Lebensmittelverschwendung Täglich landet eine ganze Mahlzeit im Müll
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12. Februar 2020, 20:00 Uhr
Je größer der Wohlstand eines Landes, desto mehr Essen schmeißen seine Bewohner weg. Zu dieser Erkenntnis gelangt eine niederländische Forschergruppe in einer nun veröffentlichten Studie. Ihre Hochrechnung übertrifft bisherige Schätzungen darüber, wie viel Nahrung durch Verbraucher global verschwendet wird – nämlich um das Doppelte.
Vom Feld bis auf den Teller – überall wo Nahrung im Umlauf ist, wird sie auch weggeworfen. In reichen Ländern ist das letzte Glied der Versorgungskette besonders problematisch: der Konsument. Während in Entwicklungs- und Schwellenländern genießbares Essen nämlich nur selten im Müll landet, erwarten Menschen in der Überflussgesellschaft makellose Lebensmittel mit langer Haltbarkeit. Das heißt: Für einen hohen Anteil der Nahrungsabfälle in Industrienationen ist der Verbraucher verantwortlich.
Ein niederländisches Forscherteam der Universität Wageningen hat diesen Zusammenhang nun mit Zahlen unterlegt. Ihre Rechnung ist einfach: Wie viel Nahrung steht uns zur Verfügung und wie viel nutzen wir, um unseren Kalorienbedarf zu decken? Was überbleibt, kommt weg. Der errechnete Nahrungsüberschuss ist enorm. Für das Jahr 2005 geben die Wissenschaftler als globalen Durchschnitt 526 Kilokalorien pro Kopf und Tag an, für 2011 sind es bereits 727 Kilokalorien. Im Durchschnitt wohlgemerkt: Denn statistisch gesehen liegt der Überschuss in Industriestaaten bei 1.000 bis 1.500 Kilokalorien pro Person. Das ist die Energiemenge einer üppigen Mahlzeit. Dabei brauchen die meisten von uns nicht mehr als 2.400 Kilokalorien - täglich.
Wurde das Ausmaß bisher unterschätzt?
Die Einsicht, dass in reichen Ländern zu viel Essen weggeworfen wird, ist nicht neu. Die Wissenschaftler legen jedoch nahe, dass bisherige Schätzungen hierzu deutlich zu niedrig angesetzt sind. Die Zahlen, die sich aus dem offiziellen Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ergeben, sind gerade mal halb so hoch. Stellt sich die Frage: Wie kommt es zu der Abweichung?
Erstmals haben die niederländischen Forscher den Konsumenten mit seiner Kaufkraft im globalen Maßstab einbezogen. Mit ihrer Methode können sie sogar einen Schwellenwert errechnen, an dem Wohlstand in Verschwendung umschlägt: In einem Land, in dem die Menschen mehr als 6,70 Dollar täglich ausgeben, gibt es mehr, als gegessen wird. Hier landet Nahrung zwangsläufig in der Mülltonne.
Alle Hochrechnungen zur weltweiten Verschwendung von Lebensmitteln haben aber dasselbe Problem: Die Abfälle lassen sich nur schwer messen. Datenlücken müssen also mit Schätzwerten gefüllt werden. Die Forscher aus Wageningen umgehen das Problem, indem sie von vornherein in Energie und nicht in Masse rechnen – mit entsprechendem Fehlerrisiko.
Sie überprüfen zwar ihr Modell, indem sie es an Erhebungen in den USA vergleichen. Die Frage ist aber, ob Konsum und Wegwerfkultur in den Vereinigten Staaten genauso aussehen wie in anderen reichen Ländern. Zudem schließen die Wissenschaftler selbst eine Dunkelziffer in der Selbstversorgung nicht aus, die besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern wichtig ist. Beides könnte dafür sprechen, dass sich der Wohlstand eines Landes zumindest nicht so extrem bei der Nahrungsverschwendung bemerkbar macht, wie die Studie angibt.
Von Energiefarm bis Foodsharing: Ideen gibt es genug
Essen im Müll ist angesichts Millionen hungernder Menschen ethisch nicht zu rechtfertigen. Außerdem werden unnötig Ressourcen verbraucht. Denn Landwirtschaft, Verarbeitung und Transport verschlingen große Mengen an Energie, Wasser und anderen Rohstoffen. Die Vereinten Nationen haben es sich daher vorgenommen, die Lebensmittelverschwendung pro Kopf im Einzelhandel und bei Konsumenten bis 2030 zu halbieren. Damit diese Zielmarke erreicht werden kann, muss sich dringend etwas tun.
Lösungsideen gibt es genug. Wie es gehen könnte, macht etwa der US-Bundesstaat Vermont vor. Er will bis Juli 2020 umsetzen, dass keine Lebensmittel mehr im Abfall landen. Dafür setzt er auf Kompostanlagen und Energiefarmen, in denen Essensreste verwertet werden. Aber auch die Bevölkerung wird in dem Pilotprojekt für das Problem sensibilisiert. Eine andere Idee ist das Foodsharing: In Tschechien sind Supermärkte sogar gesetzlich verpflichtet, abgelaufene Lebensmittel an Hilfsbedürftige zu spenden. In Deutschland können Personen ihre überschüssigen Lebensmittel auf Internetplattformen kostenfrei anbieten. Für Händler und Restaurants gibt es verschiedene Apps.
Im Alltag kann man schon mit der richtigen Einkaufsplanung und Lagerung von Lebensmitteln etwas erreichen. Oder die eigene Einstellung zum Essen ändern: Obst, Gemüse und Backwaren landen nämlich oft nur deshalb im Müll, weil sie kleinere Mängel aufweisen oder nicht mehr ganz frisch sind. Ein weiteres Problem: Viele verwechseln das Mindesthaltbarkeitsdatum mit einem Verfallsdatum. Auch dadurch werden Lebensmittel entsorgt, die noch ohne Bedenken genießbar wären.
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