Lehrer im Unterricht mit Schülern und Schülerinnen
Dass die Notenvergabe in der Schule nicht ausschließlich objektiv vonstatttengeht, war bekannt. Italienische Forschende haben nun ermittelt, was Gründe dafür sein können. Bildrechte: IMAGO / photothek

Italienische Schul-Studie Darum geben Lehrer Mädchen bessere Noten als Jungen

19. Oktober 2022, 16:02 Uhr

Schülerinnen werden regelmäßig besser bewertet als Schüler. Italienische Forschende haben nun ermittelt, dass diese Unterschiede nicht nur leistungsbedingt sind, sondern auch mit Vorurteilen zu tun haben.

Noten sind nicht immer objektiv, das kann wohl jeder aus seiner Schulzeit bestätigen. Dabei hängt die subjektive Bewertung auch mit dem Geschlecht zusammen, wie Wissenschaftler der norditalienischen Uni Trient herausgefunden haben. Dafür verglichen die Experten die Bewertungen von standardisierten Mathe- und Sprachtests von insgesamt 38.957 Schülern im Alter von 15 bis 16 Jahren mit zuvor vergebenen Schulnoten für die gleichen Aufgaben.

Wie bei bisherigen Studien schnitten die Mädchen besser in den Sprachtests und die Jungen besser in Mathe ab. Bei den Noten waren die weiblichen Schüler jedoch in beiden Bereichen vorn. Im Ergebnis wurde eine Schülerin notentechnisch besser als ein Schüler bewertet, auch wenn beide eigentlich gleich kompetent auf einem Gebiet waren.

Beruflicher Erfolg und sogar Lebensglück von Schulnoten beeinflusst

Um dieses Phänomen zu erklären, schauten die Forschenden auf verschiedene Faktoren wie Schultyp und -größe sowie die Zusammensetzung der Klassen nach Geschlechtern und auch, ob männliche und weibliche bzw. ältere und jüngere Lehrer verschieden bewerten. Tatsächlich zeigten sich dabei nur zwei Effekte und zwar in Mathe: Bei größeren Klassen war hier der Unterschied zwischen den Geschlechtern größer, zudem schnitten Mädchen in Gymnasien prinzipiell besser ab als in Berufsschulen.

Die Studienautoren schließen daraus, dass die Noten-Differenzen systemische Gründe haben müssen. Eine Vermutung besagt, dass die Lehrer bei den sprachlichen Fähigkeiten Mädchen unterbewusst bevorteilen, weil sie damit traditionell weibliche Verhaltensweisen wie Stillsitzen und Ordentlichsein belohnen, da es wiederum ihre Arbeit als Lehrer erleichtert. In Mathematik dagegen sollen Schülerinnen mit den guten Noten unterstützt werden, denn ihnen werden oft Schwächen in diesem Bereich nachgesagt.

Diese unterschiedlichen Bewertungen hätten durchaus Auswirkungen auf die spätere berufliche Laufbahn, so die Forschenden. "Es gibt eine klare Korrelation zwischen höheren Noten und dem Bildungserfolg", erklärt die Studienautorin Ilaria Lievore. Damit einher gingen auch Faktoren wie ein höherer Verdienst, ein besserer Job und sogar mehr Lebensglück. Allerdings seien die Erkenntnisse aus Italien nicht ohne Weiteres auf andere europäische Länder übertragbar, auch wenn dort prinzipiell ebenfalls Mädchen besser benotet würden als Jungen, resümiert Lievore.

Links/Studien

Die Studie "Do teacher and classroom characteristics affect the way in which girls and boys are graded?" wurde am 17.10.2022 im Fachmagazin "British Journal of Sociology of Education" veröffentlicht.

cdi