Citizen Science Hobbyastronomen entdecken neues Polarlichtphänomen
Hauptinhalt
31. Januar 2020, 09:37 Uhr
Mit Hilfe zahlreicher Fotografien und Beobachtungsdaten von Hobbyastronomen haben finnische Wissenschaftler jetzt ein neues Polarlichtphänomen beschrieben. Das findet in einer kaum erforschten Schicht der Atmosphäre statt.
Die Aurora Borealis gehört wohl zu den schönsten Phänomenen am Nachthimmel, gemeinhin ist es als Polarlicht bekannt. Wenn geladene Partikel der Sonne in der Nähe der Pole auf die Atmosphäre der Erde treffen, tanzen grüne Schleier über den Himmel. Mit Hilfe der Daten von Hobbyastronomen haben finnische Wissenschaftler nun eine bislang unbekannte Variante der Polarlichter beschrieben.
Konkret geht es um Dünenartige Wellen in der Aurora. Die Forscher um Minna Palmroth von der Universität Helsinki glauben, dass es sich dabei um Sauerstoffatome handelt, die in der Atmosphäre aufsteigen, während geladene Teilchen von der Sonne von oben herabfallen und die Sauerstoffatome zum Glühen bringen. Ursprung dieser Wellen könnte die sogenannte Mesosphäre in 50 bis 80 Kilometern Höhe sein, genauer die Mesopause. Das ist die Grenzschicht, die über der Mesosphäre liegt. Auf den entscheidenden Hinweis für ihre Theorie kamen die Forscher durch die Hilfe von Hobbyastronomen.
Finnische Forscher entwickeln Simulationsmodelle für Weltraumwetter
Palmroth und ihre Arbeitsgruppe beschäftigen sich intensiv mit dem erdnahen Weltraumwetter. Das wird von einem Strom elektrisch geladener Partikel bestimmt, die die Sonne ununterbrochen in den Weltraum schleudert. Diese Partikel sind auch als Sonnenwind bekannt. Sie verursachen die Polarlichter, wenn sie in der oberen Atmosphäre auf ionisierte Sauerstoff- und Stickstoffatome treffen. Die Forscher haben Computermodelle entwickelt, mit denen sich das Raumwetter simulieren lässt.
Neben ihrer Forschung beantwortete Minna Palmroth in einer Gruppe im sozialen Netzwerk Facebook Fragen von Hobbyastronomen zu den Polarlichtern. Aus den gesammelten Antworten machte sie 2018 ein Buch, eine Art Führer zur Aurora Borealis. Dafür kategorisierte sie auch mehrere tausend Fotos, die Hobbyastronomen von der Aurora gemacht hatten. Es gab allerdings ein Unterphänomen des Polarlichts, das in keines der bekannten Schemata passte.
Ionosphäre wird scherzhaft auch Ignorosphäre genannt
Das fiel auch den Lesern auf. Kurz nach Erscheinen des Buchs beobachtete Hobbyastronom Matti Helin das Phänomen erneut, ein grün gefärbtes, gleichmäßiges Wellenmuster, das den Dünen an einem Sandstrand ähnelte. Er maß die Position des Musters in Relation zu den Sternen im Hintergrund aus und konnte so mit dem Programm Stellarium die Höhe der Polarlichtdünen errechnen.
Er stellte fest, dass es sich in etwa 100.000 Metern Höhe befand, einer relativ niedrigen Schicht der Atmosphäre. Sie bildet die Grenze zum Weltraum. Hier treffen die geladenen Sonnenpartikel auf ionisiertes Gas, weshalb diese Schicht auch Ionosphäre genannt wird. Die heftigen elektrischen Wechselwirkungen stellen Satelliten und andere Weltrauminstrumente vor schwierige Bedingungen, weshalb wenig über diese Region bekannt ist. Forscher nennen sie deshalb scherzhaft auch Ignorosphäre.
Elektromagnetische Energie aus dem Weltraum wird auf die Atmosphäre übertragen
Palmroth und ihre Kollegen analysierten die Daten. Sie gehen jetzt davon aus, dass diese spezifische Form der Polarlichter eine aufsteigende Welle von Sauerstoffatomen ist, die Flutwellen ähnelt, die gegen die Strömung einen Fluss hinauflaufen. Weil das Phänomen in einer so schwierig zugänglichen Region der Atmosphäre stattfand, wurde es bislang kaum erforscht, obwohl es mit bloßem Auge zu sehen ist. Die Beobachtungsdaten zeigen auch: Die Wellen traten simultan überall dort auf, wo zu einem bestimmten Zeitpunkt elektromagnetische Energie aus dem Weltraum in die Ionosphäre transferiert wurde.
"Das könnte bedeuten, dass die vom Weltraum in die Ionosphäre übertragene Energie mit der Bildung der Inversionsschicht in der Mesosphäre in Verbindung gebracht werden könnte", sagt Minna Palmroth. "Physikalisch gesehen wäre das eine erstaunliche Entdeckung, da es sich um einen neuen und bisher unbeobachteten Mechanismus der Wechselwirkung zwischen der Ionosphäre und der Atmosphäre handeln würde." Die Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass das Phänomen neue Möglichkeiten bietet, die obere Atmosphäre zu erforschen.
* UPDATE 31.01.2020: In einer früheren Version dieses Beitrags war in der Bildunterschrift zur Grafik die Rede von "Gravitationswellen". Hierbei handelte es sich um einen Übersetzungsfehler. Die Forscher sprachen nicht vom der Gravitationswellen (engl.: "gravitational waves") aus dem Bereich der generellen Relativitätstheorie Einsteins, sondern von Schwerewellen (engl.: "gravity waves"), einem Phänomen aus der Fluiddynamik. Schwerewellen entstehen häufig am Rand zweier Fluide, im hier vorliegenden Fall zwei verschiedener Gasschichten in der Atmosphäre. Ein Stoff steigt durch den Auftrieb durch eine Flüssigkeitsschicht auf und trifft auf eine weitere Schicht. Dort wirkt die Schwerkraft stärker auf ihn. Auftrieb und Schwerkraft versuchen sich auszugleichen, wodurch der Stoff, im konkreten Fall die Sauerstoffmoleküle, in eine Schwingungsbewegung versetzt wird.
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/0262b72f-a060-458a-a070-d2f12ccd6884 was not found on this server.