Klimawandel Hyalomma-Jagdzecke: Könnte auch in Deutschland Krim-Kongo-Fieber übertragen
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22. Juni 2023, 11:34 Uhr
Hyalomma-Zecken sind nahezu so groß wie kleine Spinnen und verfolgen ihre Opfer. Die aus den Tropen nach Südeuropa eingeschleppten Tiere können das Krim-Kongo-Fieber übertragen, dass zu tödlichen Blutungen führen kann.
Die Hyalomma-Zecke mag es heiß und trocken. Deswegen gefällt der ursprünglich aus den Tropen stammenden Zecken-Art das Klima im Süden Europas immer besser. Denn durch die globale Erwärmung können die fast spinnengroßen Tiere das ganze Jahr überleben. Gefährlich ist das, weil die Hyalomma-Zecke das Krim-Kongo-Fieber übertragen kann, ein Virus, das schon viele schwer erkrankte Patienten umgebracht hat.
Hämorrhagisches Fieber: Virus kann zu starken Blutungen führen
Das CCHF-Virus, so die Abkürzung, kann ein sogenanntes hämorrhagisches Fieber auslösen, bei dem es zu starken Blutungen kommt. Vier Menschen sind daran in den vergangenen Jahren in Spanien gestorben. Auch auf dem Balkan hat es bereits einige Menschenleben gefordert. Sein Wirt, die Hyalomma-Zecke, dürfte aber inzwischen auch in den übrigen Ländern Südeuropas verbreitet sein. Wahrscheinlich würden viele Fälle nicht erkannt und erfasst, schätzt Professor Martin Groschup. "Wo keine Fälle gemeldet werden, sollte die Surveillance verbessert werden. Wahrscheinlich liegt massives Underreporting vor."
Der Tierarzt ist Laborleiter am Friedrich-Löffler-Institut für Tiergesundheit und erforscht das Virus seit einigen Jahren. Bisher sei der 50. Breitengrad, der durch Süddeutschland verläuft, die Grenze für die Verbreitung gewesen. "Aber es wird immer wärmer bei uns und dadurch ändern sich auch die Lebensbedingungen für Hyalomma, die sich bei einer Einschleppung auch irgendwann festsetzen kann", sagt Groschup.
In der Türkei ist die Hyalomma-Zecke bereits heimisch
Schon in den Jahren 2018 und 2019 wurden einige Exemplare der Jagdzecke in Deutschland entdeckt, vermutlich eingeschleppt durch Zugvögel. Jagdzecke werden die Tiere genannt, weil sie anders als die heimischen Zecken nicht passiv auf Grashalmen oder im Gebüsch auf ihre Opfer warten. Sondern sie krabbeln ihrer Blutmahlzeit aktiv hinterher. "Die rennt Ihnen hinterher und kommt zu Ihnen", sagt Groschup, der beim Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin in Leipzig Videoaufnahmen gezeigt hat, bei denen einzelne Zecken den Forschenden über Beine und Arme krabbeln.
In der Türkei, wo die Zecke sich fest etabliert hat, gab es ums Jahr 2010 einen regelrechten Peak von CCHFV-Infektionen mit über 1.300 Fällen pro Jahr, die in Kliniken behandelt wurden. Bis zu fünf Prozent dieser Patienten starben. Antikörperuntersuchungen wiederum zeigten, dass in einigen ländlichen Regionen der Türkei bis zu zehn Prozent der Bevölkerung Antikörper gegen das Virus tragen. "Das sind Millionen Infektionen", schätzt Forscher Groschup.
Krim-Kongo-Virus gilt als sehr gefährlich
Die Zahlen zeigen aber auch, dass viele Menschen von einer Ansteckung wahrscheinlich kaum etwas spüren. Auch bei 60 bis 70 Prozent derjenigen, die erkranken, heilt die Infektion nach einiger Zeit von selbst wieder aus. Ungünstig sei allerdings, wenn die Virusmengen bereits zu Beginn der Infektion sehr hoch sind. Daher ist wichtig, dass die Ärzte eine Infektion rechtzeitig erkennen.
Das Friedrich-Löffler-Insitut hat hierfür einen Multiplex-PCR Test entwickelt, der zahlreiche verschiedene Stämme des Virus erkennen kann. Aber auch ein 2009 bereit gestellter Test sei immer noch relativ zuverlässig. Zudem könnte eine Infektion nach einiger Zeit auch anhand der Antikörper gegen die Viren festgestellt werden.
In Deutschland gefundene Hyalomma-Zecken bislang ohne Krim-Kongo-Fieber
Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim bei Stuttgart hat bis Ende 2021 Hyalomma-Zecken untersucht, die in Deutschland gefunden wurden. CCHF-Viren konnten die Forschenden in diesen Tieren nicht zwar nachweisen. "Aber mehr als 30 Prozent der Zecken waren mit "Rickettsia aeschlimannii" infiziert, einem der Erreger des Zecken-Fleckfiebers", sagt die Wissenschaftlerin. Auch das Fleckfieber kann zu einem sehr schmerzvollen Infekt führen, lässt sich aber mit Antibiotika behandeln. In Zukunft sei es allerdings möglich, dass die Hyalomma-Zecken auch das Krim-Kongo-Fieber in Deutschland übertragen könnten.
Ob sich die Zecke in Deutschland dauerhaft einrichten könne, sei noch schwer abzusehen, sagt Mackenstedt. "Wenn wir hohe Temperaturen haben und dies verbunden ist mit langen Trockenperioden, dann können sich die Hyalomma Nymphen, die sich vollgesogen beispielsweise Zugvögeln abfallen lassen, zu adulten Zecken häuten." Bleibe es dagegen regnerisch und kühler, erreichten nur wenige Zecken das Erwachsenen-Stadium. "Es hängt auch nicht nur von den klimatischen Daten ab, sondern auch von der Anzahl an Hyalomma Zecken, die nach Deutschland kommen. Es müssen Männchen und Weibchen dabei sein, damit sich überhaupt eine Population bilden kann", erklärt die Parasitologin.
Impfstoffe gegen Krim-Kongo-Fieber in der Entwicklung
Langfristig könnte eine Impfung vor dem CCHF-Virus schützen. Doch bislang befinden sich Impfstoffkandidaten noch in Tests in den klinischen Phases 1 bis 2. Daher werde die Entwicklung wohl noch einige Jahre dauern, schätzt Martin Groschup.
Hilfreich wäre die Impfung. Denn auch wenn die Fallzahlen noch vergleichsweise gering sind, das Krim-Kongo-Fieber-Virus ist das einzige Virus der hochpatogenen Stufe 4 in Europa. Damit steht es auf einer Stufe mit Erregern wie Ebola. Im Gegensatz zu Ebola ist das Krim-Kongo-Fieber allerdings nicht von Mensch zu Mensch übertragbar.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | Der schönste Morgen | 16. Juni 2023 | 08:15 Uhr
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