Forschung aktuell Gute Nachricht: Warum 2020 kein Hanta-Virus-Jahr wird
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17. Juni 2020, 12:54 Uhr
Kaum Hantavirus-Infektionen im ersten Halbjahr 2020 - das ist auf den ersten Blick kurios, denn 2019 hatte es mehr als 1.500 Erkrankungsfälle gegeben. Warum schwanken diese Zahlen so extrem?
Hantavirus ist nicht gleich Hantavirus und Maus nicht gleich Maus. Und die Rötelmaus ist auch nicht an jeder Hantavirus-Erkrankung schuld. Man muss ziemlich genau hinschauen, sowohl bei den Mäusen, wie auch bei diesem Virus. Landläufig sagt man, das Hantavirus sorgt bei Infizierten für hohes Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Magendarmbeschwerden und akutes Nierenversagen. Bei schweren Verläufen kommt es außerdem zu inneren und äußeren Blutungen.
2020: Wenige Infektionen
Aber wie kommen wir überhaupt mit diesem Virus in Kontakt? "Wir nehmen die Viren auf über den Staub, wenn wir Mäusenester ausräumen, Mäuseköttel einsammeln oder Gartenlauben aufräumen", sagt Professor Dr. Jörg Hofmann, Leiter der Virusdiagnostik an der Charité in Berlin. Sein Kollege, Professor Dr. Rainer Ulrich leitet das Nationale Referenzlabor für Hantaviren des Friedrich-Löffler-Instituts auf der Insel Riems. Er hat die aktuellen Zahlen:
Das Robert Koch-Institut hat bis zum heutigen Tage (Stand 3.6.2020) 40 gemeldete Fälle registriert. Das ist deutlich weniger als zu den Vergleichszeitpunkten in den vergangenen Jahren.
Ganz anders sah es dagegen im vergangenen Jahr aus, weiß der Forscher:
Aber nicht jede Infektion führt zur Erkrankung und 90 Prozent der Infekte verlaufen symptomfrei oder mit unspezifischen Krankheitsmerkmalen. Diese Fälle tauchen dann in keiner Statistik auf. Aber könnte man das eigentlich vorhersagen, ob ein starker Mäusejahrgang mit vielen infizierten Mäusen ansteht? Dann könnte man das Medizinpersonal entsprechend sensibiliseren für viele potentielle Hantavirus-Patienten?
Tatsächlich gibt es einen Forschungsverbund, sagt Professor Ulrich. Der heißt "RoBoPub" und besteht aus verschiedenen Forschungseinrichtungen und Einrichtugnen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, die zusammen versuchen, solche Vorhersagemodelle zu entwickeln.
Wie das Virus wandert und wo es überlebt
Andres als beim aktuellen Coronavirus gibt es bei Hanta keine Übertragung von Mensch zu Mensch, die Maus verbreitet das Virus in ihrer Umgebung über Speichel, Kot und Urin. Wissenschaftler bezeichnen Nagetiere deshalb auch als die "Reservoire" für diese Viren. Das Hantavirus ist bei Trockenheit sehr stabil und überlebt ziemlich lange außerhalb seines Wirts.
"In geschlossenen Räumen kann man von fünf bis sechs Wochen Überlebens- und Ansteckungsdauer ausgehen," sagt Virologe Professor Dr. Jörg Hofmann. "Draußen reicht ein Regenguss, um die Viren oder das virenhaltige Material ins Erdreich zu spülen und dann sind die weg. "
Aber zurück zu den Schwankungen, woran liegen die? Dahinter stecken die Zyklen der Natur: Jede Baumart hat ihre eigenen Regelmäßigkeiten, Buchen beispielsweise haben alle drei bis sechs Jahre ein Mastjahr, Eichen sogar nur alle sechs bis zwölf. Das wirkt sich entsprechend auf die Menge der Rötelmäuse auf:
Im darauffolgenden Jahr haben wir eine starke Vermehrung der Rötelmäuse, dann brechen die Populationen wieder zusammen.
2018 war ein starkes Mastjahr für die Buche, was die vielen Erkrankungen 2019 erklären könnte. 2019 war dagegen laut Dr. Nicole Wellbrock vom Thünen-Institut in Eberswalde ein schlechtes Mastjahr - und zwar überall in Deutschland, so die Leiterin des Arbeitsbereiches Bodenschutz und Waldzustand. Und das wirkt sich dann eben auch auf die Rötelmauspopulation aus. Und die wiederum auf uns Menschen, sagt Virologe Ulrich:
Diese geringere, beziehungsweise höhere Rötelmaus-Dichte wirkt sich dann auch auf die Zahl der registrierten Human-Hantavirus-Erkrankungen aus.
Seit 2001 sind Hantavirus-Infektionen meldepflichtig. Die bisher höchste Infektionszahl stammt laut Robert Koch-Institut aus dem Jahr 2012, damals erkrankten 2.825 Menschen. Nur an welchem Hanta-Virus? Es gibt nämlich viele verschiedene Hantavirustypen, zwei davon kommen in Deutschland vor: Das Hantavirus vom Typ Puumala -Träger ist die Rötelmaus. Und das vom Typ Dobrava-Belgrad, übertragen von der Brandmaus, Gelbhalsmaus und Schwarzmeerwaldmaus.
Warum Hanta-Virus?
Der Name leitet sich ab vom Fluss Hantan in Korea. Im Koreakrieg Anfang der 1950er-Jahre erkrankten mehr als 3.000 Soldaten an schweren Verläufen des sogenannten hämorrhagischen Fiebers, das mit inneren und äußeren Blutungen einhergeht. 1977 wurde der Erreger erstmals isoliert und "Hantaan" benannt. Es gibt verschiedene Typen innerhalb der Hantavirusgruppe, die bekanntesten sind Hantaan-, Puumala-, Dobrava-Belgrad-, Seoul-, Sin-Nombre- und Andesvirus.
Warum erkranken mehr Männer an Hantaviren?
Aber warum sind eigentlich Männer stärker betroffen als Frauen? Immerhin sind dem Robert-Koch-Institut zufolge zwei Drittel der Hanta-Virus-Erkrankten Männer und zwar zwischen 30 und 49 Jahren. Eine gute Frage, sagt Jörg Hofmann, aber auch eine, auf die es noch keine befriedigende Antwort gibt. Sicher sei, dass es mit Genen und Hormonen nichts zu tun habe. Der Virologe hat trotzdem eine Vermutung:
Männer fliehen gerne vor Hausarbeit und gehen dann in die Garage und die Gartenlaube und verrichten dort Arbeiten, bei denen sie ein höheres Expositionsrisiko haben.
Soweit also die Vermutung, denn eine wissenschaftlich Erklärung gibt es für die höheren Infektionszahlen bei Männern bislang nicht.
Kann man sich mehrfach mit Hanta-Viren infizieren oder daran erkranken?
Übrigens: Eine Infektion mit einem Hanta-Virus verläuft in 90 Prozent der Fälle asympotmatisch, sagt Professor Jörg Hofmann. Aber wird man durch eine solche asympotmatisch verlaufende Infektion immun? Bislang weiß man nicht, wie langanhaltend und protektiv das ist, sagt der Experte. Anders ist das mit einer Erkrankung: Danach gibt es eine sehr lang anhaltende Immunantwort des Körpers. Wer einmal am Puumala-Virus infiziert war, wird sich in den kommenden Jahren mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht noch mal infizieren, so Virologe Hofmann. Bei anderen Hanta-Virusarten ist das etwas anders. Wer sich mit dem Dobrava-Belgrad- oder dem Sin-nombre-Virus infiziert, kann sich nach jetzigem Forschungsstand zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal infizieren - aber nicht mehr erkranken.
Wie man eine Infektion erkennt
Virologe Jörg Hofmann schildert die Symptome so: "Die Patienten haben plötzlich einsetzendes sehr, sehr hohes Fieber. Man denkt dann immer zuerst an eine Virusgrippe. Aber hinzu kommen heftige Kopf-, Glieder- und Abdominalschmerzen, jedenfalls bei den meisten Patienten, und sie stellen fest, dass sie zu wenig Flüssigkeit ausscheiden. Wenn diese Symptome zusammenkomme, sollte man schleunigst zu einem Arzt gehen und einen spezifischen Test auf Hantaviren machen lassen. "
Bei der Erforschung zur Verbreitung des Virus und seiner Unterarten haben die Teams im Friedrich Löffler-Institut und und im RKI einen verblüffenden Fund gemacht:
Interessanterweise ist es so, dass komischerweise das Puumala-Virus im östlichen Teil Deutschlands nicht vorkommt und umgekehrt das Dobrava-Belgrad-Virus nicht im westlichen Teil Deutschlands.
Die Gründe dafür liegen vermutlich in der Geschichte der letzten Zehntausend Jahre.
Wir gehen davon aus, dass das Virus mit der nach-eiszeitlichen Wiederbesiedelung Deutschlands aus einem südwestlichen Refugium wieder eingewandert ist und damit das Virus mitgebracht wurde. Und die Verbreitungsgrenze verläuft in Niedersachsen, zwischen Hessen und Sachsen-Anhalt über Thüringen dann nach Bayern.
Was passiert, wenn eine Hantavirus-Infektion erkannt wird
Ein Labor, dass über serologische oder molekulare Untersuchungen feststellt, jemand ist an einem Hantavirus erkrankt, muss das dem Gesundheitsamt melden. Das wiederum gibt diese Daten ans Robert Koch-Institut weiter. Dort ist man so weit, dass man mit großer Sicherheit sagen kann, wo sich ein Patient infiziert hat, sagt Hofmann: "Es gibt Beispiele, bei denen sich Leute vermeintlich auf Rügen infiziert haben. Wir konnten dann aber zeigen, dass die sich in Hammelburg infiziert hatten."
Und konkret? Wie vermeidet man die Infektion mit Hantaviren?
Für uns Menschen ist es an sich egal, von welcher Maus wir uns welches Virus fangen, im Osten, Süden, Norden oder Westen, wenn wir im Schuppen oder Garage Staub und Mäusekot aufwirbeln. Wo es staubt, sollten wir auf Mund-Naseschutz achten, besonders wenn es in einem Gebiet ist, in dem Hantaviren zirkulieren, sagt Virologe Hofmann. Es muss nicht zwingend ein Mund-Nasenschutz sein, auch ein feuchtes Tuch vor Mund und Nase reicht. Der Virologe rät außerdem: "Die Kleidung sollte nach solchen Arbeiten bei 60 Grad gewaschen werden, sich selbst am besten auch duschen, Haare, Bart gründlich reinigen, damit man sich nicht später über diesen Weg doch noch infiziert."
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