MDR KLIMA-UPDATE | 20. Mai 2022 Mehr E-Mobilität, weniger Abgase: Kann die Verkehrswende gelingen?
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20. Mai 2022, 11:00 Uhr
Elektroautos sind die Zukunft. Und obwohl die Neuzulassungen steigen, kann sich nur ein Viertel der Bevölkerung vorstellen, als nächstes in ein E-Auto zu investieren. Doch wie steht es allgemein um die Verkehrssituation in Deutschland? Mehr dazu in diesem Update.
Liebe Lesende,
wie kommen Sie jeden Tag auf Arbeit? Machen Sie es wie die Mehrheit der Deutschen und nutzen das eigene Auto? Oder steigen Sie doch ab und an mal aufs Fahrrad? Die Corona-Pandemie zumindest hat die Verkehrsmittelnutzung in Deutschland verändert. Spoiler: nicht unbedingt zum Positiven.
Um den Verkehr in Richtung Klimaneutralität zu bewegen, ist im Land noch einiges zu tun. Es mangelt sowohl an den Strukturen als auch am eigentlichen Handlungswillen der Menschen. Das zeigen zumindest die Ergebnisse einer aktuellen Mobilitätsstudie, die ich mir gleich für Sie genauer anschauen möchte.
Und sprechen wir über Verkehr, dann führt diese Woche auch kein Weg am Weltverkehrsforum vorbei, das seit Mittwoch in Leipzig stattfindet. Die wichtigste Veranstaltung zur globalen Verkehrspolitik ist gleichzeitig die größte weltweite Zusammenkunft von Verkehrsministern und -ministerinnen. Hier werden Innovationen vorgestellt und gemeinsam nach Lösung gesucht. Was das konkret heißt, erzähle ich Ihnen ebenfalls im heutigen Update.
[#] Zahl der Woche
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… Autos mit Elektromotor wurden von Januar bis April 2022 bereits zugelassen. 105.847 davon komplett elektrisch. Das geht aus den aktuellen Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts hervor. Fast jeder vierte neue Pkw fährt also elektrisch, denn insgesamt wurde 806.218 in diesem Zeitraum zugelassen. Der Trend zeigt: Während die Zahl der E-Autos im Vergleich zu 2021 gestiegen ist, bei den Pkw mit reinem E-Antrieb sogar um 31 Prozent, ist die Zahl der zugelassenen Verbrenner um über 80.000 deutlich gesunken. Im Vergleich mit anderen Ländern ist Deutschland damit aktuell Spitzenreiter, wie eine Erhebung des Europäischen Automobilherstellerverbands zeigt. Zu Beginn des Jahres waren insgesamt rund 618.500 E-Autos zugelassen. Doch um den Verkehr komplett auf nachhaltige Energieträger umzustellen, steigen die Zahlen immer noch zu langsam.
So steht es um die Verkehrssituation in Deutschland
Reichweitenangst und Ladesäulenmangel bremsen die E-Mobilität in Deutschland aus. Das sind zwei Ergebnisse der TÜV Mobility Studie 2022. Die repräsentative Erhebung bietet einige spannenden Erkenntnisse zum aktuellen Verkehrsgeschehen in Deutschland.
So hat die Corona-Pandemie die Stellung des Autos als wichtigstes Verkehrsmittel noch verstärkt. 72 Prozent der Deutschen nutzen an einem gewöhnlichen Werktag ihr Auto – 7 Prozent mehr als zwei Jahre zuvor. Immerhin 32 Prozent der Befragten fahren werktags Fahrrad. Der ÖPNV landet mit einem Nutzungsanteil von 25 Prozent nur noch auf dem dritten Platz. Viele Menschen hätten Bus und Bahn aus Sorge vor Ansteckungen gemieden, so Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands. Gut für die Gesundheit, schlecht fürs Klima.
Das heißt allerdings nicht, dass sich die Menschen keinen guten ÖPNV wünschen. Denn hier steckt ein weiteres Defizit in Deutschland. Besonders in den ländlichen Regionen kommt man ohne Auto selten weit. 80 Prozent der Befragten fordern deshalb einen beschleunigten Ausbau des ÖPNV, fast genauso viele wünschen sich zudem, dass Bus und Bahn kostenlos genutzt werden dürfen.
Nicht komplett kostenlos, aber immerhin sehr günstig, können wir ja zumindest schon einmal in den kommenden drei Monaten fahren. Was das 9-Euro-Ticket der Umwelt wirklich bringt, können Sie noch einmal im Klima-Update meines Kollegen Clemens Haug nachlesen.
Jede vierte Person in Deutschland kann sich den Daten zufolge zudem vorstellen, dass das nächste Auto ein Elektroauto wird. Etwa die Hälfte hält das allerdings für unwahrscheinlich. Die aktuell hohen Verkaufszahlen dürfen uns deshalb nicht täuschen. Im Vergleich zur letzten Befragung vor zwei Jahren habe sich an dem Bedenken der Autofahrenden nämlich kaum etwas geändert, meint Joachim Bühler. Grund dafür seien auch Informationsdefizite. Viele Befragte zweifeln, ob E-Autos tatsächlich nachhaltig und ökologisch sind. Auch der hohe Kaufpreis und lange Ladezeiten werden als Probleme genannt.
Aktuelle Pläne der EU zur Elektromobilität
Ohne Elektromobilität können die Klimaziele kaum erreicht werden. Viele Länder und Unternehmen haben sich bei der Weltklimakonferenz im November dazu bekannt, bis spätestens 2040 auf emissionsfreie Autos umzusteigen. Deutschland hat damals nicht unterzeichnet. Innerhalb der EU-Kommission gibt es nun aber konkrete Pläne, ab 2035 keine Neuwagen mit Verbrennern zuzulassen. Deutschland würde diese Vorhaben unterstützen, teilte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Die Grünen) mit. EU-Staaten sollen zudem verpflichtet werden, das Netz an Ladesäulen weiter auszubauen. Im Juni wird das Europaparlament entscheiden, wie es mit diesem Vorschlag weitergeht. Mit harten Verhandlungen und auch Verzögerungen in der Entscheidung ist aber sicherlich zu rechnen.
Darum geht’s auf dem Weltverkehrsforum
Entscheidungen vorbereitet werden diese Woche auch auf dem Weltverkehrsforum in Leipzig, das seit Mittwoch stattfindet. Hier geht es vor allem darum, wie sich Logistik- und Transportunternehmen in Zukunft besser aufstellen und organisieren können. Die teilnehmenden Akteure aus Politik und Wirtschaft erfahren, wie andere Länder ähnliche Probleme angehen und können daraus lernen. "Als Logistiker arbeiten wir täglich daran, trotz angespannter Lieferketten und steigender Energiekosten Wirtschaftsverkehre aufrechtzuerhalten. Parallel befinden wir uns mitten in einem Transformationsprozess, unsere Flotten gemäß den Klimazielen aufzustellen. Das ist eine extrem anspruchsvolle Aufgabe und die Implementierung von Lösungen ist wichtiger denn je", sagte Toralf Weiße, Vorstandsvorsitzender im Netzwerk Logistik Mitteldeutschland, im Vorfeld der Veranstaltung.
Verschiedene Unternehmen zeigen deshalb neue Technologien. So präsentieren die Leipziger Verkehrsbetriebe das Innovationsprojekt "Absolut", mit dem die Entwicklung von automatisierten Shuttles für den ÖPNV vorangetrieben wird. Seit Anfang dieses Jahres wird die Fahrfunktion bereits im öffentlichen Straßenraum erprobt.
Was auf dem Weltverkehrsforum sonst noch wichtig war, haben die Kollegen von MDR AKTUELL zusammengefasst.
🗓 Klimatermine
21. Mai
Beim Erfurter Bürgerfest "Stadt im Wandel" präsentieren sich nachhaltige Initiativen mit einem bunten Programm. Veranstaltungsort ist der Klima-Pavillon auf dem Petersberg.
21. - 22. Mai
Auf dem Nicolaiplatz in Wernigerode findet am Wochenende das vierte "Ebike your life" Festival statt. Neben geführten Fahrradtouren erwarten die Besucher und Besucherinnen kostenfreie Schrauberworkshops und alle Infos rund ums Thema E-Bike.
22. Mai
Zum "Internationalen Tag der biologischen Vielfalt" wird auf die Bedeutung und den Verlust der Artenvielfalt aufmerksam gemacht. Die Stadt Leipzig lädt zusammen mit dem Botanischen Garten der Universität zu einer kostenlosen Jungpflanzenausgabe ein. Die erhältlichen Pflanzenarten werden so ausgewählt, dass sie möglichst vielen Insekten Nahrung und Lebensraum bieten.
23. Mai
Wie es gelingen kann, Menschen zum klimafreundlichen Handeln zu bewegen, zeigt ein Workshop der Hochschullernwerkstatt Erziehungswissenschaften in Halle.
25. Mai
"Klimawandel? - Gibt’s doch gar nicht!" Über die Gefahren von Wissenschaftsfeindlichkeit in Zeiten der Klimakrise diskutieren Experten und Expertinnen im Deutschen Nationaltheater Weimar.
📰 Klimaforschung und Menschheit
Dürreereignis zwischen 2018 und 2020 war das heftigste seit mehr als 250 Jahren
Verdorrte Wiesen, ausgetrocknete Bäche, zurückgefahrene Kraftwerke - die Dürrejahre 2018, 2019 und 2020 waren außergewöhnlich und hatten starke Auswirkungen auf Natur und Wirtschaft. Einem internationalen Team aus Forschenden, angeführt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig (UFZ), ist es nun gelungen, die historische Dimension einzuordnen. Demnach hat sich seit Mitte des 18. Jahrhunderts keine Dürre so großflächig über Europa ausgebreitet und fiel kein Temperaturanstieg während einer Dürreperiode so groß aus. Insgesamt waren 36 Prozent der Landfläche Europas betroffen, größtenteils Zentraleuropa. Das macht die Jahre 2018 bis 2020 zum neuen Vergleichsmaßstab für Dürren. Weil diese in Zukunft häufiger auftreten könnten, empfehlen die Forschenden nun dringend, geeignete, regional angepasste Maßnahmen gegen die Wasserknappheit zu entwickeln und umzusetzen. Die Studie ist im Fachmagazin Earth’s Future publiziert worden.
Schweden produziert nachhaltige Windradtürme aus Holz
Obwohl Windkraft die Umwelt schont, ist die Herstellung der Stahlanlagen noch lange nicht klimaneutral, auch Recycling und Entsorgung bleiben ein Problem. Eine Lösung dafür wird nun in Schweden erprobt. Hier werden Windradtürme aus Holz hergestellt. Eine Beschichtung sorgt für Langlebigkeit und Stabilität. "So ein Holzturm hat im Vergleich zu einem Stahlturm mehr als 100 Prozent weniger CO2-Emissionen, da der Kohlenstoff im Material gebunden wird", erklärt Otto Lundmann, CEO der schwedischen Firma Modvion im Interview mit Deutschlandfunk. Ersetze man einen 150 Meter hohen Stahlturm durch einen Holzturm, könnten insgesamt etwa 2.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Die Idee ist übrigens nicht neu. Bereits 2012 wurde eine solche Anlage in Deutschland gebaut. Bis zur Serienproduktion schaffte es das Projekt allerdings nicht, weil die nötigen Partner fehlten. Das ist in Schweden jetzt anders. Eine Absichtserklärung zwischen dem Energieriesen Vattenfall und Modvion ist bereits abgeschlossen.
Keine Zukunft für Atomkraft?
Seit Russlands Krieg gegen die Ukraine begonnen hat, steht die Frage im Raum, ob Atomkraft nicht doch die Lösung für die angespannte Energiesituation sein kann. Der Atomkraft-Experte und Herausgeber des "World Nuclear Industry State Reports", Mycle Schneider, hat dafür kein Verständnis. Im Interview mit n-tv erklärt er, es gebe einen tiefen Graben zwischen der Wahrnehmung des Atomsektors und der Realität. Die jährlichen Berichte zum Zustand der weltweiten Atomwirtschaft zeigten eindeutig, dass Atomkraft selbst in Frankreich keine sichere Stromversorgung mehr leisten könne. Viele der Reaktoren fielen aufgrund technischer Probleme und Sicherheitsmängel für unbestimmte Zeit aus. Druckwasserreaktoren der neuen Generation existieren bisher nur auf dem Papier. Genauso die SMR-Technologie für Minireaktoren.
📻 Klima in MDR und ARD
👋 Zum Schluss
Beim Thema E-Autos spielt natürlich auch die Versicherung eine wichtige Rolle. MDR Sachsen hat bei Stiftung Warentest nachgefragt und herausgefunden: Autofahrende sollten hier auf die Vollkasko setzen, da es sich bei Elektroautos in den meisten Fällen um Neuwagen handelt. Bei der Neupreisentschädigung, die greift, wenn das Auto in den ersten drei Jahren kaputt geht, sollten Verbraucher und Verbraucherinnen noch einmal genauer hinschauen. Bei einigen Versicherungsanbietern ist bei E-Autos auch die Batterie mitversichert, bei anderen nicht. Das ganze Gespräch können Sie hier nachhören.
Wenn Sie in den kommenden Wochen das Auto aber auch mal stehen lassen wollen, dann schauen Sie sich doch einmal diese Übersicht der schönsten Ausflugsziele in Mitteldeutschland an. Viele der Orte sind doch perfekt für eine Fahrrad-Tour, oder?
Einen guten Start ins Wochenende wünsche ich Ihnen!
Viele Grüße
Sarah-Maria Köpf
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Schreiben Sie uns an klima@mdr.de.