Masern Viren
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Angriff auf weiße Blutkörperchen Masern löschen das Immungedächtnis

31. Oktober 2019, 19:00 Uhr

Einige Impfskeptiker glauben, Masern durchzumachen stärke das Immunsystem von Kindern. Zwei neue Studien zeigen das Gegenteil: Masern schwächen die Abwehrkräfte langfristig, weil sie das Immungedächtnis löschen.

Masernviren sind unter anderem deshalb so gefährlich, weil sie das Immunsystem direkt angreifen. Ähnlich wie das HI-Virus befallen auch Masernviren weiße Blutkörperchen. Sie greifen die sogenannten B-Zellen an und schwächen die Immunabwehr langfristig. Dieser Effekt kann zwischen Monaten und Jahren nach dem Abklingen der Symptome, wie dem typischen Hautausschlag, anhalten. Unter Medizinern ist das bereits bekannt.

Zwei neue Studien zeigen jetzt, welcher Mechanismus zu dieser Schwächung führt. Die Forscher fanden heraus: Masernviren löschen Teile des Immungedächtnis der Infizierten und machen sie auch nach dem Abheilen der Masern anfällig für Krankheiten, die sie eigentlich längst überwunden hatten. Nur für die Masern selbst werden die Erkrankten nie wieder anfällig, gegen diese Infektion bilden die Körper eine robuste Abwehr aus.

Masern reduzieren B-Zellen und schwächen Immungedächtnis

Das Team um Velislava Petrova vom Wellcome Sanger Institute im englischen Cambridge berichtet im Fachjournal Science Immunology über ihre Forschungsreihe. Die Mediziner nahem Blutproben von insgesamt 77 Kindern im Alter zwischen 4 und 17 Jahren. Das besondere an der Gruppe: die jungen Menschen gingen auf drei orthodox-protestantische Schulen in den Niederlanden und waren weder gegen die Masern geimpft waren, noch hatten sie die Krankheit bisher durchgemacht.

Bei denjenigen, die anschließend an den Masern erkrankten, nahmen die Forscher nach der Heilung erneut Blutproben. Dann verglichen sie bei beiden Probereihen die B-Zellen der weißen Blutkörperchen. Dabei zeigten sich zwei Effekte: Einerseits war die Zahl sogenannter naiver B-Zellen nach der Infektion deutlich niedriger als zuvor und blieb es lange Zeit nach Abklingen der Symptome. Andererseits waren sogenannte B-Gedächtniszellen deutlich abgebaut worden.

Tierversuch: Geimpfte Frettchen waren nach Masern wieder infizierbar

Die Masernviren hatten also Teile des Immungedächtnis der Kinder gelöscht. Diese waren jetzt zwar resistent gegen Masern. Dafür waren sie plötzlich wieder anfällig für andere Krankheitserreger, darunter Bakterien, Viren oder Pilze, die ihr Körper früher bereits bekämpft hatte.

Um ihre Ergebnisse zu überprüfen, testeten die Forscher den Effekt an Frettchen. Zunächst impften sie die Tiere gegen Grippeviren und prüften die Wirksamkeit der Impfung mit echten Grippeviren. Dann infizierten sie die Frettchen mit Masern, Nach dem Abheilen dieser Infektion waren die Tiere plötzlich wieder anfällig für die Grippeviren. Teilweise nahmen diese Grippeinfektionen dann einen Verlauf mit schweren Auswirkungen.

Verlust von bis zu 73 Prozent des Immungedächtnis nach Masern

Ein zweites Team von Wissenschaftlern um Michael Mina testete die Antikörper im Blut der 77 Kinder vor und nach der Maserninfkeiton mit einer Methode namens VirScan. In Science berichten die Forscher, dass die Kinder zwei Monate nach der Infektion zwischen 11 und 73 Prozent der Antigene verloren hatten, die sie bereits gegen Viren und Bakterien gebildet hatten. Diese Antigene sind Basis für die Bildung von Antikörpern, die bereits bekannte Erreger abwehren. Einen ähnlichen Verlust gab es bei Kindern mit einer dreifach Impfung gegen Masern, Röteln und Mumps nicht.

Die Wissenschaftler schlussfolgern, dass dringend wieder mehr Menschen gegen Masern geimpft werden sollten. Weltweit erkranken derzeit etwa sieben Millionen Menschen jedes Jahr an den Masern, über 100.000 sterben an der Infektion.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 29. August 2019 | 11:00 Uhr

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