Hirnorschung aus Leipzig Kleinhirn speichert Daten wie eine mp3

14. Februar 2020, 14:29 Uhr

Wir tragen ja alle eigentlich eine ziemlich gute Festplatte mit uns rum: Unser Gehirn kann Unmengen an Daten speichern und weiterleiten. Wie es das macht, hat jetzt eine Wissenschaftlerin der Universität Leipzig herausgefunden. Zumindest für das Kleinhirn wissen wir jetzt: Es verarbeitet Daten wie eine mp3-Musikdatei.

Wie war das noch mit der mp3-Musikdatei? Wie schafft sie es, so viele Informationen zu speichern und trotzdem so klein zu bleiben? Vereinfacht gesagt: Sie lässt einen Teil der Musik weg. Höhen und Tiefen zum Beispiel, die wir ohnehin nicht hören würden, werden rausgelöscht. Dann ist auch die Datei kleiner.

Das funktioniert nur, weil das Stück erstmal komplett in seine Einzelteile zerlegt wird. Das macht ein Rechner anhand komplizierter mathematischer Formeln. Aber unser Gehirn kann das auch, genauer gesagt unser Kleinhirn, hat Isabelle Straub vom Institut für Physiologie an der Universität Leipzig herausgefunden. Um zu verstehen, wie es das macht, muss man sich erst mal anschauen, wofür das Kleinhirn zuständig ist:

Das Kleinhirn steuert vor allem die Motorik, die Koordination von komplexen Bewegungen. Das Kleinhirn bekommt die Informationen darüber, wo ist mein Bein, mein Arm im Raum, wo ist mein Kopf, bewege ich mich vorwärts, bewege ich mich langsam oder schnell. Das alles wird im Kleinhirn verarbeitet.

Isabelle Straub

Das sind eine Menge Informationen. Die kommen von unseren Sinnesorganen, also Auge, Tastsinn, Gehör und so weiter. Weitergeleitet werden diese Informationen durch unsere Nervenbahnen. Wie in einem Kabel wandern hier elektrische Impulse, und die haben, genau wie das Musikstück, alle unterschiedliche Frequenzen.

Wie kann man sich das konkret vorstellen?

Schmerz beispielsweise hat eine sehr hohe Frequenz, gemächliches Gehen dagegen eine niedrige. Und dieser Mix an Frequenzen landet ungefiltert bei unserem Kleinhirn. Dort trifft er sozusagen auf den mp3-Konvertierer: Die Körnerzellen.

Die Körnerzellen funktionieren wie ein Frequenzfilter. Das haben wir jetzt herausgefunden. Das heißt, diese Körnerzellen können aufgrund ihrer biophysikalischen Eigenschaft diese Frequenzen auffiltern.

Isabelle Straub, Uni Leipzig

Demnach schnappen sich also manche Körnerzellen die niedrigen Frequenzen. Kontinuierlich geben sie ans Kleinhirn weiter: Wir laufen. Ihre Kollegen, die Körnerzellen, die hohe Frequenzen verarbeiten, haben dann nicht viel zu tun. Außer es kommt auf einmal eine unerwartete Situation. Dann reagieren sie, und geben die Information blitzschnell weiter. Das Kleinhirn reagiert sofort. Isabelle Straub verdeutlicht das anhand von einem Beispiel:

Ich laufe eine Straße entlang und plötzlich kommt ein Schlagloch. Wenn ich es nicht sehe und reintrete, reagiert das Kleinhirn und versucht eine Ausgleichsbewegung auszulösen, damit ich nicht hinfalle. Das gelingt auch meistens.

Wenn man überlegt, wie oft man stolpert und wie wenig man auf die Nase fällt, können wir unserem Kleinhirn schon dankbar sein.

Isabelle Straub

Eines macht das Kleinhirn aber wahrscheinlich nicht, sagt Isabelle Straub. Es löscht keine Frequenzen, so wie das bei mp3-Musikdateien der Fall ist. Und vielleicht ist das ja auch gut so. Im Musikstück mag das ja vielleicht wenig stören, wenn etwas fehlt. Im Gehirn könnte das anders sein.

Link zur Studie

Die Studie ist unter dem Titel "Gradients in the mammalian cerebellar cortex enable Fourier-like transformation and improve storing capacity" in eLifescience erschienen.

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