Klimawandel Entscheidende Abschwächung des Golfstroms hat möglicherweise schon begonnen

06. August 2021, 15:53 Uhr

Die Atlantische Umwälzströmung hat in den vergangenen Jahrzehnten wohl an Stabilität verloren. Da auch der Golfstrom ein Teil dieser Meeresbewegungen ist, könnte das schwerwiegende Konsequenzen für Europa und das Weltklima haben.

Golfstrom bei den Lofoten
Länder wie Norwegen (hier die Lofoten) profitieren bisher noch sehr stark vom Golfstrom. Bildrechte: imago/Panthermedia

Die sogenannte atlantische Umwälzströmung (Fachausdruck "Atlantic Meridional Overturning Circulation", kurz AMOC), zu der auch der das Wetter in Europa bestimmende Golfstrom gehört, steht offenbar kurz davor, grundlegend an Schwung zu verlieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), die jetzt im Fachmagazin "Nature Climate Change" erschienen ist. Daten aus der Erdgeschichte zeigen demnach, dass die Strömung neben dem aktuell noch vorherrschenden starken Modus auch einen schwachen Modus einnehmen kann. Dabei sei ein relativ abrupter Übergang von dem einen Zustand in den anderen möglich. Da die atlantische Umwälzströmung zu den zentralen Antreibern des Weltklimas gehört, sind die Folgen einer Veränderung der Strömungsstärke enorm und kaum eingrenzbar.

Einfache Darstellung des Golfstroms mit warmem Wassertransport von Nordamerika bis Europa und kühlem Wasser zurück Richtung Nord- und Südamerika. USA-Westküste mit starker Erwärmung seit 1870 und Bereich südlich von Grönland mit Abkühlung.
Beobachtete Temperaturänderungen im Golfstrom seit 1870. Bildrechte: PIK

Kritischer Schwellenwert des Golfstromzusammenbruchs bereits erreicht?

Schon vorangegangene Studien hätten gezeigt, dass die AMOC derzeit so schwach sei wie nie in den vergangenen 1.000 Jahren, heißt es in einer Mitteilung des PIK. Zentral für das Phänomen sei das Abschmelzen der Eismassen in Grönland in im Nordpolarmeer. Dadurch flössen enorme Mengen Süßwasser in den Ozean und verringerten den Salzgehalt in den oberen Wasserschichten. Da Süßwasser aber weniger Gewicht habe als Salzwasser, sinken die Wassermassen in Polarnähe nicht mehr so stark wie früher Richtung Meeresgrund.

Dieses Absinken ist aber eine zentrale Pumpe der Umwälzströmung. Von dort strömen die Wassermassen eigentlich dann am Grund in Richtung Äquator, wo sie durch Sonneneinstrahlung wieder erwärmt werden, aufsteigen und als Golfstrom wieder nach Norden geführt werden.

Der Forscher Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Bildrechte: PIK/Karkow

Offen ist nun die Frage, ob die aktuelle Abschwächung lediglich eine Änderung der mittleren Zirkulationsdynamik darstelle, oder ob die Strömung ihre grundsätzliche Stabilität verlieren. "Der Unterschied ist entscheidend", sagt Niklas Boers, "denn eine Verringerung der dynamischen Stabilität würde bedeuten, dass sich die AMOC ihrer kritischen Schwelle genähert hat, jenseits derer ein erheblicher und in der Praxis wahrscheinlich unumkehrbarer Übergang zum schwachen Zirkulationsmodus stattfinden könnte."

Modelle müssen an Beobachtungen angepasst werden

Zwar gibt es für die Vergangenheit vor über 150 Jahren keine längerfristigen Beobachtungsdaten zur Stärke der Atlantikströmung. Aber die Veränderungen ließen sich laut Boers in den Temperatur- und Salzgehaltsmustern der Meeresoberfläche des Atlantischen Ozeans ablesen, sogenannter Fingerabdrücke. "Eine detaillierte Analyse dieser Fingerabdrücke in acht unabhängigen Indizes deutet nun darauf hin, dass die Abschwächung der AMOC während des letzten Jahrhunderts in der Tat wahrscheinlich mit einem Stabilitätsverlust verbunden ist", sagt Boers. "Die Ergebnisse stützen die Einschätzung, dass der Rückgang der AMOC nicht nur eine Fluktuation oder eine lineare Reaktion auf steigende Temperaturen ist, sondern wahrscheinlich das Herannahen einer kritischen Schwelle bedeutet, jenseits derer das Zirkulationssystem zusammenbrechen könnte."

Da die Beobachtungsdaten drastischer ausfallen, als von den Rechenmodellen vorhergesagt, müssten nun die Modellannahmen überprüft werden, sagt Boers. "Wir müssen unsere Modelle dringend mit den vorliegenden Beobachtungen in Einklang bringen, um zu beurteilen, wie weit die AMOC tatsächlich noch vom kritischen Schwellwert entfernt ist." Zwar seien an dem Phänomen sehr viele Faktoren beteiligt, die von menschlichen Emissionen ausgelöste Erhitzung des Weltklimas gehöre aber mit Sicherheit dazu.

(ens/idw)

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