Das MDR Klima-Update | Freitag, 20. August 2021 Was uns krank macht
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20. August 2021, 11:01 Uhr
Der Klimawandel wirkt sich auf unsere Gesundheit aus: Feinstaub gefährdet unsere Lungen, Temperaturschwankungen bringen "Schlaganfallwetter". In Zukunft werden sich die Gesundheitsrisiken noch verstärken. Und: Der Wald leidet unter dem Klimawandel. Trockenheit und Borkenkäfer setzen den Bäumen zu. Lichte Kronen und mehr Sonne bereiten der Flora und Fauna auf dem Waldboden Stress.
Liebe Abonnentinnen und Abonnenten,
in der vergangenen Woche hat Ihnen Kristin Kielon im MDR Klima-Update die Bilanz des Weltklimaberichts vorgestellt, die kurz gesagt lautete: Die Lage ist schlechter als erwartet.
Am Mittwoch ist dann ein Entwurf eines weiteren Teils des Berichtes aufgetaucht, der eigentlich erst nächstes Jahr veröffentlicht werden soll. Demnach ist auch das 2-Grad-Klimaziel kaum noch zu erreichen. Gemäß dem Pariser Klima-Abkommen soll die Erderwärmung im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten langfristig deutlich unter 2°C gehalten werden. Als Richtschnur gilt das Ziel der 1,5°C.
Der WDR zeigt, welche Konsequenzen die Erderwärmung haben kann. Einige davon spüren wir bereits jetzt. Im Folgenden geht es um die Auswirkungen des Klimawandels auf Körper und Gesundheit – und die nachfolgenden Generationen.
Außerdem werfen wir einen Blick auf den Wald, insbesondere den Harz, der ebenfalls bereits jetzt unter den Folgen der Erderwärmung leidet.
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Feinstaub, Hitze, Infektionen
Klimawandel macht krank. Einerseits beeinflussen die gleichen Vorgänge unsere Gesundheit negativ, die sich auch negativ auf das Klima auswirken. Andererseits sind es die Symptome und Auswirkungen des Klimawandels, die uns krank machen. Die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels verfolgt auch das Countdown-Projekt der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet".
MDR WISSEN hat bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nachgefragt, wie das Klima unsere Gesundheit beeinträchtigt. Den Film dazu finden Sie nach den Fakten.
1) Luftverschmutzung
- Luftverschmutzung führt zu vorzeitiger Sterblichkeit. Forscher aus Mainz haben errechnet, wie viele Jahre Lebenszeit Menschen aufgrund von schlechter Luft im Mittel einbüßen. Der Wert ist in Ostasien mit 3,9 Jahren am höchsten. In Europa beträgt er 2,2. Zum Vergleich: Im Durchschnitt verlieren Menschen wegen HIV 0,6 Jahre Lebenszeit. 0,3 Jahre sterben Menschen im Durchschnitt früher aufgrund aller Formen von Gewalt.
- Besonders Feinstaub trägt seinen Teil dazu bei. Der Kardiologe Professor Thomas Münzel von der Uni Mainz sagt: "Je kleiner der Partikel ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er die Lunge durchdringt, in den Blutstrom kommt und dann sekundär ins Gefäß geht." Seine Versuche mit präparierten Halsschlagadern von Mäusen zeigen: Feinstaub kann die Gefäße der Tiere zerstören.
- Dem Professor ist wichtig, dass die Umwelt mehr als Herz-Kreislauf-Risikofaktor anerkannt wird.
2) Hitze
- Die Weltgesundheitsorganisation WHO rechnet ab 2030 mit zusätzlich 250.000 Toten pro Jahr aufgrund von Hitze. So gibt es etwa "Schlaganfallwetter". Das erforscht Florian Rakers am Uniklinikum Jena: Wenn die Temperatur schwankt und um 2,9 Grad sinkt, sei das Risiko für einen Schlaganfall um 30 Prozent höher. Die Gefäße ziehen sich dann zusammen, um Wärme zu speichern. Das Herz schlägt unrhythmisch, Blutgerinnsel bilden sich und werden ins Gehirn gespült.
- Rakers sagt über seine Forschung zum Einfluss von Wetter auf die Gesundheit: "Was wir festgestellt haben ist, dass Extremwetterlagen Schlaganfälle begünstigen. Und diese Extremwetterlagen werden mit dem Klimawandel in Zukunft zunehmen."
3) UV-Strahlung
- 290.000 Menschen in Deutschland sind von Hautkrebs betroffen, davon haben 36.000 ein malignes Melanom, den gefährlichen "schwarzen Hautkrebs". Das Risiko in Deutschland im Laufe des Lebens ein Melanom zu entwickeln, liegt bei 1:500.
- Aber: Alle 10-15 Jahre verdoppelt sich Zahl der Neuerkrankungen nach Angaben der Deutschen Krebshilfe. Der Dermatologe Professor Peter Elsner sagt: "Wenn wir völlig ungeschützt in den Klimawandel hineinlaufen und uns in keiner Weise kümmern, dann ist wirklich zu befürchten, dass wir eine zunehmende Zahl von Hautkrebserkrankungen haben werden."
- Ein großer Teil sei aber einfach durch Schutzmaßnahmen, durch Verhaltensmaßnahmen auch im Griff zu halten."
4) Bakterien und Pflanzen
- Wegen immer höheren Wassertemperaturen gerät in der Ostsee die natürliche Bakterienflora aus dem Gleichgewicht. Die Infektionsgefahr steigt, etwa mit Vibrionen. Diese Art von Bakterien kann sich in wärmeren Wasser schneller verbreiten.
- Außerdem begünstigen höhere Temperaturen, dass sich invasive Arten ansiedeln, wie die Fischart Grundel – die wiederum Träger von Vibrionen ist.
- Im Gegensatz zu generell wärmeren Gewässern wie dem Mittelmeer hat die Ostsee einen vergleichsweise geringen Salzgehalt. Das gefällt Vibrionen besonders gut.
- Der Mikrobiologie Professor Matthias Labrenz erklärt, wie gefährlich die Vibrionen-Art "Vibrio vulnificus" ist: "Etwa 50 Prozent der Menschen, die sich mit Vibrio vulnificus infizieren und immungeschwächt sind, sterben auch tatsächlich." Die Krankheitsverläufe seien oft schwer, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt werden. Es komme zu schweren Wundinfektionen, Sepsis und gegebenenfalls multiplem Organversagen.
Der Film: Krank vor Hitze?
Wenn "Emma" heute geboren wird – wie wird das Klima ihre Gesundheit beeinflussen? Sie wird Feinstaub einatmen, wird viel rausgehen, weil es zu warm ist. Dabei setzt sie sich häufig UV-Strahlung aus. "Emma" ist ein fiktives Kind, das in dieser Welt aufwächst. Wissenschaftler erklären, wie das Klima sich auf "Emmas" Gesundheit auswirkt.
Im Harz sterben die Bäume
Wer den Harz kennt, kennt "Brocken"-Benno Schmidt. Fast täglich geht er auf den Brocken. Nahezu 9.000 Mal war er schon auf dem Gipfel. Aber eben nur nahezu. Die 9.000 ist sein Ziel für den 90. Geburtstag, den er im März 2022 feiert.
Er sagt: "Ich bin hier früher im dunklen Wald gegangen, rechts und links hohe Bäume. Heute habe ich Sonne und schöne Fernsicht." Schmidt bleibt optimistisch.
Waldbesitzer und Menschen aus der Region sind es weniger: Trockenheit und Borkenkäfer machen den Wald kaputt. Der Nationalpark will die Natur Natur sein lassen und das nachwachsen lassen, was nachwächst. Ebereschen zum Beispiel.
Wo die Bäume sterben und der Waldboden viel Licht abbekommt, bedeutet das auch Stress für alles, was unterhalb der Bäume kreucht und fleucht. Für viele Tiere und Pflanzen wird es zu warm. Die Bedingungen sind nicht mehr ideal, wenn ein Organismus die feuchte Kühle braucht, die dichte Baumkronen im Wald bereitstellen könnten. Die Flora und Fauna verändert sich. Das haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer Studie herausgefunden. Als Lösungsansatz schlagen sie unter anderem vor, die Flächen mit neuen Baumarten zu besetzen – etwa solchen, die besser im offenen Land zurechtkommen. Eichen sind ein Beispiel. Fichten – die einen großen Teil des Harzwaldes ausmachen – seien hingegen eher klimaempfindlich.
Fichten können zum Beispiel bei Trockenheit nicht genug Harz produzieren. Das Harz schützt sie aber vor Borkenkäfern. Und wenn die Borkenkäfer kommen, fressen sie sich durchs Holz. Wasser aus dem Boden kann dann nicht mehr weit in der Pflanze aufsteigen, um alle Teile zu versorgen.
Aber: Fichten sind von Natur aus auch gar nicht so stark im Harz verbreitet. Sie wurden von Menschen zur Aufforstung gepflanzt, um nach Rodungen für den Bergbau wieder Wald zu schaffen. Sie würden in höheren Lagen wachsen, in Richtung Flachland wären aber viel mehr Buchen heimisch.
Mehr dazu, warum der Harzwald so geschädigt ist, erfahren Sie im #MDRklärt-Video.
Exotische Früchte aus der Region
Das klingt erstmal komisch. Wer klimabewusst und nachhaltig leben will, greift zu Obst und Gemüse, das aus der Region stammt. Wer in Mitteldeutschland aufgewachsen ist, hat als Kind vielleicht Birnen, Äpfel und Kirschen direkt vom Baum genascht. Oder Erbsen und Rhabarber im Garten wachsen sehen.
Aber sicher keine Papaya, Bananen – oder Wassermelonen. Die müssen eingeflogen werden, damit wir sie im Supermarkt kaufen können. Ganz schlecht für den ökologischen Fußabdruck, unter anderem wegen des Flugzeugtreibstoffs und der Plastikverpackung. In Dresden hat ein Obstbauer nun erfolgreich Wassermelonen angebaut und geerntet. Es ist ironisch: Der Klimawandel führt dazu, dass Florian Lassig und Kollegen exotische Früchte aus regionalem und saisonalem Anbau anbieten können. Ohne lange Transportwege.
Übrigens: Auch auf Lebensmittelknappheit wirft "The Lancet Countdown" einen Blick neben den klimawandel-bedingten Risiken für uns Menschen. Daten zeigen, dass Erntepotenziale für zahlreiche Grundnahrungsmittel wie Mais, Winterweizen, Soja und Reis immer weiter abnehmen.
Zum Schluss
Falls Sie sich nun selbst ein Bild machen wollen und in den Harz aufbrechen, werden Sie vielleicht auf diese große orange Acht oder ihre Zwillingsschwester stoßen. Sie ist eine Art permanentes Demo-Schild, das sagt "Der Wald ist Klimaschützer." Die Macher fordern, dass die Klimaschutzleistung, die der Wald leistet (und die die ihn pflegen), auch einen Preis bekommt. Wo die Schilder stehen und warum es gerade die Acht ist, erfahren Sie bei #MDRklärt auf Instagram.
In einer Woche ist Clemens Haug mit einer neuen Ausgabe des MDR-Klima-Updates für Sie da.
Mit freundlichen Grüßen
Julia Heundorf
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 17. August 2021 | 19:00 Uhr
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