Mikroorganismen Gekrümmte Wände bestimmen Bewegung von Mikroben
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28. September 2021, 12:30 Uhr
Mikroben haben keine Augen, um sich zu orientieren und Bewegungen zu steuern. Trotzdem bewegen sie sich nicht zufällig, wie ein deutsch-britisches Physikerteam jetzt zeigt. Die Krümmung der Wände entscheidet.
Mikroben wie Algen oder Bakterien leben oft in engen, verschachtelten Umgebungen, in denen sie mitunter lange Strecken zurücklegen müssen, um an Nahrung zu gelangen. Das trifft zum Beispiel auf solche Einzeller zu, die im Boden leben und dort durch poröse, mit Flüssigkeit gefüllte, winzige Hohlräume navigieren müssen, um Nährstoffe zu finden. Anders als Forscher bisher annahmen, bewegen sie sich dabei aber nicht zufällig hin und her, bis sie irgendwann an ihr Ziel gelangen. Sondern die Krümmung der Wände entscheidet über den Bewegungsstrom. Das zeigt ein Team von Physikern der Universität Bayreuth, des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen sowie der Universität Loughborough in UK jetzt im Fachmagazin PNAS.
Krümmung der Wände lenkt Bewegung von Bakterien
In einer Petrischale unter dem Mikroskop sieht es oft so aus, als ob Mikroben planlos hin und her steuern. Doch das ändert sich in einer natürlichen Umgebung offenbar. Das Team von Physikern um Marco Mazza und Oliver Bäumchen modellierte einerseits die Bewegungen der Einzeller am Computer. Andererseits wurden für ein Experiment winzige Kammern in bestimmten Formen hergestellt und anschließend jeweils genau eine Alge der Spezies "Chlamydomonas reinhardtii" in eine Kammer gesetzt.
Dabei zeigte sich: Die Mikroben orientierten sich bei ihrer Bewegung an der Krümmung der Wände. Je stärker die Krümmung war, desto stärker bestimmte sie den Fluss der Bewegungen. "Wir beobachteten, wie sich die Mikroben durch synchrone Schwimmbewegungen zweier Flimmerhärchen in der Flüssigkeit fortbewegen, und analysierten die Pfade mit Methoden der statistischen Physik", erklärt der Bayreuther Physiker Oliver Bäumchen. Sein Kollege Marco Mazza aus Loughborough ergänzt: "Als wir die Vielzahl experimenteller Daten analysierten und mit den Simulationen verglichen, entdeckten wir erstaunlich klare Strukturen, die nahezu perfekt mit unseren Berechnungen übereinstimmten." Änderten die Forscher die Form der Kammern, passten auch die Bakterien ihre Bewegungen an.
Anwendung für den Transport von medizinischen Wirkstoffen
Künftige Arbeiten sollen nun beobachten, wie ganze Populationen von Mikroorganismen ihre Umgebung erkunden, um beispielsweise Nahrungsquellen aufzuspüren. "Die von uns entdeckten Bewegungsmuster sowie das Zusammenspiel von geometrischer Struktur und gerichteter mikrobieller Bewegung sind möglicherweise auch für die angewandte Forschung wertvoll", glaubt Mazza. "Sie könnten beispielsweise genutzt werden, um natürliche Mikroorganismen oder künstliche Mikroroboter in die jeweils gewünschten Richtungen zu lenken oder um pharmazeutische Wirkstoffe an ihren Zielort zu bringen."
(ens/idw)
Zur Studie
- Camman, Schwarzendahl et.al.: Emergent probability fluxes in confined microbial navigation, PNAS
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