Japanische Seniorinnen beim fröhlichen Eisessen.
Menschen in Japan haben weltweit die höchste Lebenserwartung. Und das seit Jahrzehnten. Bildrechte: imago/Frank Sorge

Studie Lebenserwartung wächst – Deutschland hinkt hinterher, Großbritannien noch mehr

11. April 2024, 16:35 Uhr

Zwar werden wir auch in Deutschland immer älter, aber die Lebenserwartung in anderen Staaten wächst schneller. Ganz vorn dabei: Italien und Japan. Noch schlechter als in Deutschland sieht es im Vereingten Königreich aus. Britische Forscher haben Daten seit 1950 ausgewertet.

Beim Vergleich, wie sich die Lebenserwartung in den Ländern der G7 seit 1950 bis 2020 entwickelt hat, schneidet Japan am besten ab. Die Lebenserwartung in dem asiatischen Land hat sich seit 1950 steil und stabil an die Spitze der G7-Staaten geschoben. Dagegen hat sich der Anstieg der Lebenserwartung in den USA und in Großbritannien seit 1990 und in Deutschland seit 2000 kontinuierlich verringert.

Grafik Lebenserwartung
Bildrechte: UN Data

Was ist in Großbritannien anders?

Wie kommt es dazu, haben sich Forscher aus Großbritannien gefragt, was erklärt den kontinuierlichen und krassen Abwärtstrend in Sachen steigender Lebenserwartung? Die Lebenserwartung in Großbritannien lag der UN zufolge 2020 bei 80,43 Jahren und in Deutschland bei 81,15; in Japan dagegen bei 84,69 Jahren. Einer der Studienautoren, Professor Martin McKee, Spezialist für Public Health in Europa, glaubt nicht, dass sich der Unterschied allein mit Auswirkungen der Corona-Pandemie erklären lässt. Das sei zu kurz gegriffen: Vielmehr leide das Land wie in den 1950er-Jahren unter großen strukturellen und institutionellen Schwächen. Wirtschaftlich stand Großbritannien nach dem Zweiten Weltkrieg zwar wesentlich besser da als andere Nationen. Mangelnder Weitblick habe dann aber dazu geführt, dass es kein Wirtschaftswunder wie zum Beispiel in Deutschland gegeben habe.

Wochenmarkt frisches Gemüse auf einem Wochenmarkt in Plowdiw
Die wirtschaftliche Ungleichheit inBulgarien ist groß. Bildrechte: imago/ecomedia/robert fishman

Forscher McKee verweist außerdem auf die Einkommensunterschiede, die im Vereinigten Königreich während und nach den 1980er-Jahren stark zugenommen hätten. Je nach sozialer Gruppe hätten sich die Unterschiede in der Lebenserwartung verstärkt. Der OECD zufolge gilt Großbritannien inzwischen nach Bulgarien als das Land mit der zweitgrößten wirtschaftlichen Ungleichheit in Europa.

Daher sei es nicht überraschend, dass sich diese Ungleichheit in verschiedenen Bereichen widerspiegele, neben der Gesundheit auch in der mauen Gesamtposition in Sachen Lebenserwartung, wenn man in andere Länder schaut. Studienautorin Dr. Lucinda Hiam deutet eine relative Verschlechterung des Gesundheitszustands der Bevölkerung als Hinweis dafür, dass eben nicht alles in Ordnung ist: "In der Vergangenheit war dies ein frühes Anzeichen für ernsthafte politische und wirtschaftliche Probleme", erklärt die Wissenschaftlerin, die an der Uni Oxford forscht. Großbritannien steht aus Sicht des Forschungsteams derzeit an einem Scheideweg. Man müsse weg vom weiter so wie bisher. Es reiche nicht aktuelle, kurzfristige Probleme zu lösen, vielmehr müssten die politischen Weichen mit Blick auf sich andeutende Finanzkrisen richtig gestellt werden.

Wie hat sich die Lebenserwartung in Deutschland seit 1871 entwickelt?

Dazu kann man sich Zahlen des Statistischen Bundesamtes angucken. Hier sind sogar die Trends der Lebenserwartung in Deutschland ab der ersten allgemeinen Sterbetafel von 1871/1881 für das damalige Reichsgebiet aufgeführt. Damals betrug die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt für Männer 35,6 Jahre und für Frauen 38,5 Jahre. Nach den jüngsten Ergebnissen der aktuellen Sterbetafel 2019/2021 liegen diese Werte bei 78,5 Jahren (Männer) beziehungsweise 83,4 Jahren (Frauen). Aber wie konnte sich die Lebenserwartung binnen so weniger Jahrzehnte mehr als verdoppeln? Ein Faktor ist die starke Verringerung der Säuglingssterblichkeit. Auch die verbesserte medizinische Versorgung, Hygiene, Ernährung und Wohnsituation spielen dabei eine Rolle, ebenso verbesserte Arbeitsbedingungen und generell mehr materieller Wohlstand. Fast verblüffend, dass Deutschland beim Vergleich der Lebenserwartungen in den G7-Staaten im hinteren Drittel liegt.

Wie alt werden wir in Zukunft?

Vor allen Dingen global gesehen, wenn man nicht nur auf die wirtschaftlich stärksten Nationen schaut. Die weltweite Lebenserwartung bei der Geburt lag UN-Daten zufolge 2019 noch bei 72,8 Jahren. Seit 1990 also fast 9 Jahre mehr. Bis 2050 soll die durchschnittliche Lebenserwartung weltweit sogar bei 77,2 Jahren und im Jahr 2100 bei 82,1 Jahren liegen. Und auch, wenn sich in vielen Ländern einiges tut, wenn es darum geht, Kinder- und Müttersterblichkeit zu verringern, bleibt immer noch eine große Kluft: 2021 lag die Lebenserwartung in den am wenigsten entwickelten Ländern 7,0 Jahre hinter dem weltweiten Durchschnitt zurück. Die Gründe dafür sind vor allem auf die anhaltend hohe Kinder- und Müttersterblichkeit zurückzuführen; in einigen Ländern Gewalt und Kriege und auf die Auswirkungen der HIV-Epidemie.

Links/Studien

Die Studie zum Verlauf der Lebenserwartungs-Entwicklung seit den 1950er-Jahren lesen Sie hier im Original.
Daten der UN können Sie auf dieser interaktiven Seite finden (englischsprachig).
Die Sterbetafeln aus Deutschland im Verlauf können Sie hier angucken.

lfw

Eine Gruppe Senioren beim Aqua Aerobic 6 min
Bildrechte: imago/Westend61

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Nah dran | 14. Juli 2022 | 22:40 Uhr

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