Psychologie Warum "nicht verlieren können" normal ist
Hauptinhalt
03. Dezember 2020, 05:00 Uhr
"Der Mann, der nicht verlieren kann", so hat der amerikanische Sportjournalist Rick Reilly sein letztes Buch genannt und vermutlich weiß jeder, wen er damit meint: Donald Trump – von Januar 2017 bis voraussichtlich Januar 2021 Präsident der Vereinigten Staaten. Mit seiner Wahl wurde der Welt nicht nur ein Präsident, sondern auch ein Paradebeispiel für einen Menschen geliefert, der mit Niederlagen nur sehr schwer umgehen kann. Doch wieso ist das so. Wieso gibt es gute und schlechte Verlierer?
Es gibt Autofahrer, die sich an der Ampel immer brav an der langen Schlange hinten anstellen und die, die links vorbeiziehen und sich vorne anstellen. Mit Fahrradfahrern ist das genauso. Die einen radeln vorbildlich hinter den anderen her, die anderen müssen immer überholen, um Erster oder Erste zu sein. Gehören die schon zu denen, die nicht verlieren können?
"Im Wettbewerb zu stehen, sich durchsetzen zu wollen, das gehört ja ein Stückweit zum menschlichen Leben", sagt der Neurologe und Psychiater Frank Pillmann. Zum Fall Donald Trump denkt er, dass es nicht angebracht ist, Politiker zu analysieren.
Ich weiß, dass es sehr reizvoll ist, in diesen Kategorien zu denken, ob Trump eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat oder was auch immer. Das mag vielleicht auch so sein, aber ich denke, man sollte Politiker immer politisch beurteilen und nicht psychologisch.
Verlieren sollte man in der Kindheit lernen
Der Sportjournalist Rick Reilly wird da konkreter. Donald Trump gehört auf jeden Fall zu denen, die nicht verlieren können, schreibt er in seinem neuesten Buch. Er hat Trump über 30 Jahre nicht beim Radfahren, sondern beim Golfspiel beobachtet und stellt fest:
Wenn es etwas gibt, was in Trumps Welt auf keinen Fall passieren darf, dann eine Niederlage – und sei es beim Spiel mit Tiger Woods!
Doch wieso ist Trump so unerbittlich? Was hindert ihn daran, großzügig zu sein und zu sagen: "Okay, ich habe vergeigt. Was soll's?" Darauf antwortet die Leipziger Psychologin Mandy Rogalla: "Also zunächst mal ist das Verlieren ja etwas, das man eigentlich in der Kindheit lernen sollte."
Frustrationstoleranz wird in der Kindheit entwickelt
Verlieren muss man also lernen. Großzügig sein, zu sagen: Okay, der andere ist besser. Und wie geht das? "Das ist die berühmte Trotzphase, die man kennt, wo Kinder sich gerne auf den Boden schmeißen", erklärt Mandy Rogalla. In dieser Zeit entwickle man eine Frustrationstoleranz und wenn die ganz niedrig sei, könne man schlecht mit Misserfolgen oder mit Niederlagen umgehen. Dabei lerne man, dass man etwas abgeben, etwa aushalten und warten könne, bevor man etwas bekomme.
Eine niedrige Frustrationstoleranz könne aber mehrere Ursachen haben, erläutert die Psychologin. Einerseits, wenn Kinder nicht beachtet werden, andererseits, wenn sie zu viel Beachtung bekommen.
Es könnte ein sehr fürsorgliches Elternhaus sein, das ganz viel von mir abwendet, das darauf achtet, dass ich nicht in Konflikte komme und keine Misserfolge habe – eben Helikopter-Eltern. Das Gegenstück sind Familien, bei denen es sehr rigide Ziele gibt, wo von Anfang an klar ist, wo die Reise hingeht für die Kinder. Die haben wenig Spielraum für ihren eigenen Selbstwert, sondern müssen Voraussetzungen erfüllen, die in dieser Familie Tradition haben.
Einstellung zum Verlieren kann sich auch noch bei Erwachsenen ändern
Frank Pillmann würde es umgekehrt formulieren: "Wenn man verliert, ist, sich zu ärgern in erster Linie eine natürliche Reaktion. Man kann auch fragen: Wie schaffen wir es eigentlich, gut zu verlieren?"
Der Hallenser Neurologe hat darauf dieselben Antworten wie die Leipziger Psychologin Rogalla. Zwei Dinge seien nötig: Verlieren können, was man als Kind lernt, und ein starkes Selbstbewusstsein, wofür die Grundlage auch in der Kindheit gelegt wird. Ist es also noch möglich, als erwachsener Mensch zu lernen, Niederlagen einzustecken? Das glauben beide nicht.
Aber die Einstellung zum Gewinnen oder Verlieren kann sich verändern. Es gibt sicherlich Menschen, die über weite Strecken in ihrem Leben sehr ehrgeizig gewesen sind oder vom Ehrgeiz zerfressen. Die können durch Veränderungen in ihrem Leben einen Einstellungswandel durchmachen und dadurch auch zu Dingen wie Gewinnen und Verlieren eine andere Position bekommen.
Selbst Trump scheint noch lernfähig zu sein
Übersetzt: Die Weisheit des Alters könnte aus schlechten Verlierern gute machen. Aber das braucht viel Zeit. Manche brauchen ein ganzes Leben dafür, nachdem ihr Start ins Leben nicht so optimal verlief.
Beim Radfahren löst sich das Problem dann von selbst. Ab einem bestimmten Alter kann man einfach nicht mehr alle überholen, die vor einem fahren, um der oder die Schnellste zu sein. Insofern können alle schlechten Verlierer sich heute schon mal vorstellen, dass es doch viel bequemer ist, auch mal zu sagen: Okay, andere sind besser. Was soll's? Ich schalte jetzt einen Gang runter.
Selbst Donald Trump scheint das zu schaffen. Auf die Frage einer Journalistin, ob er das Weiße Haus verlassen wird, wenn die Wahlmänner am 16. Dezember gegen ihn stimmen, sagte er auf einer Pressekonferenz: Es würde ihm sehr schwer fallen. Aber natürlich werde er das tun und das wisse die Journalistin auch.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 06. Dezember 2020 | 06:20 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/5634b558-4efd-4551-b370-b78dc2737954 was not found on this server.