US-Studie Schlechter Schutz: Forscher wollen Grippeimpfung verbessern
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23. November 2020, 11:39 Uhr
Die Schutzwirkung von Grippeimpfungen gilt als schlecht. Bei jüngeren Menschen sind zwar bis zu 80 Prozent geschützt, was immer noch schlecht ist im Vergleich zu anderen Impfungen, bei älteren Menschen aber im Schnitt nur jeder zweite. US-Forscher haben eine Idee, wie man das ändern könnte. Nicht nur die Spezialisten, die B-Gedächtniszellen des Immunsystems, sondern auch die 'Vorarbeiter', die noch nicht programmierten, naiven B-Zellen könnten demnach Basis für einen besseren Impfstoff sein.
Der Herbst nähert sich und mit ihm die alljährliche Grippewelle. Schon jetzt raten Mediziner, sich freiwillig gegen Grippe impfen zu lassen. Doch die Schutzwirkung der Grippeimpfungen gilt als schlecht, die Grippeviren als extrem wandelbar. US-Forscher haben jetzt herausgefunden: Nicht die Konzentration auf die Gedächtniszellen des Immunsystems kann eine optimale Schutzwirkung erzielen. Im Gegenteil. Konzentrieren sich Mediziner auf die "unbeschriebenen Blätter" – die naiven B-Zellen – des Immunsystems, steigt die Wahrscheinlichkeit auf eine starke Immunantwort, auch wenn die Viren stark mutiert sind.
Wirkung der Grippeimpfung "bekanntlich schlecht"
"Die jährliche Grippeimpfung ist ein wichtiger Teil der Bemühungen des öffentlichen Gesundheitswesens, die Grippe einzudämmen, aber die Wirksamkeit des Impfstoffs ist schlecht und liegt in einem typischen Jahr zwischen 40 und 60 Prozent", schreibt der leitende Autor Ali Ellebedy, Assistenzprofessor für Pathologie und Immunologie an der Washington University in St. Louis. Jedes Jahr werde etwa die Hälfte der erwachsenen US-Bevölkerung gegen Grippe geimpft. "Für die öffentliche Gesundheit ist das notwendig, aber auch unglaublich teuer und ineffizient."
Wir brauchen eine einmalige Grippeimpfung, aber so weit sind wir noch nicht. Um erst einmal einen besseren Impfstoff herzustellen, müssen wir die Immunantwort auf Grippeviren und Impfung genau verstehen.
Forscher analysierten Immunsystem
Die Wissenschaftler sahen sich für ihre Studie also die Immunantwort im menschlichen Körper genau an. Eine Schlüsselrolle im Immunsystem spielen die B-Gedächtniszellen. Sie sind mitverantwortlich für das Immunologische Gedächtnis des Körpers. Wurden sie einmal durch Krankheitserreger aktiviert, können sie bei erneutem Kontakt mit dem gleichen Erreger innerhalb weniger Stunden eine Immunreaktion auslösen.
Teilimmunität kann Wirkung der Impfung beeinträchtigen
Diese beschleunigte Immunantwort kann den Wissenschaftlern zufolge helfen, Grippeerreger mit dem gleichen Virusstamm schnell zu erkennen und zu bekämpfen. Sie nutze allerdings wenig, wenn sich die Grippeviren der neuen Saison stark gewandelt haben. Ist die Grippeimpfung also vor allem auf die Leistung der B-Gedächtniszellen abgestellt, kann damit keine Immunantwort auf gewandelte Grippe-Typen erfolgen. Die B-Gedächtniszellen lieferten eine für die breitenwirksame Impfung viel zu spezielle Immunantwort.
Lösung in den Lymphknoten
Für eine Lösung dieser Problematik müsste man in der Betrachtung der Immunantwort einen Schritt zurückgehen, plädierten die Forscher. "Der Schlüssel zu einer lang anhaltenden Immunität liegt in den Lymphknoten, winzigen Organen des Immunsystems, die im ganzen Körper verteilt sind", schreiben die Forscher. "Wenn eine Person das erste Mal einem Virus ausgesetzt ist, fangen die Immunzellen das Virus ein und bringen es zum nächsten Lymphknoten." Dort werde "der Feind" den naiven B-Zellen präsentiert. Diese würden mit der Information über das Virus beginnen, entsprechende Antikörper zu produzieren. "Bei der Bekämpfung der Infektion sterben die meisten beteiligten Immunzellen ab. Einige wenige zirkulieren dann weiterhin als langlebige Gedächtnis-B-Zellen im Blut", erklären die Forscher.
Bei Zweitinfektion: Gedächtniszellen greifen nicht mehr auf naive Zellen zurück
Infiziert sich eine Person ein zweites Mal mit dem Virus, reaktivieren sich diese Gedächtnis-B-Zellen schnell wieder und beginnen wieder mit der Produktion von Antikörpern. Dabei übergehen sie die naiven B-Zellen - die Informationen zur Antikörper-Produktion haben sie ja bereits. "Diese schnelle Reaktion baut schnell einen Schutz für Menschen auf, die mit genau demselben Virusstamm reinfiziert wurden", schreiben die Forscher. "Doch sie ist nicht ideal für Menschen, die die Immunität eines neuen Virusstamms aufbauen sollen, wie bei der jährlichen Grippeimpfung."
Ziel: Schutz gegen breites Spektrum von Grippeviren
Die Forscher erklärten: "Um eine langanhaltende Immunität gegen neue Influenzastämme zu erzeugen, muss der Impfstoff fähig sein, Antikörper gegen ein breites Spektrum von Viren auszubilden." Der Schlüssel liege nicht nur in einer Aktivierung der B-Gedächtniszellen, sondern auch der nicht programmierten naiven B-Zellen. Würde deren Ausbildung gefördert, könnten auch neue Virusstämme schneller und besser bekämpft werden. "Ein Impfstoff auf dieser Basis schützt nicht nur gegen alte, sondern auch neue Viren", hieß es. Die Ergebnisse sind am 31. August in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht worden.
Forscher entnahmen Immunzellen aus den Achselhöhlen
Doch wie kamen die Forscher auf die Ergebnisse? Unter Anleitung von Ultraschall-Bildgebung extrahierten sie die Immunzellen - oder auch Keimzentren - aus den Achselhöhlenlymphknoten von acht gesunden, jungen Freiwilligen. Diese Freiwilligen waren mit dem Vierfach-Grippeimpfstoff 2018-19 geimpft worden, der zum Schutz gegen vier verschiedene Stämme des Influenzavirus entwickelt wurde. Die Immunzellen wurden nach einer, zwei, vier und neun Wochen nach der Impfung extrahiert.
Ergebnis: Breite Impfung, breite Wirkung
Das Ergebnis: Bei drei Freiwilligen reagierten sowohl B-Gedächtniszellen als auch naive B-Zellen in den Lymphknoten auf die Impfstämme. "Das deutet darauf hin, dass der breite, Vierfach-Impfstoff eine lang anhaltende Immunität gegen die neuen Stämme eingeleitet hatte", sagte Ellebedy. "Unsere Studie zeigt, dass der Grippeimpfstoff beide Arten von Zellen in den Keimzentren angreifen kann, aber wir wissen immer noch nicht, wie oft das passiert", sagte Ellebedy. Für einen universellen Grippeimpfstoff müsse der Fokus auf den Keimzentren und den naiven B-Immunzellen liegen.
Die Grippeschutzimpfung
Das Influenzavirus gilt als sehr wandlungsfähig. Auch deswegen ist die Schutzwirkung der Grippeschutzimpfung laut RKI "geringer als bei vielen anderen von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen". Laut RKI ist es möglich, dass die in der Impfung enthaltenden Virusstämme nicht gut mit den Grippeviren der folgenden Saison übereinstimmen, "weil sich in der Zwischenzeit andere Virusstämme durchgesetzt haben."
Das RKI schätzt die Schutzwirkung einer Impfung bei einer "sehr guten Übereinstimmung der zirkulierenden Grippeviren" bei jungen Erwachsenen auf etwa 80 Prozent ein. Bei älteren Menschen wird die Schutzwirkung mit nur etwa 41 bis 63 Prozent angegeben. Trotzdem sei die Wirkung auch bei älteren Menschen nicht zu vernachlässigen, erklärt das RKI. Trotzdem erkrankten im Vergleich zu Nichtgeimpften nur etwa die Hälfte der Personen.
kt
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