Sars-CoV-2 Rettet uns die warme Jahreszeit vor Corona?
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12. April 2020, 10:00 Uhr
Mit dem April wird es warm in Mitteldeutschland, erstmals in diesem Jahr gibt es Temperaturen über 20 Grad. Bremsen Frühling und Sommer die Verbreitung des neuen Corona-Virus? Sicher sagen lässt sich das nicht, aber es gibt Hinweise.
Bei der Grippe ist die Sache klar: Wird es wärmer, nimmt die Zahl der Ansteckungen mit Influenzaviren regelmäßig ab. Aber wie verhält sich das bei dem neuartigen Corona-Virus? "Es wird sicherlich schon einen kleinen Effekt geben", meint Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité im NDR-Info-Podcast. So ließe sich nachweisen, dass die Häufigkeit von Viren, die bereits breit in der Bevölkerung vorkommen, mit steigenden Temperaturen abnehme.
Hierfür führt Drosten eine Vielzahl von Gründen an: Je mehr Menschen das Virus besiegt hätten, desto höher sei die Immunität der Bevölkerung. Weiterhin wirke sich aber auch der Sommer mit seinen Begleiteffekten negativ auf die Ausbreitung von Covid-19 aus. Menschen verbringen ihre Zeit wieder vermehrt draußen, dadurch steige die physische Distanzierung von ganz alleine. Anstatt sich in engen, mitunter schlecht gelüfteten Räumen aufzuhalten, schwingen sich die Menschen wieder aufs Rad oder gehen spazieren.
Natürliche Sommer-Effekte und ihr Einfluss auf Covid-19
Aber auch stärkeres UV-Licht, wärmere Temperaturen und Trockenheit hält Drosten für "nicht förderlich für die Virusübertragung" und damit für ein natürliches Mittel gegen das Virus. So seien bei der echten Grippe die Wechselwirkungen der "Sommereffekte" und der Bevölkerungsimmunität so stark, dass es im Sommer zum Stopp der Virusübertragung kommt.
Auch der Virologe Oliver Keppler vom Max von Pettenkofer-Institut in München pflichtet Drosten bei. Frühere Corona-Viren seien hauptsächlich zwischen Herbst und Mai aktiv gewesen: "19 von 20 anderen respiratorischen Viren haben diese Rhythmik." Er hofft daher auf eine deutliche Verminderung.
Drosten dagegen ist hier weniger optimistisch und meint, dass Covid-19 nicht vollständig gestoppt werden könne, "aber durchaus ein bisschen". Eine halbe Einheit des R0-Wertes, also des Basisreproduktionswertes, könne durch "Sommereffekte" abgezogen werden. Der Wert gibt die Anzahl der Menschen an, die eine infektiöse Person durchschnittlich ansteckt. Allerdings sei dieser trotzdem über eins, sodass man laut Drosten "noch andere Sachen zusätzlich machen muss": Beispielsweise Großveranstaltungen absagen, Schulen geschlossen lassen, aber auch die Abstandsregel konsequent einhalten.
Die Struktur des Virus
Covid-19 gehört zu den sogenannten behüllten Viren. Das bedeutet, dass das Erbgut des Virus von einer Lipid-Doppelmembran umgeben ist. Aus dieser stechen Proteine hervor, die dem Virus seinen Namen geben, denn das Wort "Corona" ist lateinisch und bedeutet übersetzt "Krone". Viele der sogenannten behüllten Viren sind hitzeempfindlicher als unbehüllte Viren.
Warum das so ist, lässt sich mit dem Vergleich von Butter in einer Bratpfanne illustrieren: Ist die Butter noch kalt, ist sie besonders hart. Mit steigender Wärme wird sie jedoch flüssiger. Beim Sars-Corona-2-Virus kann die Fetthülle durch höhere Temperaturen beschädigt werden. Allerdings überlebt Sars-CoV-2 problemlos auf der Haut, bei Temperaturen zwischen 36,5 und 37 Grad Celsius.
Wer beim Händewaschen also sicher gehen will, muss Seife nutzen. Die fettlösenden Tenside oder Alkohole beschädigen die Hülle ebenfalls und können damit das Virus aufhalten.
Die Lehren aus der Vergangenheit
Bereits vor zehn Jahren hatte sich Kate Templeton vom Centre for Infectious Diseases der Universität Edinburgh in Schottland mit vier verschiedenen Corona-Viren beschäftigt. Sie stellte damals fest, dass Corona-Viren im Allgemeinen in den Wintermonaten auftauchen und im Sommer kaum oder gar keine Rolle mehr spielten. Allerdings gab es eine Ausnahme: Das Corona-Virus HCoV-229E zeigte sich sporadischer, trat aber auch in den Sommermonaten auf. Hauptsächlich infiziert gewesen seien ältere, immunschwache Menschen, schreibt die Forscherin.
Welchem Verbreitungsschema Sars-CoV-2 folgt, ist noch unklar. Uneins ist sich die Wissenschaft darüber, ob kaltes Wetter das menschliche Immunsystem stärkt oder schwächt. Ebenso verhält es sich mit dem Einfluss von Vitamin D. Dieses bildet der Körper durch Sonnenstrahlung selbst. Aber ob es Einfluss auf die Gefährdung durch Lungenkrankheiten hat, ist bei Wissenschaftlern umstritten.
Schwierige Datenlage erschwert Vorhersagen
Marc Lipsitch ist Epidemiologe an der Harvard Universität. Er sagt, dass der Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf Corona-Viren unbekannt ist. Eine Vergleichbarkeit von vorliegenden Daten aus Asien für Nordamerika und damit auch Europa ist für ihn schlichtweg nicht gegeben: "Wir wissen es einfach nicht." Die geringe Datenlage ist immer wieder der springende Punkt, warum es schwer vorherzusagen ist, wie sich steigende Temperaturen auf das Virus auswirken.
Auch sind äußere Einflüsse eben nur einer von vielen Faktoren, die sich auf die Vitalität des Virus auswirken. Dennoch ist Lipsitch vorsichtig optimistisch: "Wir haben Grund anzunehmen, dass es sich effizienter im Winter als im Sommer ausbreitet." Grund für den moderaten Abschwung könnten seiner Ansicht nach allerdings auch die Schulferien sein. Einigkeit herrscht in der Wissenschaft einzig und allein darüber, dass allein die Sommer-Effekte, ganz gleich wie stark oder schwach sie sind, die Lungenkrankheit Covid-19 nicht stoppen können.
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