Illustration - Spermium
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Fruchtbarkeit Neue Theorie: Die Eizelle entscheidet, welches Spermium rein darf

11. April 2024, 13:58 Uhr

Da können wir Menschen uns auf den Kopf stellen, wenn es ums Fortpflanzen geht. Am Ende entscheidet die Eizelle, welches Spermium sie einlässt oder nicht. Das legt eine neue Studie nahe, an der es aber Kritik gibt.

Da können wir Menschen uns auf den Kopf stellen. Vor dem Koitus, oder der künstlichen Befruchtung bei der Frage: Ist er oder sie auch wirklich die Richtige, mit dem oder der ich Kinder zeugen will. Nach dem Koitus, damit das Sperma dahin findet, wo es hin soll. Danach, wenn wir dieses trinken oder jenes essen, um der Fruchtbarkeit unter die Arme zu greifen. Alles, damit der nächste Schwangerschaftstest die berühmten blauen Streifen zeigt. Doch letztlich wäre all das vergebliche Liebesmüh, wenn das britisch-schwedische Forschungsteam Recht hat, das behauptet: Am Ende entscheidet die weibliche Eizelle, welches Spermium sie einlässt und welches nicht. John Fitzpatrick von der Uni Stockholm erklärt, was bei der Studie untersucht wurde:

Menschliche Eizellen setzen Chemikalien frei, so genannte Chemoattractants. Die locken Spermien zu unbefruchteten Eizellen. Wir wollten wissen, ob Eizellen diese chemischen Signale nutzen, um auszuwählen, welche Spermien sie anziehen.

Und sie wollten auch wissen: Wie reagieren Spermien auf die Follikelflüssigkeit, die die Eizellen umgibt und die chemische Lockstoffe für Spermien enthält?

Frau sagt ja, Eizelle nein

Mann mit Brille
John Fitzpatrick Bildrechte: Magnus Bergström/Knut and Alice Wallenberg Foundation

Also wurde nach Entfernung der Eizellen für die künstliche Befruchtung mit der Follikelflüssigkeit verschiedener Frauen experimentiert und geschaut, ob diese Flüssigkeit die Spermien von dem einem Mann eventuell schneller anzieht als die von einem anderen. Dabei gab es tatsächlich Unterschiede, salopp gesagt zeigte sich: Die Frau kann den Mann mögen - die Follikelflüsigkeit dessen Spermien aber nicht bevorzugen. Ein Novum für die Wissenschaft, meint Professor Daniel Brison. Er ist wissenschaftlicher Direktor der Abteilung für Reproduktionsmedizin am Saint Marys' Hospital, und leitender Autor dieser Studie:

Die Idee, dass Eizellen Spermien auswählen, ist wirklich neuartig in der menschlichen Fruchtbarkeit.

Daniel Brison, Reproduktionsmediziner

Brison hofft, dass das Studienergebnis helfen kann, einige der unerklärlichen Ursachen der Unfruchtbarkeit von Paaren zu verstehen. Das wiederum glaubt Professor Manfred Milinski vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie im norddeutschen Plön nicht. Er befasst sich seit Jahren mit dem Thema Immungenetik und den Mechanismen hinter den Kombinationen von Eizelle und Spermien. Bezogen auf die britisch-schwedische Studie sagt er: Die Studie zeigt im Prinzip gar nichts, außer dass Spermien verschieden schnell sein können. Zudem könnten unter natürlichen Bedingungen nach dem Koitus Spermien gar nicht auf zwei verschiedene Follikelflüssigkeiten zugehen, bzw. Follikelflüssigkeiten nicht zwischen Spermien verschiedener Herkunft entscheiden.

Matching: Die Immungene müssen sich ergänzen

Warum nun das eine oder andere Spermium auf eine Follikelflüssigkeit reagiert und schließlich in eine Eizelle eingelassen wird, hat für ihn einen ganz anderen Hintergrund: Einen biologischen Prozess, der für das evolutionär sinnvollste "Matching" sorgt, also dafür, dass sich die Immungene von Frau und Mann bestmöglich ergänzen und dem Nachwuchs Immungene ein großes Spektrum an Krankheitserregern mitgeben.

Aber das ist nur der zweite Schritt, denn den ersten Schritt tun immer noch die Menschen selbst, die beschließen, zusammen Eltern werden zu wollen. Selbst bei dieser scheinbar bewussten Entscheidung läuft ein effektives, evolutionsbiologisches Programm im Körper ab: Die Entscheidung läuft über Geruchssinn, wie Milinskis Mitarbeiter schon in den 1990er-Jahren in der "T-Shirt-Studie" nachgewiesen haben: Frauen wählen unbewusst Männer aus, die andere Immungene besitzen als sie selbst – und zwar über den Geruchssinn und dann genau die, die ihre eigenen Immungene ergänzen.

Die Studie wurde im Fachmagazin Proeceedings of the Royal Society B veröffentlicht.

(lw)

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