Schweizer Entwicklung Methanol-App erschnüffelt gepanschte Drinks
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16. Juni 2020, 12:52 Uhr
Egal, was wir in Clubs und Kneipen trinken, wir müssen darauf vertrauen, dass die Getränke nicht "gepanscht", also mit Methanol verlängert worden sind. Schmecken oder riechen tun wir den Unterschied zwichen Methanol und Ethanol nicht. Ein Gerät mit Sensor und gekoppelter Handy-App kann das aber - sagen die Forscher.
"Handy und Methanoltester nicht vergessen" – ist das die Bitte von morgen, bevor der Nachwuchs abends loszieht Richtung Party, Disco oder Club?Tatsächlich könnten solche handtellergroßen Tester bald in unseren Handtaschen oder Rucksäcken landen, mit denen wir in schummrigen Lokalitäten testen, ob unser Getränk möglicherweise mit Methanol gepanscht und "verlängert", also gestreckt, wurde.
Wo sich Methanol und Ethanol ähneln und unterscheiden
Merken tun wird das derzeit nicht, denn Methanol unterscheidet sich in Geschmack, Geruch oder Aussehen nicht vom Trink-Ethanol. Das Tückische: Ethanol und Methanol ähneln sich anfangs in ihrer Wirkungsweise: Kopfweh, Übelkeit und Erbrechen könne beide verursachen. Bei Methanol geht es aber noch weiter, und zwar mit mit Sehstörungen und Bewusstlosigkeit. Das liegt an den Methanol-Abbauprodukten: Formaldehyd und Ameisensäure. Die schädigen Hirn, Sehnerven, Nieren und Leber - und zwar ein für allemal; nach 48 bis 72 Stunden kann es zu Herz- oder Atemstillstand kommen.
Wie merkt man den Unterschied?
Bislang sind wir darauf angewiesen, dass die Getränke clean sind, die man uns einschenkt. Methanolnachweise sind aufwendige und teure Labortests. Mithilfe einer Flüssigchromatographie werden die verschiedenen Arten von Chemikalien in einem Gemisch getrennt und gemessen. Ein Schweizer Forschungsteam an der ETH Zürich (fünf Männer, keine Frau) hat nun ein Messgerät entwickelt, das in die Handtasche passt. Es besteht aus einem kleinen Glasfläschen, das mit einem Schlauch an das handtellergroßes Analysegerät gekoppelt ist. Darin stecken der Separator (zur Vorabtrennung des Gasgemisches), ein Minicomputer, eine Pumpe und die Sensoren, die den Anteil von Methanol und Ethanol bestimmen und via Bluetooth an die die dazugehörige App melden. Ist der Methanolanteil schädlich, schlägt die App Alarm. Das Verfahren wurde von seinen Entwicklern an 107 Tagen nacheinander getestet und zwar an insgesamt 89 verschiedenen alkoholischen Getränken. Ursprünglich hatten sie an tragbaren Gassensoren für die medizinische Atemanalyse zum Beispiel zur Fettverbrennung während Diäten oder beim Sport gearbeitet, sagt Entwickler Andreas Güntner auf Anfrage von MDR WiSSEN, sowie zur Überwachung der Luftqualität um zum Beispiel krebserregendes Formaldehyd zu erkennen:
Im Rahmen dieser Forschung sind wir per Zufall auf das Detektionsprinzip gestoßen, dass uns erlaubt giftiges Methanol zuverlässig aus Getränken zu "erschnüffeln". Die Hauptschwierigkeit war dabei, Methanol vom chemisch ähnlichen Trinkalkohol (Ethanol) zu unterscheiden. Bisherige tragbare Detektoren sind daran gescheitert.
Die Forscher sehen für ihre Entwicklung, die sie bereits zum Patent angemeldet haben und die nach eigenen Angaben in zwei Jahren auf den Markt kommen soll, ein riesiges Anwendungspotential etwa bei Gesundheitsbehörden, Polizei, Zoll, aber auch Herstellern und Verbrauchern. Weiterentwickelt könnte der Detektor vielleicht sogar Methanolvergiftungen im Atem feststellen, für Rettungskräfte eine lebenswichtige Information. Und wegen seiner modularen Bauweise könnte das Gerät "auch zum Nachweis anderer Lebensmittelkontaminanten wie Formaldehyd oder Ammoniak aus verdorbenen Meeresfrüchten angewendet werden", so das Forscherteam um den ETH-Ingenieur Sebastian Abegg in der Veröffentlichung.
Link zur Studie
Die Studie ist unter dem Titel "A pocket-sized device enables detection of methanol adulteration in alcoholic beverages" im Fachmagazin nature food veröffentlicht worden.
Methanolvergiftungen sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Zwischen 2017 und 2019 gab es weltweit 306 registrierte Methanolvergiftungsvorfälle, die etwa 7.104 Menschen trafen - und bei denen 1.888 Menschen starben. Die meisten Vorfälle wurden den Forschern zufolge in Asien registriert.
(lfw/nature)
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