Lithium ist der neue Kohlenstoff
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23. September 2021, 13:30 Uhr
Deutschland soll zum zentralen Standort für Batterieherstellung in Europa werden und Mitteldeutschland gleichzeitig, auch nach der Energiewende, ein wichtiger Industriestandort bleiben. Möglich machen soll das der Werkstoff Lithium. Um dessen Herstellung und Verarbeitung ins Land zu holen und neue Industriezweige zu entwickeln, wurde nun an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg das Deutsche Lithium-Institut ITEL eröffnet.
Auf dem Weinbergcampus der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat ein kleines Institut eröffnet, dass eine enorme Strahlkraft für Deutschland haben und vor allem die Region Mitteldeutschland auch nach der Energiewende zu einem sehr bedeutenden Industriestandort machen könnte, denn es hat Großes vor. Die Rede ist vom Deutschen Lithium-Institut ITEL.
Der Werkstoffexperte und Geschäftsführer Ralf Wehrspohn kommt ohne Umschweife zur Sache: "Lithium ist der neue Kohlenstoff. Wir wollen die Energiewende mit Elektromobilität machen. Dafür brauchen wir Lithium. Wir brauchen aufgrund von Sonne und Wind Speichermöglichkeiten. Auch das geht über Lithium. Also brauchen wir das deutsche Institut." Und da ist es nun - frisch eröffnet, gemeinsam gegründet durch die Unternehmen GP Papenburg Entsorgung Ost GmbH, Rock Tech Lithium Inc. und Knauf Gips KG.
Das Institut hat sich auf die Fahne geschrieben, die interdisziplinäre, CO2-neutrale Kreislaufwirtschaft für Lithium in Deutschland zu prägen, denn durch die Umstellung auf Elektromobilität wird Deutschland zum zentralen Standort für die Batterieherstellung in Europa. Ein weiterer Schwerpunkt des Instituts liegt auf der Erforschung neuer Produktionsschritte zur Optimierung der Beiproduktwertschöpfung.
Lithium ist das leichteste Metall auf der Erde, ist ein nicht nachwachsender Rohstoff und wird hauptsächlich aus Salzen und Erzen gewonnen. Es kommt fast überall vor, wird derzeit aber ausschließlich aus Australien und Südamerika exportiert und zu fast 100 Prozent in China raffiniert. Später gelangt es nach Europa, findet Verwendung in Akkus, elektrisch betriebenen Autos, Smartphones. Es wird aber auch für Metalllegierungen gebraucht, in der Atomindustrie oder auch in der Medizin.
Standorte verlagern, Industrien umstrukturieren
Auch Deutschland und Europa haben Lithium-Quellen - und die sollen genutzt werden, so Institutsgründer Professor Wehrspohn: "Wir brauchen hier in Europa mindestens zehn, vielleicht 15 Lithium-Fabriken. Eine Erdölfabrik besteht aus einem Cracker und einer Raffinerie. Das heißt bei Lithium Konverter und Raffinerie, ist aber sehr ähnlich. Und davon braucht man zehn bis 15. Das sind Investitionen bis zu 10 Milliarden Euro, die wir in Europa brauchen. Das sind natürlich auch Arbeitsplätze, die sehr nah an den Fähigkeiten der aktuellen Kohlearbeiter sind."
Erdölraffinerien werden zu Lithiumfabriken, Facharbeiter werden umgeschult und erhalten somit eine Perspektive. Davon träumt neben Ralf Wehrspohn auch der Ökonom Ulrich Blum. Er ist der zweite Geschäftsführer des neuen Lithium-Instituts in Halle und sagt, dass ganze Industrien entstehen könnten. Denn auch bei der Herstellung und Verfeinerung von Lithium entstehen Beiprodukte, die anderweitig gebraucht und weiterverarbeitet werden könnten. Würde man Erdölraffinerien einfach schließen, würden diese Beiprodukte verloren gehen. Dabei wäre es viel klüger, auf eine Beiproduktwertschöpfung zu setzen. Er gibt ein Beispiel:
"Wenn Sie die Kraftwerke zumachen, stilllegen, dann fällt natürlich auch die Rauchgasentschwefelung weg, und Rauchgasentschwefelung bedeutet nichts anderes, als dass sie dort Gips herstellen. Wenn Sie keinen Gips mehr haben, dann müssen Sie diesen Gips letztlich abbaggern von irgendwelchen Hügeln. Der Gipsmangel ist massivst absehbar. Daher haben wir ein Verfahren im Portfolio, welches gleichzeitig Gips erzeugt bei der Erzeugung von Lithium."
Wertschöpfungsketten stabilisieren
Für all diese Rohstoffe, die bei der Kohleherstellung abfallen, brauche man neue Technologien. Der Ökonom nennt das Stabilisieren von Wertschöpfungsketten. Ganze Industriekreisläufe müssen neu gedacht werden. Das Lithium-Institut in Halle macht einen Anfang.
"Wir haben uns umgeschaut: Es gibt hier ein Kupferinstitut, es gibt eine Stahlindustrie, es gibt aber kein Lithiuminstitut. Wir haben hier eine Marktlücke. Das ist ja für den Ökonomen eine ganz wichtige Sache, eine Marktlücke zu entdecken. Das ist natürlich für unsere Gesellschafter auch sehr wichtig: dass wir in dem Bereich etwas machen. Man kann etwas bewirken. Wenn wir das in Deutschland bewirken oder aus Sachsen-Anhalt, dann haben wir hier wieder Wohlstand und Hoffnung und Zukunft", erklärt Wehrspohn. Die Gesellschafter finanzieren das Institut. Damit ist es nicht auf Fördergelder angewiesen und kann schnell arbeiten.
Das Institut steckt noch in den Kinderschuhen, hat aber Großes vor. "Wir fangen an mit zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir haben schon sechs Stipendiatinnen und Stipendiaten eingestellt, international sogar, wollen bis Ende des Jahres auf 15 Mitarbeiter anwachsen und dann abhängig von der Gesamtentwicklung natürlich weiterwachsen. Wir werden in diesen Räumen hier in der Leipziger Straße zweieinhalb Jahre bleiben und dann ein Forschungszentrum gründen", führt Wehrspohn aus.
In Sachen Standort sind die Gründer des Lithium-Instituts in Halle noch offen für Vorschläge. Beide Experten wollen aber unbedingt in der Region bleiben. Hier sehe man viel Potential für einen künftigen Industriestandort.
Anne Sailer/JeS
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