Prokrastination Aufschieben raubt Energie - auch wenn alles erledigt ist
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16. Januar 2020, 14:31 Uhr
Den Keller nächsten Monat aufräumen, den Einkauf auf den Abend schieben und die Mail an den Kollegen hat auch Zeit bis nachher. Das kennt jeder. Doch solche aufgeschobenen Handlungsabsichten beschäftigen unser Gehirn länger als gedacht - sogar dann noch, wenn wir die Sache längst erledigt haben. Forscher der TU Dresden sind der Frage nachgegangen, was eigentlich in unserem Gehirn passiert, wenn wir eine aufgeschobene Absicht von unserer inneren To-Do-Liste streichen.
Es ist ein befreiendes Gefühl, wenn wir auf unserer To-Do-Liste hinter eine Aufgabe, die wir schon lange vor uns herschieben, einen Haken setzen können. In unserem Gehirn könnten aufgeschobene Aufgaben trotzdem nachwirken - selbst bei ganz einfachen Dingen, erklärt Psychologe Marcus Möschl von der Technischen Universität Dresden. Dort forscht er zu der Frage, wie unser Gehirn Absichten wieder deaktiviert:
Wir nehmen uns vor, eine Handlung auszuführen und bezeichnen das als Absicht. Das Deaktivieren dieser Absicht bezeichnet im Prinzip, dass wir aus diesem mentalen Zustand rausgehen und uns nicht mehr darauf festlegen diese Handlung auszuführen, weil sie abgeschlossen ist.
Dann löscht unser Gehirn sie quasi von unserer inneren To-Do-Liste und im Gehirn ist Platz für neue Absichten. Oft klappt das auch, sagt Möschl. Aber nicht immer.
Unter Umständen wirken diese Absichten nach und beeinträchtigen uns beim Ausführen neuer Handlungen. Zum Beispiel, dass wir abgelenkt sind oder tatächlich versuchen, die Handlung noch einmal auszuführen.
Gefährlich: Aufgeschoben, ausgeführt und im Gehirn noch nicht abgehakt
Ein einfaches Beispiel: Wir überlegen uns am Morgen, in der Mittagspause einen Brief einzuwerfen und machen das dann auch. Aber selbst am Nachmittag denken wir bei jedem Brief, den wir im Büro sehen, noch immer daran, dass wir einen Brief einwerfen wollten. Problematisch könnte es aber werden, wenn aufgeschobene Aufgaben mit bestimmten Reizen verknüpft werden. So könne es beispielsweise passieren, dass Menschen Medikamente doppelt einnehmen.
Wir nehmen an, dass das dann besonders passieren kann, wenn wir halt sehr auffällige Reize haben, die uns daran erinnern, dass wir Medikamente nehmen wollten und mit diesen Reizen nochmal konfrontiert werden.
Möschl konnte den Effekt, dass wir Dinge noch einmal machen, obwohl wir sie längst erledigt haben, in Laborversuchen nachweisen, also unter kontrollierten Bedingungen ohne andere Einflüsse. Außerdem zeigte sich, dass wir abgelenkt sind und langsamer werden bei den Dingen, die wir anschließend tun.
Trotz jahrzehntelanger Forschung viele ungeklärte Fragen
Zusätzlich hat der Psychologe mit seinem Team die Forschungsarbeiten der vergangenen 20 Jahre zu dem Thema systematisch analysiert. Trotzdem wissen die Psychologen noch nicht, warum unser Gehirn sich manche Absichten offenbar länger merkt als nötig:
Was wäre der evolutionäre Vorteil davon, dass wir uns so entwickelt haben? Sind solche Nachwirkungen irgendwo auch nützlich? Gibt es Situationen, in denen es nützlich ist, dass eine Absicht weiterhin aktiv ist?
Was passiert, wenn andere in einen Apfel beißen
Abschließend geklärt sei das noch nicht, sagt der Wissenschaftler, aber man vermute, dass es hilfreich sein könnte, wenn man neue Routinen aufbauen möchte. Dafür wäre es durchaus sinnvoll, wenn wir über unsere Handlungen noch einmal reflektieren würden. Möglicherweise könnten Routinen schneller aufgebaut werden, indem wir Reize mit bestimmten Reaktionen verknüpfen. So könnte der Mensch sein Gehirn vielleicht sogar bewusst für etwas Positives manipulieren - wie etwa für eine gesündere Lebensweise. Nehmen wir uns also vor mehr Äpfel zu essen und machen das dann auch, werden wir immer wieder an unser Vorhaben erinnert, wenn jemand anderes in einen Apfel beißt. Der Dresdner Psychologe will als nächstes herausfinden, ob das tatsächlich funktionieren könnte.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 15. Januar 2020 | 17:50 Uhr
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