Forschung in Jena Der künstliche Knochen, der sich selbst heilt
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23. Juni 2020, 09:21 Uhr
Ein kleiner Schnitt, eine Abschürfung oder ein Kratzer - keine besonders gefährlichen Verletzungen. Unser Körper braucht meist nur wenige Tage, um die Wunden wieder zu schließen, dank der körpereigenen Selbstheilungskräfte. Solche Kräfte hat ein Forschungsteam der Universität Jena nun auch für künstliches Material entwickelt, das damit Knochen hilft, wenn sie nach einem Bruch repariert werden müssen.
Es passiert im Haushalt, beim Sport, beim Radfahren oder wenn wir mit dem Auto unterwegs sind: Ein Unfall, es knackt, ein Knochen ist gebrochen. Was folgt, sind Operationen, Schrauben, Platten, Schienen oder manchmal auch noch der Gips. Je nach Verletzung verwenden Mediziner zur Behandlung aber auch Knochenzement. Ein Kalziumphosphat, das dem anorganischen Anteil unserer Knochen sehr ähnlich ist. Mit dem kann man medizinisch einiges ausrichten, erklärt Frank Müller, Professor für Materialforschung am Otto-Schott-Institut der Universität Jena:
Ursprünglich waren es tatsächlich mal kleinere Defekte. Zum Einkleben von Implantaten hat man solche Kalziumphosphate verwendet. Als nächstes wurden Knochen nach Tumorentfernungen damit aufgefüllt.
Problem bisher: Fehlende Belastbarkeit
Doch es gibt nach Unfällen manchmal auch größere Anwendungsgebiete, sagt der Mediziner, wenn zum Beispiel im Kopf-Gesichtsbereich Teile des Schädelknochens fehlen. Auch die werden dann so aufgefüllt. Allerdings hat Knochenzement einen Makel: er ist nicht übermäßig belastbar. Deshalb kann er auch nicht in jedem Knochen eingesetzt werden, denn diese Kalziumphosphat-Elemente sind Keramiken und die sind sehr spröde, wie Frank Müller erklärt:
Die Implantate müssen dann in aufwendigen Eingriffen ausgetauscht werden. Ein Bereich also, indem unser Körper mit seinen Selbstheilungskräften künstlichem Material haushoch überlegen war. Bis jetzt: denn Jenaer Materialwissenschaftlern um Professor Müller ist es gelungen, auch dem künstlichen Knochenzement selbstheilende Kräfte zu geben. Wie das geht, erklärt Professor Frank Müller:
Wir haben Kohlenstofffasern integriert. Wenn jetzt ein Riss durch diesen Zement durchläuft, überbrücken ihn die Kohlenstofffasern. Die halten das ganze Implantat zusammen.
Möglicher Einsatz in Gelenkprothesen
Doch das ist nur der erste Schritt. Die Kohlenstofffasern sind auch chemisch aktiv. Gelangen nun Blut, Wundwasser oder andere körpereigenen Flüssigkeiten in den Riss, reagieren sie mit den Kohlenstofffasern:
Da bildet sich wieder knochenähnlicher Hydroxylapatit, der den Riss selbstständig verschließt.
Der künstliche Knochenzement heilt sich selbst und bleibt dennoch genauso fest wie zuvor, hätte also ähnliche Eigenschaften wie der natürliche Hydroxylapatit, der knapp die Hälfte unserer Knochen und den größten Teil unserer Zähne ausmacht. Wie nützlich diese Entdeckung in der Praxis ist, wird sich in der Zukunft beispielsweise bei bestimmten Gelenkprothesen zeigen. Wenn hier der Knochenzement beschädigt ist, kann das die Prothese destabilisieren. Die muss dann in einer aufwendigen OP ausgetauscht werden, inklusive beschädigtem Knochenzement. Vielleicht kann das selbstheilende Material diesen Menschen in Zukunft etwas mehr Sicherheit geben.
Die Forschungsergebnisse wurden im Fachmagazin Scientic Reports vorgestellt. Sie können Sie hier nachlesen.
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