Nachhaltiges Bauen Ohne Stahl: Erstes Haus aus Carbonbeton in Dresden
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28. September 2022, 19:20 Uhr
Beton mit dem darin enthaltenen Zement gilt wegen seiner hohen CO₂-Emissionen als Klimakiller, trotzdem ist er für die Baubranche unersetzlich. Hier setzt die Innovation von Forschern aus Dresden an. Sie ersetzten Stahl mit Carbon und sparen so 50 Prozent des Betonverbrauchs. Nach 30 Jahren Forschung ist am Mittwoch das weltweit erste Haus aus Carbonbeton "Cube" in Dresden eröffnet worden.
Für Professor Manfred Curbach laufen an diesem Tag zwei Höhepunkte zusammen. Erstens hat er Geburtstag und zweitens erlebt er das Ergebnis seiner 30-jährigen Forschungsarbeit zum Carbonbeton. Er steht in einem Haus, das auf den ersten Blick für Nichtkenner zwar sehr chic, aber ansonsten relativ normal aussieht. Dieses Haus birgt jedoch das Potenzial, die Baubranche komplett zu verändern - oder anders formuliert: Dieses Haus ist das Sinnbild einer Chance für klimafreundliches, CO₂-neutrales Bauen.
Carbon statt Skelette aus Stahl
Doch worum geht es eigentlich konkret? Häuser werden in der Regel mit Beton gebaut. Damit dieser hält und seine Form findet, werden Stahlskelette in Fußboden und Wänden installiert, die dann mit Beton ausgegossen werden. Der Stahl ist für die Haltbarkeit unersetzlich. Es gibt nur ein Problem - er kann rosten. Damit dies nicht passiert und keine Feuchtigkeit an das Stahlskelett gelangt, muss der Stahl vom Beton relativ dick ummantelt werden. Manfred Curbach und sein Forscherteam von der TU Dresden haben jetzt "einfach" den Stahl durch Carbon ersetzt.
Was ist Carbon?
Umgangssprachlich ist das Wort Carbon eine Bezeichnung für das chemische Element Kohlenstoff und dessen Produkt. Eine andere Bezeichnung lautet CFK. Diese Abkürzung ist der Begriff für kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff und bezeichnet einen Faser-Kunststoff-Verbund.
Was ist Carbonbeton?
Beim Carbonbeton handelt es sich um eine Kombination aus Hochleistungsbeton und Carbonfasern, die zu einem Gelege oder einem Stab verarbeitet werden und als Bewehrung dienen.
Bis zu 80 Prozent Beton-Einsparungen möglich
"Der große Vorteil ist: Man braucht keinen Beton mehr, um den Stahl vor Korrosion zu schützen", erklärt Curbach. Carbon könne nicht rosten, sämtlicher "dick aufgetragener" Beton könne eingespart werden. "Wir sparen mit Carbonbeton die Hälfte des Materials", erklärt Curbach. Eigentlich seien sogar bis zu 80 Prozent Beton-Einsparungen möglich. Doch dafür bedürfe es neuer Konstruktionsprinzipien, die gerade entwickelt werden.
Beton muss nicht mehr so basisch sein
Ein weiteres, eher chemisches Detail ermöglicht die immensen Einsparungen durch Carbonbeton. Um die Stahlskelette zu schützen, muss der herkömmliche Beton basisch sein. Dies kostet in der Herstellung extra CO₂-Emissionen. Auch die können durch den Carbonbeton eingespart werden. Mit dem neuen Verfahren wird also nicht nur sehr viel weniger Beton benötigt. Der, der gebraucht wird, verursacht auch weniger Kohlendioxid in seiner Produktion. "Carbonbeton ist ein großer Mosaikstein auf dem Weg zum klimafreundlichen Bauen", erklärt Curbach auf der Festveranstaltung zur Eröffnung des weltweit ersten Carbonbeton-Hauses in der Dresdner Südstadt. "Es ist das Größte, was ich hier erleben konnte. Ich bin stolz, an der TU Dresden zu sein."
Klimafreundliches Bauen
Die ersten Forschungsansätze, um konventionellen Beton zu ersetzen, liegen 30 Jahre zurück. "Wir hatten das Glück, zur richtigen Zeit die richtige Forschung betrieben zu haben", erklärte Curbach. Anfangs sei alles vor allem eine schöne Idee gewesen. Erst mit dem stärkeren Bewusstsein für den Klimawandel sei klar geworden, welches Potenzial für klimafreundliches Bauen im Carbonbeton stecke. "Wir sind mehr oder weniger dazu verpflichtet, anders zu bauen", sagte Curbach. Carbonbeton könne hier Teil einer großen Lösung sein.
Energieverbrauch drastisch reduzieren
Die Rektorin der TU Dresden, Ursula M. Staudinger, sieht im Carbonbeton eine große Chance für die Umwelt. "Klimagerechtes Bauen ist ein zentrales Forschungsthema, das in Zukunft eine noch größere Bedeutung erlangen wird", erklärte sie. Der "Cube" auf dem Campus der TU Dresden sei ein exzellentes Beispiel dafür. Sachsens Bauminister Thomas Schmidt (CDU) erklärte: "Mit Carbonbeton lässt sich der Energieverbrauch der Bauwirtschaft schon heute drastisch reduzieren. In großem Maßstab eingesetzt, kann er das Bauen energieeffizienter, materialschonender und kreislauffähiger machen." Zugleich könne man mit dem Baustoff "technisch und ästhetisch sehr anspruchsvoll bauen". Das sei eine große Chance für das klimagerechte Bauen. "Ich bin mir sicher, die in Sachsen entwickelte und etablierte Carbonbetonbauweise wird nicht nur dem Hochbau, sondern auch dem Straßen- und Brückenbau einen großen Schub verleihen“, erklärte Minister Schmidt.
Wie geht es weiter?
Wie schnell wird der Carbonbeton den Weg in die Praxis finden? Die ersten Bauwerke mit Carbonbeton sind bereits in Planung. Laut Dresdens Bildungsbürgermeister Jan Donhauser plant die Stadt bereits jetzt sowohl die Sanierung als auch den Neubau einer Turnhalle in der Bernhardtstraße. Den Angaben zufolge sind auch Gebäude in Leipzig geplant. Zudem will Rektorin Staudinger die geplante 60 Meter hohe Drohnen-Testflughalle für das "Smart Mobility Lab" der TUD in Hoyerswerda mit Carbonbeton bauen. In den nächsten Tagen fällt auch die Entscheidung für die Großforschungszentren in den ehemaligen Kohleregionen. Bekommt Curbach den Zuschlag für sein "Lausitz Art of Building", will er auch dort mit Carbonbeton bauen und eine Modellregion für nachhaltiges Bauen etablieren. "Nächstes Jahr wird es entsprechende Normen für das Bauen mit Carbonbeton geben", sagte Curbach. Die Richtlinien würden gerade erarbeitet.
Wie teuer ist Carbonbeton?
Der ursprünglich sehr teure Werkstoff Carbon ist durch die einsetzende industrielle Produktion bereits schon jetzt günstiger geworden. Hinzu kommen die Einsparungen des Materials. "Unterm Strich ist Carbonbeton schon heute nicht teurer als Stahlbeton“, erklärte Curbach. Im Gegenteil sei Carbonbeton durch die Preissteigerungen und die Lieferkettenprobleme schon jetzt wirtschaftlicher geworden.
Großes Potenzial für Sanierungen
Carbonbeton spielt aber nicht nur bei Neubauten eine große Rolle. Auch für die Sanierung liegt ein enormes Potenzial in dem neuen Leichtbaustoff. Beispielsweise wurde die Carolabrücke in Dresden mit dem leichten Baustoff verbreitert, um Fußgängern und Radfahrern mehr Platz zu bieten. Gleichzeitig können Decken mit dem leichten Baustoff viel einfacher saniert werden als mit schwerem Beton, wie im Beyerbau, einem Gebäude der TU geschehen. Auch Architekten dürften sich über Carbonbeton freuen: Mit dem leichten Material sind ganz neue Entwürfe möglich. Nicht zu vergessen: Weil Carbon nicht rostet, sollen Gebäude aus Carbonbeton auch viel länger halten.
Klimafreundlicher, preisgünstiger, in der Anwendung breiter, in der Gestaltung experimenteller und nicht zuletzt langlebiger - diese Aussichten für Carbonbeton haben das Bundesforschungsministerium schon früh so sehr überzeugt, dass es in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 50 Millionen Euro in die Entwicklung des neuen Werkstoffs investiert hat.
Links/Studien
(kt)
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