Wald-Wissen Vom Speisepilz zum Giftpilz: Pilze werden neu bewertet
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29. Oktober 2020, 10:39 Uhr
Es läuft gut für die Pilzsammler im Herbst 2020. Maronen, Steinpilze, Pfifferlinge und Co wachsen und die Leute kommen mit vollen Körben aus dem Wald. Wer sammelt, weiß meist ziemlich genau, was er sammelt: die Pilze, die er kennt und bei denen früher schon der Opa gesagt hat: "Der ist gut!" Doch auf dieses Wissen kann man sich nicht immer verlassen. Denn gelegentlich kommt es vor, dass Pilze neu bewertet werden. Aus einem essbaren Pilz wird plötzlich ein giftiger.
Drei Bestecke im Pilzbuch - das ist die volle Punktzahl und bedeutet, dass es sich bei der Pilzsorte um einen hervorragenden Speisepilz handelt. Der Grünling zum Beispiel hatte diese Bewertung in den meisten Pilzbüchern locker geschafft. Er gilt als besonders schmackhaft, in der Lausitz wurde er sogar als Spezialität bezeichnet. Heute jedoch gilt der Grünling als giftig. Tödlich giftig - zumindest in hoher Dosis, sagt der Lebensmittelchemiker Stefan Zinke, der die Pilzfachgruppe in Dresden leitet.
Es sind Fälle in Polen und Frankreich aufgetreten. Dort wurden sehr viele Kilo des Grünlings über einen kurzen Zeitraum gegessen und daraufhin kam es zu einer Muskelzersetzung, die tödlich endete.
Über Generationen hinweg wurde der Grünling immer wieder gegessen, nie gab es Probleme. Hat man bisher einfach nicht genau hingeschaut? Es hat etwas mit der Art der Pilzforschung zu tun, erklärt Stefan Zinke.
Die Daten, die wir über die Essbarkeit und Giftigkeit von Pilzen haben, beruhen auf Versuchen und Erfahrungen, die über Jahrhunderte gemacht wurden. Wird ein Pilz gut vertragen oder kommt es zu Vergiftungserscheinungen?
Wir wissen also nicht, dass ein Pilz giftig ist, weil ihn irgendwann jemand mal untersucht und festgestellt hat, dass er viele giftige Substanzen enthält, sondern weil irgendwann mal jemand daran gestorben ist. Erst wenn ein Pilz beim Essen zu Vergiftungen führt, die im schlimmsten Fall sogar tödlich enden, erklärt der Pilzsachverständige, dann wird er genauer erforscht:
Die Substanzen sind sehr vielfältig, man muss sie verschiedenen Stoffen und Substanzklassen zuordnen. Beim Grünen Knollenblätterpilz zum Beispiel guckt man natürlich schon gezielt nach dem Amanitin, dem Giftstoffe im Knollenblätterpilz. Es wurden inzwischen noch mehr Pilze gefunden, die das enthalten.
Geforscht wird nur, wenn es ein wissenschaftliches Interesse gibt, aus der Lebensmittelindustrie oder der Medizin zum Beispiel. Da die Zusammensetzung der Wirk- und Giftsubstanzen in Pilzen so vielfältig ist und unterm Strich das Interesse doch relativ gering, erklärt Zinke, gäbe es hier noch große Wissenslücken. Man ist auf die Erfahrungen der älteren Generationen angewiesen. Neubewertungen, wie es sie in den letzten Jahren beim Grünling gab, kommen daher immer wieder vor. So auch beim Kahlen Krempling:
Bis in die 1940er-Jahre war der wirklich ein guter Speisepilz und wurde auch sehr viel gegessen, bis dann ein namhafter Mykologe daran verstorben ist. Wenn man den ein paar mal gegessen hat, löst er eine allergische Reaktion im Körper aus, die bringt dann die Blutkörperchen zum Platzen.
Vergiftungen mit dem Kahlen Krempling kommen auch heute noch vor, erzählt Stefan Zinke. Oft seien das ältere Menschen, die ihm dann sagen, dass der Krempling früher immer gegessen wurde. Altes Wissen um Pilze hält sich eben sehr lange, weiß der Pilzkenner. Doch es lohne sich immer, wachsam zu bleiben.
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