Googeln bis der Arzt kommt Dr. Google und Kollegen: Suchergebnisse bei Krankheiten haben Risiken und Nebenwirkungen
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05. November 2021, 15:02 Uhr
Was tun bei Läusen, Verstopfung, Bauchweh, Fieber? Wer nicht weiter weiß, fragt eine Suchmaschine. Aber wie "gesund" ist das, wie verlässlich sind die Suchergebnisse? Das hat ein deutsch-russisches Forschungsteam untersucht und meint: Bei medizinischen Suchanfragen seien Warnhinweise in der Such-Ergebnisseite wichtig.
Wer in die Suchmaschine Google "Was tun bei" eingibt, bekommt prompt eine ellenlange Liste mit Vorschlägen für mögliche Krankheitsbilder: Beispielsweise Verstopfung, Halsschmerzen, Durchfall, Blasenentzündung, Wespenstich, Ohrenschmerzen, Erkältung, Haarausfall, Sodbrennen oder Fieber. Egal, welches der Symptome man auswählt: Die Suchmaschine listet auf der Suchergebnisseite reihenweise Tipps aus: Hausmittel, Medikamente, Beschreibungen von Symptomen und wie man ihnen beikommt. Allein beim Stichwort Verstopfung kommen 6,5 Millionen Ergebnisse. Aber wie verlässlich sind all diese Suchergebnisse?
Wir brauchen Warnhinweise auf den Suchergebnis-Seiten
Genau das hat sich ein deutsch-russisches Forschungsteam von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zusammen mit der Uralischen Föderalen Universität Russland angeschaut. Ihr Fazit: Eigentlich braucht es auf den Ergebnisseiten der Suchmaschinen Warnhinweise auf mögliche Gesundheitsrisiken. Denn nicht alles, was nach einer Antwort aussieht, ist tatsächlich medizinisch haltbar. Laut den Forschern sind viele Angaben oft fehler- oder mangelhaft.
Zwar haben die Forscher in ihrer Studie nicht den Wahrheitsgehalt von allen 6,5 Millionen Suchergebnissen für Verstopfung überprüfen können. Aber sie haben sich die kleinen Informationshappen der jeweils ersten 30 Suchergebnisse näher angeschaut, die die Suchmaschinen ausspucken. Und diese dann von einer Ärztin auf Richtigkeit checken lassen.
Wie testet man Verlässlichkeit von Suchergebnissen bei Millionen Antworten?
In einem ersten Schritt wurden 1,5 Milliarden Suchanfragen der in Russland oft genutzten Suchmaschine Yandex herausgefiltert, die Symptome, Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten beschrieben. Bei der Analyse der Daten identifizierten die Forscher etwa 4.400 Krankheiten und Symptome, 1.000 medizinisch genutzte Pflanzen sowie Hausmittel.
Informatiker Alexander Bondarenko zufolge ging es dabei am häufigsten um eher private, alltägliche Themen wie Schwangerschaft oder Intimkrankheiten: "Insgesamt wurde auch häufiger nach der Behandlung von Akne oder Cellulite als nach Krebs gesucht", sagt er. Die Suchanfragen zeigten, dass zwei Typen von Antworten gesucht wurden: Entweder, ob ein bestimmtes Mittel gegen eine Krankheit hilft, oder wie ein Mittel bei einer Krankheit anzuwenden sei.
Und genau bei der zweiten Art von Antwortsuche werde es problematisch. Wenn nämlich davon ausgegangen werde, dass ein Mittel helfe, obwohl das gar nicht nachgewiesen sei, sagt Dr. Pavel Braslavski, Senior Researcher und Dozent an der Uralischen Föderalen Universität.
Analyse Schritt für Schritt
Im nächsten Forschungsschritt überprüfte das Team die Antwort-Vorschläge der Suchmaschinen Yandex und Google auf die 30 häufigsten Fragen. Dazu wurden die ersten zehn sogenannten Antwort-Snippets analysiert, also die kurzen Vorschau-Textschnipsel der gefundenen Suchergebnisse. Deren Wahrheitsgehalt wurde von einer Ärztin mithilfe von Datenbanken für medizinische Studien wie "Cochrane", "PubMed" und "BioMed Explorer" kontrolliert, sowie ob es Warnhinweise zu möglichen Gesundheitsrisiken gab.
Ergebnis: Die Suchmaschine Yandex gab in 44 Prozent der Fälle falsch an, dass ein Mittel gegen eine bestimmte Krankheit wirkt, ohne dass es dafür wissenschaftliche Belege gibt. Bei Google waren es knapp ein Drittel der Fälle. Hinweise auf potenziell giftige Substanzen fand das Team nur in dreizehn beziehungsweise zehn Prozent der Fälle.
Informatiker Bondarenko fasst zusammen: "Die Angaben aus den Snippets tendieren dazu, vorhandene Meinungen zu bestätigen und liefern viel zu selten Warnungen zu möglichen Risiken." Da die kurzen, vermeintlichen Infoschnipsel oft schon als richtige Antworten interpretiert werden, ist es aus Sicht der Forscher sinnvoll, Suchmaschinenergebnisse zu medizinischen Fragen mit deutlicheren Warnhinweisen auf mögliche gesundheitliche Risiken auszustatten. (Die komplette Studie lesen Sie hier.)
Digitale Informationsmöglichkeiten: Nicht viele können sie klug nutzen
Und das scheint tatsächlich sehr sinnvoll, wenn man sich das Ergebnis der "Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland" von 2020 anschaut. In der Studie heißt es nämlich: "Die digitale Gesundheitskompetenz der Befragten ist sehr schwach ausgeprägt. Drei Viertel der Befragten weisen eine geringe digitale Gesundheitskompetenz auf und haben große Schwierigkeiten, mit digitaler Information umzugehen. Während der Corona-Pandemie hat sich die digitale Gesundheitskompetenz verbessert. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Nutzung digitaler Informationsmöglichkeiten zum Thema Gesundheit, die der Studie zufolge nicht sehr hoch ist." Befragt wurden dazu 2.151 Erwachsene.
Gesundheitskompetenz Unter Gesundheitskompetenz versteht man die Fähigkeit, gesundheitsrelevante Informationen ausfindig zu machen, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden.
(lfw)
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