu überleben und Samen fertig auszubilden hoch oder am höchsten.

Steuerung per innerer Uhr

Wann dieser Moment gekommen ist, variiert je nach Art und Sorte: Frühblüher brauchen kurze Tage und kalte Temperaturen, andere Pflanzen mögen es heiß und trocken und brauchen viel Sonne. Die zirkadiane Uhr liefert der Pflanze dabei nicht nur den aktuellen Lagebericht, sondern auch die Vorhersage. Sie weiß zum Beispiel ganz genau: In einer Stunde geht die Sonne auf. Dann setzt sie Prozesse in Gang:

Usman Anwer
Pflanzenforscher Usman Anwer Bildrechte: privat

Die Pflanze macht ihr eigenes Essen aus Sonnenlicht durch Photosynthese. Dazu braucht sie Licht. Die zirkadiane Uhr sorgt dafür, dass alle Mechanismen, die zur Photosynthese gehören, bereit stehen, wenn die Sonne aufgeht. So kann die Photosynthese maximal ausgeschöpft werden.

Genschalter an - es blüht!

Gesteuert wird dieses Wunderwerk von zwei Genen. Die haben sich die Hallenser Pflanzenforscher jetzt genauer angeguckt, mit verblüffenden Erkenntnissen:

Man kann zum Beispiel ein Gen abschalten, wenn man möchte, dass die Pflanze früher blüht. Wenn man möchte, dass die Pflanze später blüht, dann stellt man das andere Gen ab.

Schaltet man beide ab, funktioniert die zirkadiane Uhr nicht mehr und die Pflanze bildet zum Teil gar keine Blüten mehr. Interessant ist die Forschung für die Pflanzenzucht. Die Idee: Pflanzen, die ganz woanders, zum Beispiel am Äquator blühen, könnten dann auch hier blühen.

Blaues Windröschen
Bei den blauen Windröschen lässt sich besonders schön beobachten, wie die innere Uhr tickt. Bildrechte: imago images/blickwinkel

Hier lesen Sie die Studie im Original.

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