Ein schwimmendes LNG-Terminal.
So wie hier in Helsinki wird der LNG-Terminal in Wilhelmshaven ab Dezember aussehen. An einem Terminalschiff legen die LNG-Frachter an. Bildrechte: IMAGO / ZUMA Wire

Energiewende Klimaneutrale Nutzung von LNG-Terminals bleibt ungewiss

21. November 2022, 17:03 Uhr

Um den ausbleibenden russischen Gaslieferungen entgegenzuwirken, setzt Deutschland auf den Bau eigener LNG-Terminals. Der erste Anleger wurde in dieser Woche in Wilhelmshaven eröffnet. Die Politik verspricht einen späteren Umbau der Anlagen für klimaneutrales Gas. Doch ist das überhaupt möglich?

Der Stopp russischer Gaslieferungen hat Europa in eine schwere Energie-Krise geworfen. Um die ausbleibenden Gasimporte zu kompensieren, setzen viele Länder auf Flüssiggas (LNG). Auch Deutschland möchte einen Teil der neu entstandenen Gaslücke mittels LNG füllen und plant deshalb den Bau von fünf staatlichen LNG-Terminals an mehreren deutschen Küstenstandorten. Der Anleger in Wilhelmshaven wurde am 15. November eröffnet. Zusammen mit Brunsbüttel, Stade, Lubmin (zwei Terminals) und einem weiteren Terminal in Wilhelmshaven sollen dabei Kapazitäten von fünf bis 13 Milliarden Kubikmetern pro Jahr entstehen. Über diese Terminals könnte dann etwa ein Drittel des deutschen Gasbedarfs gedeckt werden.

Blick am Dienstag 20.09.2022 im Industriehafen Lubmin Vorpommern Greifswald auf den Baustart für das neue LNG-Terminal der Deutschen ReGas GmbH & Co. KGaA.
In Lubmin soll eines von fünf geplanten LNG-Terminals in Deutschland entstehen. Bildrechte: IMAGO/BildFunkMV

Laufzeiten bis in die 2040er-Jahre

Umweltschützer fürchten durch das Festhalten an fossilen Energien eine weitere Hinderung der Energiewende. Besonders problematisch am Bau neuer LNG-Terminals ist neben der Tatsache, dass sich schon jetzt etwa die Kosten für die schwimmenden Anlagen auf 6,56 Milliarden Euro mehr als verdoppelt haben, vor allem deren Laufzeit. Damit sich die Anlagen wirtschaftlich rechnen, müssen sie jahrzehntelang betrieben werden. Die Politik verspricht deshalb eine spätere Umrüstung der Terminals auf klimaneutrale Gase. Doch ist dies überhaupt ohne weiteres möglich? In einer aktuellen Studie ist das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationstechnik dieser Frage auf den Grund gegangen. Die Forschenden schließen eine zukünftige Umrüstung der Anlagen nicht kategorisch aus. Allerdings bringe dies einige Herausforderungen mit sich. Zudem gebe es aufgrund fehlender Praxiserfahrungen in diesem Zusammenhang große Wissenslücken und Unklarheiten.

Robert Habeck und Manuela Schwesig
Bis in die 2040er-Jahre müssen die neuen LNG-Terminals laufen um sich wirtschaftlich zu rechnen. Die Politik verspricht deshalb eine später klimaneutrale Umnutzung der Anlagen. Bildrechte: IMAGO/BildFunkMV

Umstieg auf Wasserstoff oder Ammoniak

Denkbar wäre beispielsweise eine Umrüstung der Anlagen zur Nutzung mit Wasserstoff oder Ammoniak. Allerdings bringen beide Gase aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften einige Fallstricke mit, die bereits bei der Konstruktion der Anlagen beachtet werden sollten. So habe Ammoniak eine höhere Siedetemperatur als Flüssiggas und stelle deshalb geringere Anforderungen an die thermische Isolation. Problematisch bleiben jedoch die korrosiven und giftigen Eigenschaften des Gases. Demgegenüber steht die Nutzung mit flüssigem Wasserstoff, welcher einen noch niedrigeren Siedepunkt als LNG aufweist und deshalb Materialversprödung verursachen kann. Außerdem seien aufgrund des hohen Explosionsrisikos spezielle Sicherheitsvorkehrungen nötig.

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Bildrechte: MDR / Oliver Betke

Umrüstung sollte bei Planung bedacht werden

Aufgrund der speziellen Eigenschaften der Gase sollte eine spätere Umnutzung der Terminals bereits während der Planungsphase und bei der Wahl der Materialien bedacht werden. Die Forschenden schätzen, dass sich dann bis zu 70 Prozent der Investitionskosten, die für den Bau eines LNG-Terminals anfallen, bei der Umrüstung auf ein Ammoniak-Terminal übertragen ließen. Bei einer Umrüstung auf Wasserstoff falle dieser Wert aufgrund der Eigenschaften des Stoffes sowie fehlender Erfahrungen mit industrieller Infrastruktur niedriger aus. Die Forschenden rechnen hier damit, dass sich gut 50 Prozent der anfallenden Investitionskosten übertragen ließen. Weiterhin sei ein fliegender Wechsel zwischen den unterschiedlichen Energieträgern nicht ohne weiteres möglich, was ebenfalls Probleme mit sich bringt.

Was ist LNG? Bei LNG (liquefied natural gas) handelt es sich um flüssiges Erdgas. Es wird durch die Abkühlung von Erdgas auf -161 bis -164 Grad Celsius hergestellt. Hierdurch reduziert sich das Volumen des LNG um das 600-fache. Die weltweit größten LNG-Exporteure sind Australien, Katar, die USA und Russland.

Viele Unklarheiten bleiben

Insgesamt bleibe die Machbarkeit einer späteren klimaneutralen Umnutzung der Anlagen deshalb fraglich meint Matia Riemer, Co-Autorin der Studie. "Derzeit ist unklar, ob die Terminals mit ihren hohen Investitionskosten in Zukunft weiter nutzbar sind. Um dieses Risiko gering zu halten, sollte bereits in der Planungsphase der LNG-Terminals ein Konzept für deren Umstellung auf andere Energieträger erstellt und bei der Material- und Standortwahl berücksichtigt werden." Hinzu kämen weitere Unklarheiten. "Zum einen ist die zukünftige Nachfrage nach beiden Energieträgern ungewiss und wir benötigen verlässlichere Bedarfsprognosen, um die Planungssicherheit zu verbessern. Darüber hinaus hängt die Machbarkeit auch von individuellen Merkmalen der Terminals und ihren Standorten ab. So können zum Beispiel Industrieparks in der Nähe zum Austausch wertvoller 'Energieabfallströme' beitragen oder bieten Verteilinfrastrukturen wie Pipelines, was ein wichtiges Kriterium sein kann", sagt Projektkoordinator Dr. Florian Schreiner.

Weltweit mehr LNG-Infrastruktur als notwendig

Ein Mann geht an einer Tafel vorbei, die die 27. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen COP27 in Sharm El-Sheikh, Ägypten, am 5. November 2022 anzeigt.
Die absehbare Überversorgung könnte sich bereits im Jahr 2030 auf 500 Megatonnen belaufen. Bildrechte: IMAGO/Xinhua

Infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine begann ein regelrechter Run auf LNG. Eine kürzlich im Rahmen der Weltklimakonferenz in Scharm el-Sheikh publizierte Analyse des Climate Action Tracker (CAT) kam zu dem Schluss, dass derzeit mehr Infrastruktur aufgebaut wird, als eigentlich benötigt. Bereits im Jahr 2030 könnte sich die absehbare Überversorgung an Flüssiggas auf etwa 500 Megatonnen belaufen, was in etwa das Fünffache dessen sei, was die EU im Jahr 2021 an russischem Gas importiert habe. Auch in Deutschland kritisierten Umweltverbände bereits im vergangenen Mai die Vorhaben der Bundesregierung stark. In einem offenene Brief an Bundestagsabgeordnete wiesen sie auf eine bevorstehende "Überversorgung mit Erdgas" hin. Die "Einhaltung des Klimaschutzgesetzes" sowie der Umstieg auf eine "grüne Wasserstoffwirtschaft" seien hierdurch gefährdet.

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mbe (mit Material von Frauenhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI)

Links/Studien

Frauenhofer-Studie zur klimaneutralen Umnutzung von LNG-Terminals: "Conversion of LNG Terminals for Liquid Hydrogen or Ammonia"

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 15. November 2022 | 16:10 Uhr