Neurowissenschaft Das Navi in der Nase: Warum Gerüche und Orte zusammengehören
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23. Dezember 2021, 14:30 Uhr
Weihnachtszeit ist Schnupperzeit. Und die Zeit schöner Orte. Und beides gehört zusammen, das zeigt eine aktuelle Studie. Für Tiere ist diese Verbindung eine praktische Angelegenheit und für uns zumindest faszinierend.
Weihnachten, das ist diese ganz und gar besinnliche Zeit, dominiert von Dominosteinen, Kerzenglanz und den Neuronen im olfaktorischen Kortex. Dieser Teil des Gehirns, seines Zeichens für Gerüche zuständig, feiert ordentlich mit. Möglicherweise haben Sie sich zu einer Tüte gebrannter Mandeln aus dem Supermarktregal hinreißen lassen. Und sich beim Öffnen der Verpackung sofort auf einem der entfallenen Weihnachtsmärkte gewähnt. Ihr Gehirn sagt ihnen nämlich nicht nur: "Mhm, gebrannte Mandeln, die riechen so gut süßlich-würzig nach gebrannten Mandeln." Sondern: "Mhm, gebrannte Mandeln – die riechen so gut süßlich-würzig nach Weihnachtsmarkt (oder Kirmes.)"
Die Verortung von Gerüchen hat aber nichts mit der Nahrungsaufnahme zu tun: Ein Besuch bei den Eltern zur Festtagszeit und der erste Atemzug im alten Kinderzimmer sorgen möglicherweise sogar für eine Verschiebung der Raumzeit. Und wecken Erinnerungen an behütete Kindheitstage – oder Stubenarrest.
Direkter Draht zum Hippocampus
Damit das klar ist: Ein Geruchsmolekül ist ein Geruchsmolekül und enthält keine Daten zur Geolokalisierung. "Tiere in freier Wildbahn verwenden jedoch Gerüche für die räumliche Navigation und das Gedächtnis, die es ihnen ermöglichen, wertvolle Ressourcen wie Nahrung zu finden." Das sagt Cindy Poo. Die Neurologin aus Lissabon ist Erstautorin einer Studie, die sich mit der Verbindung von Gerüchen und Orten im Gehirn auseinandersetzt. Das ist eine spannende Angelegenheit, weil das Riechsystem als einzigartig unter den Sinnen gilt und einen direkten Draht zum Hippocampus vorweisen kann. Und der ist wiederum an Gedächtnis und Navigation beteiligt.
Im Hippocampus wird jede Zelle an einem bestimmten Ort innerhalb einer Umgebung aktiviert. Ein Gebiet wird durch die Neuronen sozusagen codiert und mit einer neuronalen Landkarte abgebildet. Für die Entdeckung dieses eingebauten GPS gab's 2014 sogar den Medizinnobelpreis für drei Hirnforschende. "Wir wissen, dass das Hippocampussystem Signale an den primären olfaktorischen Kortex sendet", so Poo. "Wir vermuteten also, dass diese Gehirnregion mehr tun könnte, als nur verschiedene Gerüche zu identifizieren."
Gute Belohnung, guter Ort
Wie auch schon für die Nobelpreis-gekürte Forschung von 2014 kamen in Poos Experiment Ratten zum Einsatz. Die mussten sich in einem Labyrinth mit Gerüchen orientieren, während das Forschungsteam ihre Neuronen im primären Riechkortex überwachte. Poo: "Wir hatten angenommen, dass sich einige Neuronen hier bis zu einem gewissen Grad um den Standort kümmern könnten. Durch die sorgfältige Untersuchung der Aktivität von Riechkortexneuronen, während das Tier im Labyrinth navigierte, stellten wir jedoch fest, dass diese Neuronen eine ganze Karte der Umwelt gelernt hatten."
Allerdings wurde die Umgebung nicht in Gänze abgedeckt, sondern insbesondere an verhaltensrelevanten Stellen im Gehirn: Also dort, wo die Tiere Gerüche erlebt haben. Und belohnt wurden. Zellen haben dann auch an diesen Orten reagiert, wenn die Tiere einfach nur herumliefen, ohne dass sie erneut etwas zu schnuppern hatten.
Beim Menschen nicht vordergründig
Und wir? Also der Stubenarrest oder das erste Techtelmechtel im Jugendzimmer, die herzlich-besinnlichen Kräppelchenmomente auf dem Weihnachtsmarkt? Was unsere Sensorik betrifft, sind wir eher Universaldilletanten als sinnestechnisch besonders versiert – vor allem nicht mit der Nase. Der Mensch verlässt sich zudem eigentlich mehr auf visuelle als duftende Reize. Den Forschenden zufolge ist es aber trotzdem wahrscheinlich, dass die Prinzipien, wie wir uns daran erinnern, wo wir gewesen sind und wohin wir gehen, sehr ähnlich sind. Der olfaktorische Kortex gehört Weihnachten eben einfach zur Familie.
flo
Link zur Studie
Die Studie Spatial maps in piriform cortex during olfactory navigation erschien am 22. Dezember im Fachjournal Nature.
DOI: 10.1038/s41586-021-04242-3
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