Alternative Heilmethode Hypnoseforschung: "Ich kenne keine Manipulation am Gehirn, die so stark ist."

09. Juni 2020, 10:54 Uhr

Wenn andere Methoden scheitern oder unerwünschte Nebenwirkungen verursachen, erscheint Hypnose als eine gute Alternative: bei der Raucherentwöhnung, in der Schmerztherapie. Hilft sie wirklich? Und was passiert in unserem Gehirn, während wir in Trance sind?

Mit Hypnose wird in vielen Kulturen weltweit seit fast 4.000 Jahren geheilt - durch Bewusstseinsveränderung und Trancezustände, wie sie auch in der Meditation, im Yoga und von den japanischen Ninja-Kriegern praktiziert werden. Im 17. Jahrhundert entdeckte der Wiener Arzt Franz Anton Messner die uralte Technik wieder, nannte sie "magnetisches Heilen" oder "tierischen Animalismus". Der Begriff "Hypnose" wurde erstmals 1843 von James Braid verwendet. Bis zur Einführung von Lachgas als Narkosemittel war sie eine der wenigen Möglichkeiten zur Schmerzbetäubung bei Operationen. Und sie galt auch als einzige Form der Psychotherapie, bis Sigmund Freud die Psychoanalyse entwickelte. Heute erlebt die alte Heilkunst als Hypnotherapie eine Renaissance. Allerdings kaum noch mit Pendel, weiß Psychologie-Professor Dirk Revenstorf von der Universität Tübingen:

Es geht darum, die Aufmerksamkeit des Patienten zu fokussieren. Da reicht es, den Finger hinzuhalten oder einen Bleistift und sich genau beschreiben zu lassen, was die Person sieht.

Dirk Revenstorf, Psychologe

Dirk Revenstorf wendet Hypnose in seinem Institut zur Verbesserung der Lebensqualität an - in vielen Bereichen:

  • Schmerzbehandlung wie Migräne, Rückenschmerzen oder bei der Geburtsvorbereitung

  • Raucherentwöhnung

  • Linderung von Traumata und Ängsten vor bestimmten Objekten, aber auch allgemeiner Ängste wie die vor Unwohlsein, Krankheit, Alter, Höhe

  • Linderung von Depressionen

So funktioniert Hypnose

Die Grundvoraussetzung ist, dass der Patient mit der Behandlung einverstanden ist. Er muss sich auf die Hypnose einlassen, dem Hypnotiseur vertrauen und die Selbstkontrolle abgeben. Der Therapeut lenkt die Aufmerksamkeit des Patienten auf einen bestimmten Punkt und führt ihn von seinem rationalen Alltagsdenken weg.

Zurück bleibt ein Zustand, der dem eines Kindes ähnelt: zwischen Fantasiewelt und Traum. Das rationelle, vernünftige Denken tritt in den Hintergrund, ein neuer kreativer Lösungsweg wird frei.

Dirk Revenstorf

Durch die Hypnose werden die Instanzen im Gehirn, die für das Ich-Bewusstsein und für die Alltagsvernunft zuständig sind, sozusagen heruntergefahren. Es spielt dann keine Rolle mehr, was man kann, was man darf und wie andere darüber denken.

Jeder kann jederzeit aus der Trance aussteigen

Wer sehr stark selbstkontrolliert ist, kann sich schwer oder gar nicht auf Hypnose einlassen - ganz im Gegensatz zu den Menschen, die zum Beispiel beim Lesen oder im Kino schnell in eine Fantasiewelt eintauchen und darüber schon mal die Zeit vergessen. Doch selbst diejenigen verlieren während der Hypnose nie komplett die Kontrolle und können jederzeit aus der Trance aussteigen. Was ist dann aber mit den scheinbar willenlosen Probanden von Hypnoseshows? Alles inszeniert? Nicht nötig, sagt Dirk Revenstorf. Denn jeder von uns gibt auch gern mal die Verantwortung ab - der eine mehr, der andere weniger.

Es kommt uns entgegen, sich mal fallen zu lassen und destruktiv, obszön und kindisch zu sein.

Dirk Revenstorf, Psychologe

Hypnose ist auf dem EEG zu sehen

Was genau in unserem Gehirn während der Hypnose passiert, ist gar nicht so einfach zu beantworten. An der Universität Jena hat eine Forschungsgruppe eine Studienreihe dazu durchgeführt und untersucht, wie sich die Reizverarbeitung unter Hypnose verändert. Dazu setzte man Probanden vor einen Bildschirm, auf dem gelbe Dreiecke, rote Kreise und blaue Quadrate durchliefen. Die Testpersonen sollten dann die blauen Quadrate zählen. Über ein EEG maßen die Forscher die Gehirnreaktionen.

Dann versetzte man die selben Probanden in eine hypnotische Trance und suggerierte ihnen, dass sie ein Brett vor den Augen haben. Die Ergebnisse waren im EEG eindeutig zu sehen, denn es zeigte ja immer auch: Wie arbeitet das Gehirn wann und wie schnell. Für Versuchsleiterin Dr. Barbara Schmidt lässt das eindeutige Schlüsse auf die Wirkung von Hypnose zu: das blaue Quadrat wird mit oder ohne Hypnose erkannt. Doch das visuelle "Brett vor dem Kopf", also die Suggestion, dass man nichts sehen kann, sorgt für eine deutlich zeitverzögerte Reaktion.

Ich kenne keine Manipulation am Gehirn, die so stark ist. Ich habe solche Effekte noch nie vorher gesehen.

Barbara Schmidt, Psychologin

Die Hypnose hatte den Probanden quasi Blindheit suggeriert. Das EEG zeigte: Das Gehirn nahm zwar einen Sehreiz auf, leitete ihn aber wesentlich langsamer weiter als ohne Hypnose. Ähnliche Effekte zeigten sich auch bei akustischen und Schmerzreizen.

Ausnahmezustand ist natürliche Trance

Gerade arbeitet Barbara Schmidt auf einer Intensivstation. Dort, so sagt sie, befänden sich die meisten Menschen ohnehin schon in einer Art Ausnahmezustand, den man nutzen könnte, um ihnen die Situation zu erleichtern. Künstlich beatmeten Patienten wird zum Beispiel suggeriert, dass sie die Beatmung besser annehmen.

In einer Situation, die große Angst und Stress verursacht, ist man in einer Art natürlicher Trance - und das ist ein Zustand, den wir für eine erfolgreiche Hypnose gut nutzen können.

Barbara Schmidt, Studienleiterin

Trotz ihrer vielseitigen Anwendbarkeit und belegten Wirkung ist die Hypnose sowohl in der Medizin als auch in der Psychotherapie immer noch eine Randerscheinung. Denn Therapieverfahren wie die Tiefenpsychologie, Psychoanalyse und Verhaltenstherapie sind an den Kliniken sehr gut etabliert und vernetzt und werden von den Krankenkassen bezahlt - die Hypnose nicht. Forschungen wie die an der Universität Jena belegen jedoch die Wirkung der Hypnose wissenschaftlich und zeigen, wie sie funktioniert und dass sie kein Humbug ist!

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