Die Elbe im Juni 2018 fließt sehr schmal, der Rest des Flussbetts ist ausgetrocknet
Die Elbe bei Schönberg im Juni 2018. Bildrechte: Matthias Koschorreck / UFZ

Emissonen weltweit unterschätzt Ausgetrocknete Gewässer sorgen für höheren CO2-Ausstoß

05. Mai 2020, 12:01 Uhr

Es ist ein Teufelskreis: Wegen des sich erwärmenden Klimas werden unsere Böden immer trockener, Flüsse und Seen schrumpfen zusammen oder trocknen eine Zeit lang ganz aus. Doch ausgerechnet die trockenen Flüsse sorgen dafür, dass noch mehr CO2-Emissionen in die Atmosphäre gelangen und die Klimaerwärmung weiter verstärken. Der Effekt ausgetrockneter Binnengewässer ist weltweit unterschätzt worden, sagen Forschende aus Magdeburg und Spanien.

Ob Elbe, Schwarze Elster oder die Ilm: In den vergangenen Sommern hat man in Mitteldeutschland gut beobachten können, wie die Pegelstände von Flüssen und anderen Binnengewässern wie Seen odere Talsperren wegen der anhaltenden Trockenheit erheblich gesunken sind. Vielerorts mussten die Gemeinden sogar verbieten, dass aus ihnen Wasser entnommen wird.

Doch diese ausgetrockneten Gewässer haben offenbar nicht nur einen Einfluss auf die Wirtschaft - weil beispielsweise Binnenschiffe nicht mehr fahren können - sondern offenbar auch aufs Klima. Denn auch zeitweise ausgetrocknete Binnengewässer stoßen CO2 aus, wurden in bisherigen Berechnungen aber nicht mit einbezogen. Dadurch ist ihr tatsächlicher CO2-Ausstoß bisher deutlich unterschätzt worden. So lautet das Ergebnis einer Untersuchung von Forschenden des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Magdeburg sowie des Katalanischen Instituts für Wasserforschung (ICRA). Die Studie ist im Fachmagazin Nature Communications erschienen.

Spontane Entdeckung in Spanien

Wie so manches Mal in der Wissenschaft begann die Forschung des deutsch-spanischen Teams mit einer Art Zufall: 2013 führte UFZ-Forscher Matthias Koschorreck gemeinsam mit einem spanischen Team eine Messkampagne in Katalonien durch. Sie wollten wissen, wie viel Treibhausgase im Einzugsgebiet eines kleinen Flusses freigesetzt wird. Doch der Fluss führte zu dieser Zeit wenig Wasser, Teile des Flussbetts waren ausgetrocknet. Da kam dem Team ein spontaner Gedanke, erzählt der Biologe.

Es war Sommer und Teile des Flussbettes waren ausgetrocknet. Aus einem spontanen Impuls heraus haben wir auch dort gemessen. Mit überraschendem Ergebnis: Diese ausgetrockneten, kiesigen Bereiche des Flussbettes setzten unerwartet hohe Mengen an Kohlendioxid frei.

Dr. Matthias Koschorreck, UFZ-Department Seenforschung

In den vergangenen Jahren sind Koschorreck und sein Kollege Rafael Marcé vom ICRA im spanischen Girona diesem Phänomen in weiteren Studien nachgegangen. Sie führten unter anderem Messungen an verschiedenen Punkten in Spanien und Deutschland durch. Überall stießen sie auf dasselbe Ergebnis: Die ausgetrockneten Bereiche der Gewässer setzten deutlich messbare und zum Teil erhebliche Mengen an Kohlendioxid frei. War das also überall auf der Welt so?

Der unbeachtete Ausstoß

Die Überlegung der Forschenden: Wenn zeitweise trockene Flächen in Gewässern überall auf der Erde so viel CO2 freisetzen, dann werden die Treibhausgasemissionen von Binnengewässern grundsätzlich unterschätzt. Denn sie waren bisher schlichtweg einfach nicht mit einbezogen worden, so Koschorreck.

In Studien, die Emissionen von Treibhausgasen von Land- und Wasserflächen hochrechnen, werden Gewässerbereiche, die von Zeit zu Zeit trockenfallen, bislang überhaupt nicht berücksichtigt.

Um diese Frage zu klären, gründeten die Forschenden das Forschungsprojekt "dryflux", das sich intensiv mit dem Ausstoß von Treibhausgasen aus trockenen Gewässerbereichen beschäftigt.

Messungen auf fast allen Kontinenten

Doch für ihre Studie brauchte das Team Hilfe aus der ganzen Welt: Sie fragten Forschungsgruppen an, ob sie sich an ihren Gewässern mit Messungen beteiligen wollen.

Und sie waren erfolgreich: 24 Forschungsteams aus aller Welt lieferten Daten von insgesamt 196 Untersuchungsgebieten auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis, erklärt Koschorreck. Jedes dieser Teams führte an den trockenliegenden Bereichen von mindestens drei Binnengewässern - also Fluss, See, Teich oder Talsperre - jeweils drei Messungen durch. Außerdem entnahmen sie unter anderem auch Proben des trockenen Bodens für die deutsch-spanische Forschungsgruppe.

Ausgewertet wurde das ganze Material dann am UFZ in Magdeburg. Dabei zeigte sich, dass die Forscher mit ihrer Vermutung goldrichtig gelegen hatten:

Über alle Klimazonen hinweg konnten wir deutliche Kohlendioxidemissionen aus trockenen Bereichen von Gewässern ausmachen. Das Phänomen ist also tatsächlich ein globales.

Philipp Keller, Erstautor

Sechs Prozent höherer CO2-Ausstoß

Tatsächlich sind die Emissionen der Trockenflächen sogar höher als die einer gleich großen Wasseroberfläche, so die Forschenden. Sie hätten damit einen signifikanten Anteil an der Gesamtkohlendioxidemission von Gewässern, erläutert UFZ-Biologe Koschorreck. Wenn man das in die Berechnung der Gesamtemissionen von Gewässern einbeziehe, ergebe sich ein um sechs Prozent höherer CO2-Ausstoß.

Aber woher kommt das ganze Treibhausgas aus dem trockenen Flussbett? Dahinter stecken Atmungsprozesse von Mikroorganismen, erläutert UFZ-Doktorand und Erstautor der Studie, Philipp Keller.

Je größer das Nahrungsangebot - die organische Substanz im Boden - und je besser die Bedingungen wie Temperatur und Bodenfeuchte, desto aktiver sind sie und umso mehr Kohlendioxid wird freigesetzt.

Philipp Keller, Erstautor

Auch das sei überall auf der Welt grundsätzlich gleich. Maßgeblich sei dabei das Zusammenspiel lokaler Standortbedingungen wie Temperatur, Durchfeuchtung und organischem Gehalt der Sedimente, so Keller.

Das Team baut darauf, dass den trockenliegenden Bereichen von Binnengewässern künftig mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird - also sie etwa in die Berechnungen für die Emissionen von solchen Gewässern einbezogen werden. Denn mit fortschreitender Klimaerwärmung würden solche Bereiche ja ohnehin an Fläche zunehmen und damit auch an Bedeutung.

(kie)

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